Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Erwin Kuntz: Sehr
geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sehr
geehrter Herr Präsident Hoppe! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser höchsten Ehrung, die die deutsche
Ärzteschaft zu vergeben hat, haben Sie uns eine so große Freude bereitet, dass
wir diese in Worten nicht auszudrücken vermögen. Diese Freude geht ein in den
tief empfundenen Dank an unseren Präsidenten, an die zuständigen Gremien und an
unsere Ärzteschaft, die uns für diese hohe Ehrung ausgewählt haben. Seit der
Antike streben Ärzte immer danach, am Ende ihres Berufsweges die Gewissheit zu
haben, stets - und nur - das Primat des kranken Menschen beachtet zu haben.
(Beifall)
Dies ist doch die wahre Krönung des ärztlichen Berufs! Wenn
dann noch einigen Wenigen - wie uns heute - diese hohe Ehrung zusätzlich
zugesprochen wird, dann erfüllt uns dies natürlich mit besonderer Freude und
Dankbarkeit.
Sie erfüllt uns aber auch mit Bescheidenheit; denn jeder von
uns drei Geehrten weiß, dass wir ohne die Mithilfe von Kolleginnen und
Kollegen, von Berufsverbänden, Standesorganisationen, Kliniken, Akademien oder
Forschungseinrichtungen niemals unsere Aufgaben hätten erfüllen können. Sie
alle schließen wir daher in unseren ganz herzlichen Dank mit ein.
(Beifall)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dieses unabdingbare
Primat des Patienten wird nun seit Jahrzehnten zunehmend und systematisch
ökonomisiert. Auf dem Sockel, auf dem eigentlich der Patient stehen sollte,
thront behäbig Sankt Bürokratius. Zu seinen Füßen räkeln sich seine
Reglementierungsgesellen. Deren Liste reicht vom KDG-Gesetz (1977) bis zum EBM
und zum AVWG (2006). Teilweise sind sie bereits längst gescheitert, aber leider
immer wieder durch andere ersetzt. Gerade dieses EBM wurde mehrfach in Publikationen
entideologisiert, da keinerlei Bedarf an der Pseudoqualität des so genannten
Evidenzbegriffes besteht.
Alle diese Bürokratiemonster schnüren dem Arzt die Luft ab,
beschädigen das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinen Patienten, zwingen
sein Handeln unter ständige Regressangst und verlangen sogar von ihm, dass er
mit seiner Zeit, die somit den Patienten fehlt, und mit seinen Praxiskosten
solche Formularflut auch noch mitfinanzieren soll.
(Beifall)
Nunmehr stellen wir auch hier in aller Deutlichkeit fest: Die
Schmerzgrenze der Ärzte ist endgültig überschritten!
(Beifall)
Wir können aber auch mit größter Genugtuung erkennen: Noch nie
war die Solidarität der Ärzteschaft so ausgeprägt wie heute!
(Beifall)
Daher sollten wir die Zehntausende von Ärztinnen und Ärzte in
jeder Hinsicht unterstützen, die wegen miserabler Arbeitsbedingungen, unerträglich
wuchernder Bürokratie, absurder - in der Welt einmaliger - Malushaftung, wegen
beengter Forschungsperspektiven sowie wegen inakzeptabler Vergütung zu Protestaktionen
auf die Straße gezwungen werden.
(Beifall)
In den letzten Jahren sind Tausende deutscher Fachärzte oder
Wissenschaftler in andere Länder ausgewandert. Wie lange will sich unser Land
einen derartigen Aderlass infolge ideologisch-bürokratischer Zerstörung des
Arztberufs noch leisten?
(Beifall)
In bemerkenswerter Offenheit stellte ein früherer
Gesundheitsminister fest: Wenn die Ärzte einig wären, dann wären sie schier
unbesiegbar. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt doch nun an uns allen,
diesen Nachweis der Einigkeit und somit auch der Stärke zu erbringen!
(Beifall)
Sie als Delegierte von etwa 400 000 Ärztinnen und Ärzten
und alle unsere Fachverbände sollten diese heutige Solidarität nutzen, um mit
aller Entschlossenheit einzutreten gegen diese alles überwuchernde Bürokratie,
jedoch für den Patienten und für die Freiheit unseres Berufs!
(Beifall)
Wir Ärzte sind es wirklich endgültig satt, unser Ethos und
unsere hohe Leistungsbereitschaft, die sich in Millionen unbezahlter
Überstunden ablesen lässt, als Systemressource für die Krankenkassen in
unerträglicher Weise missbrauchen zu lassen!
(Beifall)
Diese unsere Solidarität und Protestaktionen sollten wir aber
auch unter dem Blickpunkt sehen, nicht nur jetzt für uns, sondern auch für die
nachrückenden jungen Kollegen eine Zukunftsorientierung als Arzt zu
gewährleisten. Geben wir unseren Medizinstudenten die Zuversicht, ihren Wunsch
zu erfüllen, nämlich Arzt sein zu dürfen, aber auf keinen Fall Medizinmanager
und schon gar nicht Facharzt für Bürokratie!
(Beifall)
So möchten auch wir - als heute hier Geehrte - uns fest
eingebunden wissen in diese Solidarität unserer Ärzteschaft!
Ich danke Ihnen.
(Anhaltender lebhafter Beifall)
(Musikalische Umrahmung:
Georg Friedrich Händel - Ouvertüre zur "Feuerwerksmusik")
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