TOP II: Arbeitssituation der niedergelassenen Ärzte

2. Tag: Mittwoch, 4. Mai 2005 Vormittagssitzung

Bodendieck, Sachsen:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einem ganz profanen, aber doch wichtigen Satz beginnen: Leistung und Qualität müssen sich für uns alle wieder lohnen. Nur dann bekommen wir die jungen Leute in die Klinik und in die Praxis zurück. Mir wird in vielen Gesprächen immer wieder gesagt: Was passiert denn, wenn ich in der Praxis bin? Das bezieht sich nicht nur auf den kassenärztlichen, sondern auch auf den privatärztlichen Bereich. Visionen sind nicht mehr möglich. Es wird Wettbewerb gefordert. Aber die Vorstellungen, die die Kolleginnen und Kollegen entwickeln, wie sie ihr berufliches Leben gestalten können und wollen, können nicht einfach umgesetzt werden. Nicht zuletzt wir sagen – damit meine ich in erster Linie die Kammern –: Das müssen wir erst einmal berufsrechtlich prüfen. Dann kommt das Finanzamt und erklärt: Wir möchten erst einmal wissen, wie Sie Ihre Steuern bezahlen werden. Dann kommen die Banken – hier ist eine ganz schlimme Entwicklung zu verzeichnen – und sagen: Wir können Ihnen keinen Kredit geben, Sie haben als junger Kollege keine Sicherheiten.

Aus all diesen Gründen kommen die jungen Leute nicht mehr in die Praxis. Es ging ja durch die Presse: Wir haben in unserem Bereich Torgau/Oschatz auf der Basis entsprechender Absprachen eine Lockprämie ausgesetzt. Trotzdem ist niemand gekommen, außer einzelnen Kollegen, mit denen es erhebliche Schwierigkeiten gab, denen wir sagen müssen: So geht es auch nicht, ihr wollt quasi die Praxis als Hobby betreiben, euer Geld haben und dann wieder weggehen. So geht es natürlich auch nicht.

Es geht nicht nur um die Arbeitsbedingungen, die herrschen, sondern in den ländlichen Gebieten in Sachsen geht es auch um die infrastrukturellen Bedingungen. Im Bereich Torgau/Oschatz gibt es große Unterschiede. Oschatz liegt an der Autobahn; dort gibt es keine Unterversorgung. Torgau hat nichts, da braucht man anderthalb Stunde bis ins nächste Oberzentrum. Dorthin geht niemand. Die jungen Leute wollen ein kulturelles Angebot, sie wollen ihre Kinder versorgt wissen. Wenn wir der Politik nicht deutlich machen, dass das geschaffen werden muss, wird der Ärztemangel dort nicht beseitigt.

Unter Tagesordnungspunkt VIII stelle ich einen Antrag, der ähnlich dem Antrag II-2 ist. Ich würde ihn aber gern dort behandelt wissen, da er sich mit der allgemeinmedizinischen Ausbildung an den Fakultäten beschäftigt. Ich halte es für immens wichtig, dass wir bereits im ersten Studienjahr damit beginnen, die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte an die Allgemeinmedizin heranzuführen. Natürlich ist es ebenso wichtig, die anderen Fachgebiete an die Freiberuflichkeit he­ranzuführen.

Im Moment werden von der Politik die Medizinischen Versorgungszentren als Allheilmittel beschworen. Ich weise darauf hin – das sage ich auch den jungen Kolleginnen und Kollegen –: Dort ist man ein lohnabhängiger Arbeitssklave. Die Medizinischen Versorgungszentren sind zwar ärztlich geleitet, aber dort muss man für den ärztlichen Leiter Geld verdienen, der nichts weiter zu tun hat. Der Wasserkopf ist bei den Medizinischen Versorgungszentren so groß, dass alle nur noch für diesen arbeiten.

Danke schön.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank, Herr Bodendieck. Herr Kossow aus Niedersachsen hat das Wort.

 

© 2005, Bundesärztekammer.