TOP I: Patientenversorgung in Deutschland - Rahmenbedingungen ärztlicher Berufsausübung

1. Tag: Dienstag, 23. Mai 2006 Nachmittagssitzung

Ruebsam-Simon, Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Hoppe, Sie haben so nebenbei von 6 Cent gesprochen. Das hat mich sehr gefreut. Wir befinden uns in Baden-Württemberg in einem Kampf um 5,11 Cent. Wir wollen haben, was uns zusteht, was uns die Kassen versprochen haben. Dieses Versprechen wurde bei den unseligen EBM-2000plus-Verhandlungen gebrochen. Insofern hat es mich sehr gefreut, dass Sie von 6 Cent gesprochen haben. 5,11 Cent würden schon 25 Prozent mehr Geld im System bedeuten. 6 Cent sind eine erstaunliche Vision. Sie haben das so en passant gesagt; es ist aber von eminenter politischer Bedeutung.

Zurzeit wird der Kampf der Klinikärzte unter dem Aspekt eines Tarifkonflikts gesehen. Das ist er auch, aber ich glaube, im Moment geht es um etwas ganz anderes. Auch der Zusammenschluss von niedergelassenen Ärzten und angestellten Ärzten bedeutet eine neue Qualität. Es geht meiner Einschätzung nach um nichts anderes als um eine politische Machtfrage, wer im deutschen Gesundheitswesen das Sagen hat: Sind wir es? Sind es die Kassen? Ist es die Politik? Wer definiert die medizinischen Leistungen, die Tätigkeiten und die Bewertung derselben?

Je nach Ausgang dieses Kampfes geht es letztendlich um die Frage: Welche Stellung hat der Arzt in der Gesellschaft? Es geht nicht mehr um harmlose Dinge. Wenn dieser Kampf verloren wird, werden wir nicht mehr an erster Stelle stehen. Das muss uns klar sein.

Zweitens möchte ich etwas zu dem Begriff der Versozialrechtlichung sagen. Ich denke, wir müssen uns überlegen, ob Privatarzt und Vertragsarzt überhaupt noch deckungsgleich zu betrachten sind. Hier sehe ich ein Versäumnis der Kammern, die das nicht klar geregelt haben. Das kann nicht genau zur Deckung gebracht werden. Ich meine, wir müssen ein Pflichtenheft erstellen, was ein Vertragsarzt leisten muss und was nicht. Anderenfalls würde er mit dem Begriff des Privatarztes überfordert.

Jetzt noch ein Wort zu konkreten Maßnahmen. In Baden-Württemberg wird es zum 1. Juli wahrscheinlich einen kompletten Ausstieg aus den DMPs geben. Wir versuchen, die Krankenkassen dazu zu zwingen, diese Verhandlungen zu führen, mit oder ohne runden Tisch. Dabei geht es nicht, Herr Kollege Calles, um die Inhalte der DMPs. Die Inhalte sind sicherlich sehr zu diskutieren, aber darum geht es nicht.

Schließlich ist die Frage zu beantworten - hier ist eine Arbeitsgruppe von MEDI, Genossenschaften und freier Ärzteschaft engagiert -, ob wir nicht massenhaft aus dem System aussteigen können, wenn diese Auseinandersetzung verloren wird. Wir beschäftigen uns also strategisch, ökonomisch, betriebswirtschaftlich und politisch mit der Frage der massenhaften Zurückgabe der Kassenzulassung. Auch das kann ein Weg sein. Dazu gehört ein Transkodierungssystem EBM/GOÄ, damit jeder Kollege eine Abschätzung vornehmen kann.

Ich denke, mit dieser Frage wird sich dieses Gremium dereinst noch sehr intensiv befassen müssen, wenn der politische Weg weiterhin so verläuft wie derzeit.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Ruebsam-Simon. - Als nächster Redner bitte Herr Kollege Veelken aus Berlin.

© 2006, Bundesärztekammer.