TOP VII: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

3. Tag: Donnerstag, 25. Mai 2006 Nachmittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Wir kommen nunmehr zum Antrag VII-49 von Herrn Professor Leupold. - Herr Henke möchte sich gegen diesen Antrag aussprechen und möchte dies auch begründen. Bitte schön.

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Wir kommen jetzt zu einer ganzen Reihe von Anträgen, die sich mit den Themen Impfen, Impfungsrate, insbesondere Impfungsrate bei Masern, befassen. Wir haben aufgrund des Masernausbruchs in Nordrhein-Westfalen für die nächste Sitzung der Ständigen Konferenz "Prävention", die für den 9. Juni geplant ist, vorgesehen, dass wir dort das Thema Masernprävention diskutieren. Ich will Sie nicht davon abhalten, sich zu den vielen verschiedenen Anträgen eine Meinung zu bilden.

Die Absicht des Antrags VII-49 besteht darin, die Masernimpfung zu einer Pflichtimpfung zu machen. Das würde dem Prinzip des informierten Einverständnisses als Voraussetzung dafür, dass wir ärztliche Maßnahmen durchführen, widersprechen. Das kann man tun, aber das würde eine gravierende und deutliche Änderung unserer bisherigen Politik bedeuten, weil wir bis dato jedenfalls immer als Gesamtärzteschaft die Auffassung vertreten haben, dass auch Impfungen an das informierte Einverständnis gebunden sind.

Ich erinnere Sie an das, was wir zu der Frage erklärt haben, ob man Pflichtimpfungen für das Medizinalpersonal einführen soll, wenn es um die Hepatitis B geht. Wir haben auch dort immer argumentiert, dass es auf das informierte Einverständnis des einzelnen Betroffenen ankommt, dass wir auch für Ärztinnen und Ärzte und das Krankenpflegepersonal nicht dulden wollen, dass sie mit der Übernahme einer Stelle im Krankenhaus oder einer operativen Funktion automatisch dulden müssen, gegen Hepatitis B geimpft zu werden.

Ich glaube, es ist auch noch nicht so, dass alle Möglichkeiten der Impfprävention und der Intensivierung so ausgeschöpft sind, dass man zu dieser Ultima Ratio greifen müsste.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön. - Jetzt darf jemand für den Antrag sprechen. - Bitte sehr, Herr Mau.

Prof. Dr. Mau, Berlin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn diese Rede vor etwa 200 Jahren von Edward Jenner gehalten worden wäre, hätten wir heute in Deutschland noch die Pocken. Es gibt keine Impfung, die keine Komplikationen hervorruft. Aber es gibt kaum eine medizinische Maßnahme, bei der die Relation zwischen Risiko und Nutzen so präzise und so erfahrungsreich formuliert ist, wie bei der Impfung. In der Bundesrepublik leben wir zurzeit impfmäßig gesehen ziemlich im Mittelalter.

(Beifall)

Wir müssen uns selbst, unsere Kinder und die Nachbarkinder, kurzum: die Gesellschaft vor Erkrankungen schützen. Es kann doch nicht sein, dass wir eine Maßnahme, deren medizinische Wirksamkeit, deren Auswirkungen, deren Folgen, deren Komplikationsdichte seit ewigen Zeiten bekannt sind, in der Bundesrepublik, in Mitteleuropa im Gegensatz zu allen anderen Ländern rings um uns herum so behandeln, als sei es ein Sakrileg, ein Kind zu impfen.

Wenn wir so vorgehen, müssten Sie Ihrem Arzt sagen, Herr Henke: Ich muss zwar operiert werden, aber die Narkose ist komplikationsreich. Die Komplikationsrate bei einer Narkose ist höher als die bei einer Impfung. Das ist bewiesen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. - Jetzt hat einer dafür, einer dagegengesprochen. - Nun gibt es einen Geschäftsordnungsantrag. Bitte schön.

Dr. Peters, Rheinland-Pfalz: Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Komplexität des Themas ist unbestritten. Ich möchte den Antrag auf Vorstandsüberweisung stellen.

(Widerspruch)

Wir haben dafür Gremien wie die STIKO. Es gibt demnächst einen Kinderheilkundekongress mit dem Schwerpunktthema Prävention.

Wir behandeln momentan Themen, die wirklich drängend sind. Wir haben ja vor, einen der nächsten beiden Ärztetage dem Thema Kind zu widmen. Das halte ich für genauso vorrangig wie die Behandlung mit den psychisch Kranken. Wir sollten die Schwächsten der Gesellschaft hier auf dem Deutschen Ärztetag einmal in den Fokus nehmen, zumal es ja immer weniger werden.

(Beifall)

Herr Hoppe, Sie werden auf dem Kinderheilkundekongress wahrscheinlich zusammen mit der Bundesgesundheitsministerin auf dem Podium sitzen. Vielleicht ist auch die Familienministerin anwesend. Auch dort kann man Botschaften loswerden. Ich glaube, die Sache ist so komplex, dass wir das so hier nicht regeln können.

Vielen Dank.

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön, Herr Peters. - Eine Gegenrede von Herrn Crusius. Bitte schön.

Vizepräsident Dr. Crusius: Meine Damen und Herren! Wir haben vorige Woche gerufen: Wir sind die Ärzte! Wir haben den Sachverstand. Wenn wir nach außen das Zeichen geben, dass die deutsche Ärzteschaft gegen die Masernimpfung ist oder sich nicht darüber einig ist, was wissenschaftlich eben von Harald Mau beschrieben wurde, dann ist das nicht gut.

(Beifall)

Wenn man dann die IGeL-Diskussion dagegenhält, ist das etwas, was überhaupt nicht ankommt. Insofern bitte ich Sie, gegen die Vorstandsüberweisung zu votieren und für den Antrag zu stimmen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön. - Bevor wir zur Abstimmung über den Antrag 49 kommen, gibt es jetzt noch einen Antrag zur Geschäftsordnung.

(Zuruf)

- Ich glaube, die Meinung hier hat sich verfestigt: Wenn man sich nicht sicher ist, dass man die richtige Meinung hat, kann man es wirklich an den Vorstand überweisen, dann kommt es ja auch wieder zurück und wird erneut diskutiert. Wer sicher ist, dass er dazu eine gefestigte Meinung hat, kann auch abstimmen. Wir denken doch nicht das erste Mal über das Impfen nach.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag 49. Wer möchte Vorstandsüberweisung? - Wer ist gegen Vorstandsüberweisung? - Das ist die Mehrheit. Ich frage also: Wer möchte dem Antrag zustimmen? - Wer ist dagegen? - Der Antrag ist angenommen.

(Beifall)

Jetzt ist auch Herr Lipp zufrieden, oder?

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