Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Damit kommen wir
zum Gemeinsamen Bundesausschuss. Dazu liegen die Anträge 60, 63 und 77 vor. Die
Anträge 63 und 77 sind inhaltlich gleich. Wir kommen zunächst zum Antrag 60.
Möchte Herr Adam seinen Antrag 60 vorstellen? – Bitte schön.
Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. mult. Adam,
Bayern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um die Arbeit des
Gemeinsamen Bundesausschusses. Da gibt es ein Problem, und zwar dahin gehend,
dass neue Verfahren, Methoden und Diagnostika, die in Kliniken erprobt werden,
als erstattungsfähig deklariert werden können, während Methoden und Verfahren,
die im ambulanten Bereich angesiedelt sind, validiert sein müssen. Da stimmt
etwas nicht.
Der Gemeinsame Bundesausschuss muss eine Möglichkeit bekommen,
auch im Klinikbereich Dinge zu tun, die validiert sind, um Entscheidungen
treffen zu können.
Das ist das Anliegen, das ich auch mit Herrn Hess im Detail
besprochen habe. Ich hatte vorhin eine Diskussion mit Herrn Jonitz. Wir sind
der Meinung, dass die Anträge 60, 63 und 77 identisch sind. Da gab es auch
wieder ein solches schwarzes Loch. Die Anträge sind offensichtlich zweimal
ausgedruckt worden. Herr Jonitz und ich haben uns darauf geeinigt, dass diese
Anträge an den Vorstand überwiesen werden sollten, aber nicht mit der Bitte um
eine Stoffsammlung, sondern um mit Herrn Hess ins Gespräch zu kommen, damit wir
die Kuh vom Eis bringen, was die jeweiligen Aktivitäten ambulant oder stationär
betrifft.
Ich beantrage selbst die Vorstandsüberweisung zur Diskussion
mit Herrn Hess.
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank.
Auch bei Stoffsammlungen kann das passieren. Ich meine, das ist eine mentale
Aufforderung oder eine politische Aufforderung, sich mit diesem Thema intensiv
zu beschäftigen. Daraus können sich natürlich solche Gespräche ergeben.
Herr Adam hat zu den Anträgen 60, 63 und 77 gesprochen und die
Vorstandsüberweisung beantragt. Möchte jemand gegen einen dieser Anträge
sprechen? – Herr Josten möchte gegen die Anträge 63 und 77 sprechen.
Dr. Josten, Nordrhein: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich habe natürlich durchaus Verständnis für das Anliegen von
Herrn Munte, das ja auch von Herrn Professor Adam artikuliert wurde. Es geht
hier nicht um Fragen der Waffengleichheit, sondern es geht letztlich um den
medizinischen Fortschritt. Er ist weder mit EBM noch mit DRGs möglich. Cochran,
der Ahnvater der evidenzbasierten Medizin, hat seine Ideen in einem deutschen
Kriegsgefangenenlager als britischer Stabsarzt im Ersten Weltkrieg entwickelt.
Das war eine an der Askese orientierte Medizin.
Herr Rütz hat in einem anderen Zusammenhang Mark Twain
zitiert: Utopien von heute sind die Möglichkeiten von morgen. Insofern bitte
ich Sie, diesen Antrag abzulehnen.
(Vereinzelt Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank. Herr Hammer möchte etwas zur Überweisung und nicht zum Inhalt des Antrags
sagen. Bitte schön.
Dr. Hammer, Nordrhein: Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Munte hat mich gebeten, wegen
der Brisanz ausdrücklich für diesen Antrag zu sprechen, bevor Sie entscheiden,
ob der Antrag an den Vorstand überwiesen werden soll. Es geht um ein
Ungleichgewicht zwischen ambulanter und stationärer Medizin. In Zeiten der
Medizinischen Versorgungszentren – Stichwort: Bremer Beschlüsse – muss es
endlich ein Gleichgewicht geben. Wir können in der ambulanten Medizin keine
neuen Untersuchungs- und Diagnosemethoden mehr einführen, weil in der
ambulanten Medizin nur bezahlt wird, was erlaubt ist und im EBM steht.
Stationär sind alle Innovationen möglich.
Deshalb meine Bitte an Sie, dass Sie zumindest
berücksichtigen, dass es auf Dauer gesehen gleich lange Spieße geben muss. Das
hat der Gemeinsame Bundesausschuss so beschlossen. Ich bitte Sie, das zu
unterstützen.
Danke.
(Vereinzelt Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön.
Jetzt spricht Herr Jonitz.
Dr. Jonitz, Vorstand der Bundesärztekammer: Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte appellieren, alle drei Anträge an den
Vorstand zu überweisen. Das Thema Forschung durch den Gemeinsamen
Bundesausschuss wird immer wieder einmal angesprochen. Es ist nicht uninteressant,
darüber zu diskutieren. Geplant war, dass diese Forschung in Auftrag gegeben
wird, aber nicht zulasten der GKV. Das steht dort aber nicht.
Wenn Sie diesen Antrag befürworten, kostet es möglicherweise
GKV-Geld. Das ist Ihr Geld, unser Geld. Deshalb kann dieser Antrag nicht
befürwortet werden.
Ein Wort zu den Anträgen 63 und 67. Ich habe vor knapp 20
Minuten mit Herrn Munte telefoniert. Er bat darum, nach Aufklärung diese
Anträge an den Vorstand zu überweisen. Aus der Sicht von Herrn Munte geht es um
den derzeit immer noch möglichen Missbrauch von Machtpositionen der einzelnen
im Krankenhaus Verantwortlichen. Im Krankenhaus herrscht nach wie vor in
einigen Bereichen das Gesetz der freien Wildbahn. Das wird vielleicht
strafrechtlich geahndet, beruht aber nicht auf medizinischer Erkenntnis.
Der Text ist irreführend. Der sektorenübergreifenden
Verfahrensordnung, der Sie jetzt zustimmen sollen, hat das
Bundesgesundheitsministerium bereits widersprochen. Das heißt, die inhaltliche
Aussage des Ärztetages würde komplett verpuffen. Wenn Sie das an den Vorstand
überweisen, haben wir den Auftrag, zu genau diesem Thema gleich lange Spieße zu
schaffen und eine profunde Stellungnahme der Bundesärztekammer zu erarbeiten.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank. Gibt es noch das Bedürfnis, zu diesem Thema zu sprechen? – Bitte schön.
Prof. Dr. Mau, Berlin: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich diesem Antrag
zustimmen würde und in meine Klinik zurückkehrte, müsste ich mich mit Recht
fragen lassen, ob ich geschlafen habe. Hier wird mit einem wichtigen Thema
einfach zu plakativ, zu grob umgegangen. Es geht hier nicht darum, dass gleich
lange Spieße verteilt werden, sondern der Ärztetag könnte genauso gut
beschließen, in Deutschland werden nur noch Kinder geboren, die sprechen können
oder die bekleidet sind.
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Oder die
schon zwei Jahre alt sind!
(Heiterkeit)
Prof. Dr. Mau, Berlin: Wir können uns doch nicht
wieder wie mit den Stammzellen hinstellen und sagen: Lasst andere die böse
Arbeit machen, aber wir forschen damit. Wollen wir in Zukunft evidenzbasierte
Verfahren im Ausland einkaufen?
Ich bitte Sie, diesen Antrag abzulehnen. Hilfsweise beantrage
ich, den Antrag an den Vorstand zu überweisen. Sie sollten aber nicht
zustimmen. Wir würden wirklich ein Eigentor schießen, an dem wir noch nach
Jahren knabbern würden.
Vielen Dank.
(Vereinzelt Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Sind Sie einverstanden, wenn
ich die Anträge VIII-60, VIII-63 und VIII-77 gemeinsam aufrufe,
was den Überweisungsantrag angeht? Falls die Überweisung abgelehnt wird,
stimmen wir über die Anträge einzeln ab.
Wer möchte diese drei Anträge an den Vorstand überweisen? –
Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Diese drei Anträge sind an den
Vorstand überwiesen.
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Es ist noch ein
Antrag eingegangen, der die Arzneimittelversorgung betrifft. Das ist der Antrag
VIII-95. Der Antragstext lautet:
Der 108. Deutsche Ärztetag appelliert an den Gesetzgeber,
den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente aus der Erstattung
der GKV zurückzunehmen (OTC-Regelung).
Die Tatsache, dass wirksame Medikamente mit geringen Nebenwirkungen
aus der Erstattung der GKV für über 12-jährige Versicherte ausgeschlossen
wurden, führt zu Rechtsunsicherheit für die Ärztinnen und Ärzte und zu einer
Verschlechterung der medizinischen Versorgung z. B. im Bereich von Allergien,
Hauterkrankungen und chronischen Lungenerkrankungen. Vorgesehene Einsparungen
konnten durch diese Bestimmung nicht bewirkt werden.
Das können wir auch unter dem Stichwort Arzneimittelversorgung
aufrufen. Vielleicht ist der Antrag bis dahin umgedruckt. Sind Sie damit einverstanden?
(Beifall)
– Dann behandeln wir diesen Antrag bei dem Thema Arzneimittel.
Vielleicht liegt der Antrag bis dahin umgedruckt vor; anderenfalls verlese ich
ihn noch einmal.
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