Bodendieck, Sachsen: Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will das hohe Haus nicht noch einmal mit
Lobeshymnen nerven. Uns allen ist klar, dass wir davon ausgehen können - das
habe ich bereits im letzten Jahr gesagt -, dass uns die hohe Politik - Herr
Kollege Lipp hat es uns erklärt - nicht verstehen wird. Da Ideologen nur
einfache Mittel verstehen, müssen wir auf die Straße gehen, wenn es Not tut, am
Ende auch mit der Mistforke. Die Bauernkriege und andere Ereignisse haben immer
wieder gezeigt: Die Politik lässt sich leider Gottes nur mit der Mistforke und
ähnlichen Instrumenten beeinflussen.
Ich bin selber Hausarzt. Nicht nur, dass uns die Bevölkerung
versteht, sondern sie erwartet von uns Ärzten, wie es bereits seit
Jahrhunderten ist, dass wir etwas erreichen. Auch die Bevölkerung ist müde, mit
Reglementierungen genervt zu werden, vor allen Dingen im Osten unseres Landes. Sie
ist es leid, immer weniger an den Erfolgen zu partizipieren, die unsere
Wirtschaft für sich reklamiert, die auch die Politik für sich reklamiert.
Wir haben vom Bundesfinanzminister die Aussage gehört, nun sei
endlich Schluss mit den Steuererhöhungen. Ich wage das zu bezweifeln. Im
nächsten Jahr wird sich die Politik wieder etwas Neues einfallen lassen. Sie
wird denjenigen, die ohnehin nur Hartz IV haben, das Geld aus der Tasche
ziehen. Schauen Sie sich nur die steigenden Teuerungsraten an.
Ich glaube, wir Ärzte sollten hier Vorbild sein. Wir sollten
die Führung übernehmen in Richtung Wiederherstellung des sozialen Friedens in
diesem Lande.
Ich denke, die Zeit dafür ist reif. Wir müssen es schaffen,
diejenigen auf die Straße zu bringen, die noch nicht krank sind. Diejenigen,
die jetzt krank sind und eigentlich unsere Unterstützung brauchen, schaffen es
in den seltensten Fällen, mit uns auf die Straße zu gehen, eben weil sie krank
sind.
Leider ist der Mensch geneigt, das, was ihn nicht unmittelbar
betrifft, auch nicht weiter zu bedenken. Wir müssen begreiflich machen, dass
diejenige Generation, die jetzt gesund ist und wenig Beiträge zahlt, zukünftig
betroffen sein wird und keine Leistungen mehr erhalten wird.
Bezüglich meiner Erfahrungen mit der Politik muss ich an das
Peter-Prinzip erinnern: Jeder erreicht irgendwann die höchste Stufe seiner
Unfähigkeit. Die Aussagen von Frau Schmidt zeugen - ebenso wie Aussagen der ihr
Nachgeordneten zuvor - von großer Unsicherheit. Aggressive Angriffe gegen die
Ärzteschaft sind Ausdruck der Angst und stellen einen Rückzug in die Ideologie
dar. Unwissenheit und Ideologie beherrschen im Augenblick das Denken. Das hat
uns Herr Struck eindrucksvoll vorgeführt.
Ich verstehe, dass es große Probleme gibt, das System zu
ändern. Wir dürfen uns aber nicht weiter in Richtung Staatsmedizin bewegen. Ich
glaube, wir müssen der Bevölkerung klar machen, dass irgendwann Zustände
erreicht sein werden, dass die Krebsdiagnose um zwei Jahre verschoben wird,
nicht um zwei Monate, wie es jetzt vielleicht aus Gründen des Streiks der Fall
sein könnte. Dann ist dem Patienten selbst mit der besten Medizin nicht mehr zu
helfen. Die Landesärztekammer Sachsen hat zusammen mit der KV Sachsen eine außerordentliche
Versammlung durchgeführt. Bedenklich fand ich dort die Aussagen des entsandten
Staatssekretärs, der es als mit dem Standesrecht überhaupt nicht vereinbar
ansah, dass Ärzte ihre Arbeit einstellen, weil sie kein Geld mehr bekommen.
Das schlug die Katze vor den Baum. In einer weiteren
Unterredung vermied er es zunächst, eine entsprechende Aussage zu machen, aber
auf eine entsprechende Nachfrage konnte er gar nicht anders, als die eben
erwähnte Aussage zu wiederholen.
Ich glaube, wir müssen der Politik immer wieder
entgegenhalten, dass sie ohne uns Ärzte nicht weiterkommt, dass wir aber sehr
wohl ohne die Politik vorankommen.
Danke schön.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr Bodendieck. - Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Haus aus
Nordrhein. Bitte.
|