Dr. von Zastrow, Niedersachsen: Die
Stigmatisierung psychisch Kranker ist wesentlich differenzierter und
umfangreicher, als das vielleicht manche Kolleginnen und Kollegen wahrnehmen.
Auch die angeblichen Probleme am Arbeitsplatz muss man differenziert sehen. Das
mag für ältere Arbeitnehmer gelten, die seit langer Zeit im öffentlichen Dienst
sind. Die Tendenz, jüngeren Beschäftigten nur Zeitarbeitsverträge zu geben,
führt natürlich dazu, dass ein Arbeitnehmer, der psychisch krank ist, der im
Rahmen des Zeitarbeitsvertrags des Öfteren länger krank ist, keine Verlängerung
bekommt. Das heißt, ohne Kündigung endet das Arbeitsverhältnis. Je länger
jemand ohne Arbeit war, desto schwieriger wird es für ihn sein, eine neue
Arbeit zu finden.
Die Stigmatisierung ist auch differenzierter. Es ist nicht nur
so, dass die Erkrankten, wie es im Antrag II-1 heißt, keine Behandlung wollen
oder zu spät zur Behandlung kommen, sondern in einigen Kreisen ist es üblich,
dass man zunächst körperliche Leiden präsentiert. Sehr beliebt sind in diesem
Zusammenhang beispielsweise orthopädische Beschwerden oder Rückenleiden. Das
kann so weit gehen, dass diese Patienten lange Zeit erfolglos am Rücken
behandelt werden und eine orthopädische Rehabilitation absolvieren und die
Ärzte während der Rehabilitation gar nicht mitbekommen, dass der Patient zwei
Wochen vor der Rehabilitation einen Suizidversuch unternommen hat. Das erzählt
der Patient nicht, das bekommt auch niemand heraus. Das wird auch nicht hinterfragt.
Die Rehabilitationsmaßnahmen haben dann natürlich auch keinen Erfolg. Das sind
Patienten, die gar nicht unbedingt beim Psychiater ankommen.
Die Hauptprobleme im Zusammenhang mit den Arbeitgebern sind
die Vorurteile. Man weiß: Der Mitarbeiter ist krankgeschrieben, aber man sieht
ihn in der Stadt beim Einkaufen. Das ist für viele Arbeitgeber mit der
Vorstellung vom kranken Mitarbeiter, der im Bett liegen sollte, nicht
vereinbar.
Man muss sich also bei psychisch Kranken vermehrt überlegen,
ob die Behandlung bei Arbeitsunfähigkeit stattfinden muss oder ob sie
berufsbegleitend stattfinden kann. Auch viele andere Krankheiten bedürfen ja
nicht der Behandlung bei Arbeitsunfähigkeit. Die Patienten selbst können das
nicht überblicken. Das Problem ist: Sind die Patienten erst einmal aus dem
Arbeitsprozess heraus, kommen sie schwer wieder hinein.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr von Zastrow. - Die nächste Rednerin ist Frau Groß aus Nordrhein.
Bitte schön.
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