TOP VIII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

4. Tag: Freitag, 6. Mai 2005

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Damit kommen wir zum Gemeinsamen Bundesausschuss. Dazu liegen die Anträge 60, 63 und 77 vor. Die Anträge 63 und 77 sind inhaltlich gleich. Wir kommen zunächst zum Antrag 60. Möchte Herr Adam seinen Antrag 60 vorstellen? – Bitte schön.

Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. mult. Adam, Bayern:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um die Arbeit des Gemeinsamen Bundesausschusses. Da gibt es ein Problem, und zwar dahin gehend, dass neue Verfahren, Methoden und Diagnostika, die in Kliniken erprobt werden, als erstattungsfähig deklariert werden können, während Methoden und Verfahren, die im ambulanten Bereich angesiedelt sind, validiert sein müssen. Da stimmt etwas nicht.

Der Gemeinsame Bundesausschuss muss eine Möglichkeit bekommen, auch im Klinikbereich Dinge zu tun, die validiert sind, um Entscheidungen treffen zu können.

Das ist das Anliegen, das ich auch mit Herrn Hess im Detail besprochen habe. Ich hatte vorhin eine Diskussion mit Herrn Jonitz. Wir sind der Meinung, dass die Anträge 60, 63 und 77 identisch sind. Da gab es auch wieder ein solches schwarzes Loch. Die Anträge sind offensichtlich zweimal ausgedruckt worden. Herr Jonitz und ich haben uns darauf geeinigt, dass diese Anträge an den Vorstand überwiesen werden sollten, aber nicht mit der Bitte um eine Stoffsammlung, sondern um mit Herrn Hess ins Gespräch zu kommen, damit wir die Kuh vom Eis bringen, was die jeweiligen Aktivitäten ambulant oder stationär betrifft.

Ich beantrage selbst die Vorstandsüberweisung zur Diskussion mit Herrn Hess.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Vielen Dank. Auch bei Stoffsammlungen kann das passieren. Ich meine, das ist eine mentale Aufforderung oder eine politische Aufforderung, sich mit diesem Thema intensiv zu beschäftigen. Daraus können sich natürlich solche Gespräche ergeben.

Herr Adam hat zu den Anträgen 60, 63 und 77 gesprochen und die Vorstandsüberweisung beantragt. Möchte jemand gegen einen dieser Anträge sprechen? – Herr Josten möchte gegen die Anträge 63 und 77 sprechen.

Dr. Josten, Nordrhein:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe natürlich durchaus Verständnis für das Anliegen von Herrn Munte, das ja auch von Herrn Professor Adam artikuliert wurde. Es geht hier nicht um Fragen der Waffengleichheit, sondern es geht letztlich um den medizinischen Fortschritt. Er ist weder mit EBM noch mit DRGs möglich. Cochran, der Ahnvater der evidenzbasierten Medizin, hat seine Ideen in einem deutschen Kriegsgefangenenlager als britischer Stabsarzt im Ersten Weltkrieg entwickelt. Das war eine an der Askese orientierte Medizin.

Herr Rütz hat in einem anderen Zusammenhang Mark Twain zitiert: Utopien von heute sind die Möglichkeiten von morgen. Insofern bitte ich Sie, diesen Antrag abzulehnen.

(Vereinzelt Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank. Herr Hammer möchte etwas zur Überweisung und nicht zum Inhalt des Antrags sagen. Bitte schön.

Dr. Hammer, Nordrhein:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Munte hat mich gebeten, wegen der Brisanz ausdrücklich für diesen Antrag zu sprechen, bevor Sie entscheiden, ob der Antrag an den Vorstand überwiesen werden soll. Es geht um ein Ungleichgewicht zwischen ambulanter und stationärer Medizin. In Zeiten der Medizinischen Versorgungs­zentren – Stichwort: Bremer Beschlüsse – muss es endlich ein Gleichgewicht geben. Wir können in der ambulanten Medizin keine neuen Untersuchungs- und Diagnosemethoden mehr einführen, weil in der ambulanten Medizin nur bezahlt wird, was erlaubt ist und im EBM steht. Stationär sind alle Innovationen möglich.

Deshalb meine Bitte an Sie, dass Sie zumindest berücksichtigen, dass es auf Dauer gesehen gleich lange Spieße geben muss. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss so beschlossen. Ich bitte Sie, das zu unterstützen.

Danke.

(Vereinzelt Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Danke schön. Jetzt spricht Herr Jonitz.

Dr. Jonitz, Vorstand der Bundesärztekammer:
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte appellieren, alle drei Anträge an den Vorstand zu überweisen. Das Thema Forschung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wird immer wieder einmal angesprochen. Es ist nicht uninteressant, darüber zu diskutieren. Geplant war, dass diese Forschung in Auftrag gegeben wird, aber nicht zulasten der GKV. Das steht dort aber nicht.

Wenn Sie diesen Antrag befürworten, kostet es möglicherweise GKV-Geld. Das ist Ihr Geld, unser Geld. Deshalb kann dieser Antrag nicht befürwortet werden.

Ein Wort zu den Anträgen 63 und 67. Ich habe vor knapp 20 Minuten mit Herrn Munte telefoniert. Er bat darum, nach Aufklärung diese Anträge an den Vorstand zu überweisen. Aus der Sicht von Herrn Munte geht es um den derzeit immer noch möglichen Missbrauch von Machtpositionen der einzelnen im Krankenhaus Verantwortlichen. Im Krankenhaus herrscht nach wie vor in einigen Bereichen das Gesetz der freien Wildbahn. Das wird vielleicht strafrechtlich geahndet, beruht aber nicht auf medizinischer Erkenntnis.

Der Text ist irreführend. Der sektorenübergreifenden Verfahrensordnung, der Sie jetzt zustimmen sollen, hat das Bundesgesundheitsministerium bereits widersprochen. Das heißt, die inhaltliche Aussage des Ärztetages würde komplett verpuffen. Wenn Sie das an den Vorstand überweisen, haben wir den Auftrag, zu genau diesem Thema gleich lange Spieße zu schaffen und eine profunde Stellungnahme der Bundesärztekammer zu erarbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank. Gibt es noch das Bedürfnis, zu diesem Thema zu sprechen? – Bitte schön.

Prof. Dr. Mau, Berlin:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich diesem Antrag zustimmen würde und in meine Klinik zurückkehrte, müsste ich mich mit Recht fragen lassen, ob ich geschlafen habe. Hier wird mit einem wichtigen Thema einfach zu plakativ, zu grob umgegangen. Es geht hier nicht darum, dass gleich lange Spieße verteilt werden, sondern der Ärztetag könnte genauso gut beschließen, in Deutschland werden nur noch Kinder geboren, die sprechen können oder die bekleidet sind.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Oder die schon zwei Jahre alt sind!

(Heiterkeit)

Prof. Dr. Mau, Berlin:
Wir können uns doch nicht wieder wie mit den Stammzellen hinstellen und sagen: Lasst andere die böse Arbeit machen, aber wir forschen damit. Wollen wir in Zukunft evidenzbasierte Verfahren im Ausland einkaufen?

Ich bitte Sie, diesen Antrag abzulehnen. Hilfsweise beantrage ich, den Antrag an den Vorstand zu überweisen. Sie sollten aber nicht zustimmen. Wir würden wirklich ein Eigentor schießen, an dem wir noch nach Jahren knabbern würden.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Schönen Dank.

Dann kommen wir zur Abstimmung. Sind Sie einverstanden, wenn ich die Anträge VIII-60, VIII-63 und VIII-77 gemeinsam aufrufe, was den Überweisungsantrag angeht? Falls die Überweisung abgelehnt wird, stimmen wir über die Anträge einzeln ab.

Wer möchte diese drei Anträge an den Vorstand überweisen? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Diese drei Anträge sind an den Vorstand überwiesen.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe:
Es ist noch ein Antrag eingegangen, der die Arzneimittelversorgung betrifft. Das ist der Antrag VIII-95. Der Antragstext lautet:

Der 108. Deutsche Ärztetag appelliert an den Gesetzgeber, den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente aus der Erstattung der GKV zurückzunehmen (OTC-Regelung).

Die Tatsache, dass wirksame Medikamente mit geringen Nebenwirkungen aus der Erstattung der GKV für über 12-jährige Versicherte ausgeschlossen wurden, führt zu Rechtsunsicherheit für die Ärztinnen und Ärzte und zu einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung z. B. im Bereich von Allergien, Hauterkrankungen und chronischen Lungenerkrankungen. Vorgesehene Einsparungen konnten durch diese Bestimmung nicht bewirkt werden.

Das können wir auch unter dem Stichwort Arzneimittelversorgung aufrufen. Vielleicht ist der Antrag bis dahin umgedruckt. Sind Sie damit einverstanden?

(Beifall)

– Dann behandeln wir diesen Antrag bei dem Thema Arzneimittel. Vielleicht liegt der Antrag bis dahin umgedruckt vor; anderenfalls verlese ich ihn noch einmal.

 

 

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