TOP II: Arbeitssituation der niedergelassenen Ärzte

1. Tag: Dienstag, 3. Mai 2005, nur Nachmittagssitzung

Haus, Nordrhein:
Da bin ich ziemlich sicher. – Ich möchte ähnlich wie mein Vorredner deutlich machen, wie der Alltag aussieht, was ihn so frustend macht, was eben nicht Lust, sondern Frust bedeutet. Ich übe meinen Beruf sehr gern aus – das werde ich auch in Zukunft tun –, aber zunehmend mit zusammengebissenen Zähnen.

Ich habe mich 1984 in einer Praxisgemeinschaft niedergelassen. Ich befinde mich auch heute noch in einer Praxisgemeinschaft, wenn auch in einer anderen. Ich habe damals mit ungefähr der Hälfte an Patienten denselben Kassenumsatz gehabt wie heute. Im Gegensatz zu meinem Vorredner kann ich sagen: Bei mir nimmt die Zahl der Patienten nicht ab, sondern es werden eher mehr.

EBM und Budgetierung führen zu Belastungen, die unerträglich sind, was die Arzneimittelausgaben anlangt. Seit 1991 schwebt ständig über mir das Damoklesschwert einer zu hohen Medikamentenverordnung. Das liegt an den Besonderheiten meiner Praxis. Aber die entsprechenden Darlegungen werden nicht akzeptiert. Das ist allerdings mehr ein körperschaftsinternes Problem. Die Budgetierung ist uns auferlegt und führt dazu, dass die Patienten zwischen den Hausärzten und den Fachärzten hin- und hergeschickt werden. Jeder meint, er könne nun für dieses oder jenes nicht mehr verantwortlich sein.

Ich denke, es hat seine Berechtigung, dass Erkrankungen aus Fachbereichen auch von den Fachärzten behandelt werden und andere Dinge von den Hausärzten. Das führt zum Teil zu grotesken Situationen, wenn der Patient am Tag drei verschiedene Ärzte aufsuchen muss, weil der eine nur das, der andere nur jenes, der dritte ein weiteres Medikament aufschreibt, obwohl klar ist, dass der Patient alle drei Medikamente benötigt. Solcher Unsinn existiert leider. Das entspringt alles der Angst der Kollegen, mit ihren Budgets nicht auszukommen. So viel zu den finanziellen Aspekten, wobei ich mich hier sehr beschränkt habe.

Ich habe es ohne Ende satt, die Rolle des Mangelverwalters zu spielen, den Patienten von morgens bis abends erzählen zu müssen, warum dieses und jenes nicht geht,

(Beifall)

obwohl ich ihnen andererseits gern empfehlen möchte, dieses oder jenes zu tun. Ob es sich um Heilmittel, Arzneimittel oder Behandlungsmethoden handelt: Ich bin diejenige, die an der Front steht und pausenlos Erklärungen abgeben muss, warum irgendetwas nicht funktioniert.

Ich gelte bei meinen Patienten im Grunde sicherlich als streng. Ich würde niemals etwas verordnen, von dem ich nicht überzeugt bin. Es gibt schon so vieles, was heute nicht mehr möglich ist, obwohl es über viele Jahre praktiziert wurde. Ich muss ja sogar erklären, warum mein Kollege, mein Nachbar etwas nicht mehr tut. Damit verbringe ich meine Zeit!

Es gibt hinsichtlich der Bürokratie unendlich viele Auflagen. Ich rede nicht nur von den unzähligen Formularen, die Sie im Foyer aufgereiht bewundern können. Sie müssen sich einmal vorstellen, dass wir Ärzte für alles hergenommen werden. Wir müssen für alles ein Attest ausstellen, im Zusammenhang mit dem Beruf genauso wie hinsichtlich einer Reise. Wir stehen dafür gerade.

(Beifall)

So wichtig sind wir dem Staat immerhin.

Bitte überlegen Sie: Warum geht man von dieser Fiktion „so viel ambulant wie möglich, so wenig stationär wie nötig“ ab? Was hat man mit den niedergelassenen Ärzten staatlicherseits in Richtung Steuerung vor? Ich bitte Sie, darüber nachzudenken.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank. Jetzt bitte Herr Hoppenthaller aus Bayern.

 

© 2005, Bundesärztekammer.