TOP VIII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

4. Tag: Freitag, 6. Mai 2005

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Wir kommen damit zum Antrag VIII-64. Dazu liegt der Antrag VIII-64 a vor. Der Antrag 64 lautet:

Der Deutsche Ärztetag fordert den Vorstand der Bundesärztekammer auf, einen Vorschlag/ein Modell zu entwickeln, wie das Sachleistungssystem durch ein Kostenerstattungssystem als Regelfall der Krankenversicherung abgelöst werden kann …

Frau Dr. Keller aus Berlin möchte statt „einen Vorschlag/ein Modell zu entwickeln“ lieber formuliert haben: „Modelle zu prüfen“. Es soll also noch kein fertiges Produkt geliefert werden, sondern es soll zunächst einmal geprüft werden, ob und wie das geht. Das ist eine leichte Abschwächung der Intensität der Arbeit, die sich daraus ergibt.

Herr Fuchs macht gerade mit Recht darauf aufmerksam, dass das bedeutet, dass der 109. Deutsche Ärztetag mit einem weiteren Tagesordnungspunkt bestückt würde. Ich nehme aber an, dass die Antragstellerin auch damit einverstanden ist, wenn unter dem Tagesordnungspunkt „Tätigkeitsbericht“ dargestellt würde, was wir daraus gemacht haben. Es ist ja nicht so, dass nur ein Tagesordnungspunkt gemeint ist, sondern das Thema soll überhaupt auf dem Deutschen Ärztetag in Magdeburg angesprochen werden. Das würden wir notfalls noch hinkriegen.

Wer ist für den Antrag 64 a, möchte also einen Prüfauftrag befürworten?

(Zuruf)

        Es gibt eine Wortmeldung. Bitte, Frau Dr. Keller.

Dr. Keller, Berlin:
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe einen Änderungsantrag zum Antrag 64 der Kollegen aus Nordrhein gestellt, weil ich möchte, dass Sie diesen Antrag nicht gleich ablehnen. Es geht in diesem Antrag überhaupt nicht darum, dass wir am 27. Mai 2006 das Kostenerstattungssystem gleich einführen wollen – das können wir doch gar nicht –, sondern es geht nur darum, dass es uns auch auf diesem Ärztetag zwar wieder gelungen ist, unsere Betroffenheit über die derzeitige Lage im Gesundheitswesen zu äußern, uns andererseits aber der Mut fehlt, uns über die Auswege wenigstens einmal Gedanken zu machen.

Die Befürwortung der Versorgungsforschung ist sicherlich ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung. Aber unsere Probleme sind nicht so klein, dass ein kleiner Schritt genügen würde, uns aus der Misere wieder herauszuholen.

Das Kostenerstattungssystem, die Idee, dass man sich vorstellen könnte, wie es wäre, wenn in diesem Land nicht 90 Prozent der Bevölkerung gesetzlich und nur 10 Prozent privat versichert wären, sondern dass es umgekehrt ist, ist für mich das beste bekannte Modell, das vielleicht aus der Misere herausführen könnte.

Man sollte einmal damit anfangen, ein solches Modell zu analysieren und zu diskutieren. Man braucht es auch nicht mit viel Geld und Zeitaufwand neu zu entwickeln. Es gibt Vorlagen, über die man diskutieren kann, beispielsweise den Gesetzentwurf von Herrn Professor Hankel und Herrn Professor Schachtschneider oder das schweizerische Krankenversicherungsgesetz. Das Ergebnis dieser Diskussion ist offen.

Ich möchte Sie nur darum bitten, dass sich auch die Gegner der Kostenerstattung dieser Diskussion stellen. Wenn ihre Argumente die stärkeren sind, wird das die Diskussion zeigen. Vielleicht entwickeln wir aus einer solchen Diskussion auch ganz andere Ideen, auf die wir heute noch gar nicht kommen.

Was wir von der Politik zu erwarten haben, haben wir am Dienstag bei der Eröffnungsveranstaltung gehört. Wenn wir Auswege aus der Situation finden wollen, müssen wir selber an der Entwicklung solcher Auswege mitwirken.

Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie dem Antrag eine Chance geben könnten.

Danke.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Danke schön, Frau Kollegin Keller. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Bitte, Herr Rütz aus Nordrhein.

Dr. Rütz, Nordrhein:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einiges kurz klarstellen. Ich spreche für den Antrag 64 und gegen den Antrag 64 a, also gegen den Änderungsantrag. Den Antrag 64 befürworte ich mit den Worten von Mark Twain:

Die Utopien von heute sind unsere Möglichkeiten von morgen.

Deswegen möchte ich an Sie appellieren, dass wir die Ärmel aufkrempeln und anpacken.

Ich spreche gegen den Antrag 64 a, weil es überhaupt nicht darum geht, zu
überprüfen, ob es Modelle für die Kostenerstattung gibt, die geeignet sind. Wir wissen, dass es diese Modelle gibt. Wir wissen auch, dass die Kostenerstattung funktioniert.

Es geht vielmehr konkret darum, dass wir überprüfen, unter welchen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik die Kostenerstattung als Regelversicherung eingeführt werden soll. Das ist etwas völlig anderes. Diese Prüfung soll ergebnisoffen erfolgen. Das soll auch kein Tagesordnungspunkt auf dem nächsten Deutschen Ärztetag werden, sondern es reicht völlig aus, wenn der Vorstand in seinem Bericht erwähnt, was die Prüfung dieser Frage ergeben hat.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Danke schön. Jetzt bitte Herr Henke. Er will offensichtlich dagegensprechen.

(Zuruf)

– Wir haben eine Wortmeldung zu 64 a und eine Wortmeldung für den Antrag 64. Jetzt gibt es eine Gegenrede zu dem Antrag 64. Wir hätten sogar noch eine Wortmeldung zum Antrag 64 a frei. Aber ich glaube, sie wird gar nicht mehr in Anspruch genommen. Das ist schon alles in Ordnung.

Jetzt bitte Herr Henke gegen den Antrag 64.

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die parteipolitischen Konstellationen sind ja klar. Seit dem Beschluss der CDU auf dem Leipziger Parteitag gibt es die Forderung, geeignete Elemente in die Kostenerstattung überzuführen. Bei der SPD gibt es eine klare Gegenpositionierung.

Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich auf ein paar Haken und Ösen der Kostenerstattung aufmerksam machen möchte, die man bei der weiteren Diskussion nicht vergessen darf. Wir wollen ein Solidarsystem haben. Das heißt, wir wollen in jedem Versicherungssystem, das wir anstreben, dass es eine Umschichtung von Mitteln gibt. Es müssen also Menschen dazu gebracht werden, Mittel, die ihr eigenes Versicherungsrisiko übersteigen, in einem Pflichtsystem abzugeben.

Das kann nur gelingen und kann auch nur vertreten werden, wenn es in diesem System eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gibt, wie auch immer sie angelegt ist. Sie können als Staat den Menschen nicht zwangsweise etwas abnehmen –
über ein Beitragssystem, über eine Pflichtversicherung oder über das Steuersystem –, ohne dass Sie diesen Menschen die Gewähr bieten, dass Sie geprüft haben, dass dieses Geld auch für den verfolgten Zweck eingesetzt wird.

Wenn Sie den Übergang in ein Kostenerstattungsmodell organisieren, bedeutet das, dass Sie gleichwohl inhaltlich definieren müssen, zu welchem Zweck diese Mittel eingesetzt werden dürfen. Wenn Sie diese Prüfung beseitigen, dann beseitigen Sie damit die Rechtfertigung für das gesamte Solidarprinzip in der Versicherungssystematik. Weil ich nicht will, dass ein solches Signal von diesem Ärztetag ausgeht, empfehle ich Ihnen, ähnlich wie das eben bei der Schildbürgerversicherung geschehen ist, die ich für gänzlich untauglich halte, auch diesen Antrag an den Vorstand zu überweisen.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Vielen Dank. Wir haben jetzt alle Argumente gehört und können uns in die Abstimmung begeben. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag 64 a. Wenn wir über den Antrag 64 a abgestimmt haben, werden wir darüber abstimmen, ob wir den Antrag 64 an den Vorstand überweisen oder nicht.

(Zuruf)

– Gut, das können wir auch machen. Wir können sagen: Die Anträge 64 und 64 a sollen an den Vorstand überwiesen werden. Gibt es dazu eine Gegenrede? – Das ist nicht der Fall. Wer möchte den Antrag VIII-64 und den Antrag VIII-64 a an den Vorstand überweisen? – Wer möchte das nicht? – Das Erste war die Mehrheit. Enthaltungen? – Keine Enthaltungen. Damit sind die Anträge 64 und 64 a an den Vorstand überwiesen.

 

 

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