Dr. Gitter, Bremen: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mitteilen, dass auch die
kommunalen Häuser mit den Hufen scharren. Sie sind genauso zum Streik bereit.
Auch dort bewegen sich die Zeiger der Uhr langsam auf zwölf Uhr zu. Wenn weiter
so arrogant mit unseren gewerkschaftlichen Rechten, dass Ärztinnen und Ärzte
sich selber gewerkschaftlich vertreten, umgegangen wird, wird man wohl auch
hier einen Streik erleben.
Ich möchte Ihnen auch Folgendes mitteilen; es liegt zwar noch
nicht schriftlich vor, aber es wurde mir versichert, dass es zitierfähig ist.
Sie wissen, dass an der Charité ein Vorschalttarifvertrag abgeschlossen wurde,
der die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung an der Charité ein bisschen an das
heranrücken soll, von dem aus wir zu verhandeln beginnen. Es ist wohl gestern
Abend den Chefärzten mitgeteilt worden, dass die Kosten, die dafür zur
Verfügung stehen müssen, beim Personal wieder eingespart werden sollen.
Sollte das umgesetzt werden, wäre dies die Verlogenheit per
se. Ich kann nur an die Verantwortlichen appellieren, das schleunigst sein zu
lassen. Ansonsten verspreche ich Ihnen, dass es an der Charité so weitergeht,
wie es vor kurzem aufgehört hat.
Wir sind an einem Scheideweg zwischen Staatsmedizin und
mündigem Patienten, nach dem gerade die Politik immer schreit, angelangt. Frau
Schmidt hat heute Vormittag gesagt, in der Privatisierung sei kein
Allheilmittel zu sehen.
Aber bei der Privatisierung von Krankenhäusern soll es so sein? Da muss man
schon zusehen, welche Mittellinie man hier fahren soll.
Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, Mitglied der
Arbeitsgruppe "Entbürokratisierung" zu sein. Ich möchte von der dortigen Arbeit
Folgendes berichten. Frau Caspers-Merk führt ja jedes Mal nach einer solchen
Sitzung, ob nun Ergebnisse erzielt wurden oder nicht, eine Pressekonferenz
durch. Jedes Mal, wenn die niedergelassenen Ärzte und die Krankenhausärzte
verlangen, auch einmal über die Grundlagen der Politik zu reden, erklärt sie:
Das ist politisch nicht durchsetzbar. Im SGB V gibt es fast keinen Paragrafen
mehr, der nicht der Misstrauensbürokratie das Wort redet. Alles und jedes wird
kontrolliert. Es ist in Deutschland nicht mehr Realität, dass man hinnimmt,
dass ein zugelassener Vertragsarzt mit einer fachärztlichen Qualifikation und
Weiterbildung oder ein Krankenhausfacharzt eine Versorgung zulasten der
Krankenkassen macht - nein, alles muss überprüft werden. Da konstruieren wir
bereits eine dreifache Schiene. Eigentlich müssten wir noch einen Medizinischen
Dienst mit vergleichbarer Qualifikation installieren, um die entsprechenden
Kontrollen durchzuführen. Dort wird Geld ausgegeben, das fehlt, um den Ärzten
ein anständiges Einkommen zu ermöglichen. Das muss endlich aufhören.
(Beifall)
Ärztinnen und Ärzte sind lange genug als Leistungsanbieter
degradiert worden. Das sind wir nicht, sondern wir sind Ärztinnen und Ärzte,
die Patienten behandeln. Ich nehme mir für uns das Recht heraus, dass zunächst
einmal das, was wir vor Ort tun, vernünftig und effizient ist und dem
entspricht, was die Patienten benötigen.
Wenn die Politik dort gern etwas reglementieren möchte, muss
sie diese Aufgabe endlich wahrnehmen. Das heißt, dass parlamentarisch
entschieden werden muss, wie der gesetzliche Leistungskatalog aussehen soll.
Wenn eine Grenze eingezogen werden soll, weil der Ressourcenverbrauch begrenzt
werden soll, muss das vonseiten des Parlaments geschehen, nicht vonseiten irgendwelcher
obskuren Gremien und Sachverständigen mit und ohne Fliege.
Das müssen auch nicht die Krankenkassen tun, sondern das muss
vonseiten des Parlaments geschehen, und zwar unter Einbeziehung des
Sachverstands der Ärzteschaft. Herr Professor Hoppe hat heute Vormittag der
Ministerin die Zurverfügungstellung dieses Sachverstands noch einmal angeboten.
Sie kann mit uns reden und von uns Ideen erhalten. Aber die Entscheidung
darüber, wie bei der Ressourcenverteilung limitiert werden soll, muss
demokratisch legitimiert im Parlament erfolgen.
Man muss sich überlegen, ob man es nicht in die Hand des
Einzelnen legen muss, eine zusätzliche Absicherung haben zu wollen. Er kann
dann überlegen, inwieweit er denjenigen, die entsprechende Leistungen anbieten,
vertrauen will oder nicht. Dann kann man mit einem Schlag auf die ganze
Misstrauensbürokratie verzichten. Dann ist das Geld wieder dort, wohin es
gehört, nämlich in der Patientenversorgung.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Frau Gitter. - Als nächster Redner bitte Herr Lipp aus Sachsen.
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