BESCHLUSSANTRAG I
– 03
Auf Antrag von Prof. Dr. Eckel (Drucksache I-03)
beschließt der 108. Deutsche Ärztetag:
Der 108. Deutsche
Ärztetag stellt fest, dass wesentliche Bestandteile des Spektrums ärztlicher
Berufsausübung, nämlich die Kernkompetenzen Psychosomatik in den einzelnen Fachgebieten
und die ärztliche Psychotherapie als besondere Ausprägung der sprechenden
Medizin verloren zu gehen drohen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Die Medizin basiert von ihrem
Selbstverständnis und ihrer Tradition her auf einer ganzheitlichen Sicht des
Menschen. Durch die enormen Erfolge der naturwissenschaftlichen Forschung hat
in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in der öffentlichen
Wahrnehmung und im Selbstverständnis vieler Ärztinnen und Ärzte eine Verschiebung
stattgefunden zur stark überwiegenden Befassung mit den somatischen Aspekten
und Nutzung der vielen technischen Errungenschaften, z. B. in der
Pharmakologie, Chirurgie, Gentechnologie, Anästhesie, Transplantationsmedizin
und bei bildgebenden Verfahren. Die Patientinnen und Patienten erwarten in der
ärztlichen Behandlung jedoch die gleichwertige Berücksichtigung ihrer
psychischen und sozialen Bedürfnisse und suchen diese sonst bei nichtärztlichen
Berufsgruppen.
Mit Inkrafttreten der neuen
Approbationsordnung und Verabschiedung der neuen
(Muster-)Weiterbildungsordnung 2003 wurden die Möglichkeiten, psychosoziale
Aspekte in die prägenden medizinischen Aus- und Weiterbildung zu integrieren,
erweitert. Jetzt werden z. B. auch Kompetenzen in der ärztlichen
Gesprächsführung, der Motivierung für gesundheitsförderndes Verhalten und in
der Begleitung von Menschen im Sterbeprozess gelehrt und erlernt. Der
108. Deutsche Ärztetag hält es für unbedingt erforderlich, damit
fortzufahren, verstärkt die Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit
psychogenen Symptomen, somatopsychischen Reaktionen und psychosozialen
Zusammenhängen in allen patientenbezogenen Weiterbildungsfächern
dementsprechend zu vermitteln und auch für Ärztinnen und Ärzte im Berufsalltag
in Klinik und Praxis die psychosomatischen Kompetenzen in alle Fortbildungen zu
integrieren. Damit wurde eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, dass
zukünftig junge Ärzte und Ärztinnen ihre Patientinnen und Patienten wieder
ganzheitlicher behandeln. Weitere Maßnahmen sind jedoch zeitnah erforderlich.
Zielsetzung von Maßnahmen zur
wieder selbstverständlichen ganzheitlichen Behandlungsweise und Behandlung der
Patientinnen und Patienten mit Hilfe strukturiert erworbener psychosomatischer
und sozialer Kompetenzen sollte sein, dass die ärztliche Zuständigkeit für die
ureigensten Aufgaben der Medizin erhalten bleibt und nicht weiterhin Kernkompetenzen
an andere Berufsgruppe delegiert werden. Gleichzeitig könnte damit auch dem
Risiko entgegengetreten werden, nur noch als Medizintechnikerinnen und
-techniker zu gelten und noch mehr junge Ärztinnen und Ärzte aus der
patientenbezogenen Tätigkeit in andere Berufsfelder oder ins Ausland zu
verlieren, weil Bürokratie, Technik und Codierung den Berufsalltag bestimmen
und nicht mehr die ursprüngliche Studienmotivation des Helfen-Wollens und der
Zuwendung zum kranken Menschen.
Wegen der Vielfältigkeit aufzugreifender
Maßnahmen bittet der 108. Deutsche Ärztetag die Bundesärztekammer,
für den 109. Deutschen Ärztetag 2006 einen eigenen Tagessordnungspunkt
vorzubereiten, mit dem Ziel, die "Stärkung und Förderung der
psychosomatisch-psychotherapeutischen Kompetenz im ärztlichen Handeln"
und die "Aktive Bekämpfung von Stigmatisierung und Diskriminierung
von psychisch und psychosomatisch Kranken" zu thematisieren.
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