Zimmer, Nordrhein: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf das Thema dieses Tagesordnungspunktes
zurückkommen: Arbeitssituation der niedergelassenen Ärzte. Ich habe bisher von
niemandem gehört, dass etwas zu einem Faktum gesagt wurde, das ich in meiner
Praxis mit großer Besorgnis feststellen muss: Etwa ein Drittel meiner
Patienten, von denen ich glaube, dass sie unweigerlich krankgeschrieben
gehören, weil sie wirklich krank sind – ich bringe es in meinem KV-Schnitt
gerade auf 50 Prozent der Krankmeldestatistik –, weigern sich, versuchen
vehement, mit mir darüber zu verhandeln, nicht krankgeschrieben zu werden, denn
sie haben Furcht um ihren Arbeitsplatz. Diese Furcht um den Arbeitsplatz
schränkt meine ärztliche Behandlungsfreiheit gewaltig ein, mit dem durchaus
gewaltigen Risiko, dass, wenn sie arbeiten gehen und Komplikationen auftreten,
sich die Frage stellt, wer das zu verantworten hat.
Die Menschen in diesem Land haben Angst, von uns nicht mehr
das Notwendige bekommen zu können. Sie fragen: Kann ich nicht selber noch etwas
tun? Wir haben den Verdacht: Sie dürfen ja nicht mehr alles tun, sagen Sie uns
bitte, wenn darüber hinaus mehr erforderlich sein sollte.
Diese Ängste in der Bevölkerung sind für unseren Beruf
gefährlich, weil wir die Schutzfunktion für die Patienten in den Situationen
übernehmen müssen, in denen sie besonders hilflos sind, nämlich wenn sie krank
sind.
Ich habe in meiner Arbeit folgendes Phänomen erlebt: Ein
Patient, der zur Rezidiv-OP einer Leistenhernie eingewiesen war, bekam sein Routine-EKG.
Dieses war nicht in Ordnung. Der verantwortungsbewusste Kardiologe schaute sich
das EKG vom Vorjahr an und stellte fest: Es ist wirklich nicht in Ordnung. Er
rief mich an und sagte mir: Ich muss den Patienten entlassen, Sie können ihn
draußen ambulant behandeln, er muss wahrscheinlich einen Katheter bekommen,
mindestens aber muss er ein Stressecho bekommen – aber unser Controller hat mir
gesagt: Das können wir bei dieser Einweisungsdiagnose nicht unterbringen.
Dieser Patient steht demnächst wieder zur OP an. Ist das eine
vernünftige Situation für die Patienten?
Nebenfrage: Wie ist es eigentlich mit unserer Kommunikation
untereinander? Wir führen einen neuen EBM ein, der festlegt, dass das Gespräch
zwischen zwei Ärzten – das ist die Ziffer 42 – untergeht. Das fließt irgendwo
in das Budget mit ein. Das ist eine Katastrophe,
(Beifall)
und zwar deswegen, weil wir auf der anderen Seite die
Berichtspflicht einführen. Das ist aber eine gerichtete Geschichte ohne
Kommunikation mit Rückmeldemöglichkeit. Wir führen mit noch höheren Kosten die eCard
ein. Wir reduzieren die Kommunikation zwischen den Ärzten auf ein absolutes
Minimum und ersetzen sie durch eine elektronische Kommunikation.
Mein Vorschlag ist ein kleiner Modellversuch des blauen
Punktes: Bei jedem Patienten, bei dem Sie möchten, dass ein Rückruf des
Kollegen in der Klinik oder in der Praxis erfolgt, machen Sie hinter die
Unterschrift einen solchen Punkt. Ich rufe auf jeden Fall an. Ich würde mich
freuen, wenn ich Kollegen hätte, die mich in meinem Umfeld auffordern, sie
anzurufen, damit sie mir auch das sagen, was sie sich schon lange nicht mehr
trauen, in einen Brief hineinzuschreiben: Der Patient passt nicht mehr in das DRG-Programm,
kümmern wir uns ambulant gemeinsam um ihn.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr Zimmer. Nunmehr Herr Dr. Handrock aus Berlin.
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