Statements

Dienstag, 24. Oktober 2006, Vormittagssitzung

Dr. Andreas Köhler, Vorsitzender des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Sehr geehrter Herr Professor Hoppe! Sehr geehrter Herr Möller! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann nur hoffen, dass Herr Zöller und Frau Ferner einen anderen Kabinettsentwurf haben als denjenigen, den die Ärzteschaft kennt. Wenn das nicht der Fall ist, würde ich das Verfahren, das wir eben erlebt haben, als das Verfahren des Müdehütens beschreiben wollen. Aber wir sind keine Schafe, sondern wir müssen uns als Ärzteschaft heute - deswegen ist dieser Tag so wichtig - wehren. Dieser Tag dient einzig und allein einem Zweck - wir sollten uns nicht immer als Lobbyisten beschreien lassen -: unsere Patienten vor diesem desaströsen Gesetz zu schützen.

(Beifall)

Wenn wir uns jetzt nicht wehren, werden in wenigen Jahren unsere Patienten fragen, warum wir dieses Gesetz nicht verhindert haben. Die Schuld für die Rationierung - und dieses Gesetz bringt Rationierungen - wird wieder einmal bei den Ärzten abgeladen werden.

Dieses Gesetz legt die Axt an die Wurzel einer guten Versorgung. Es gleicht einem Frontalangriff auf unser Selbstverständnis als Ärzte und es stellt unsere Würde infrage.

(Beifall)

Es ist ein gigantisches Arztvernichtungsprogramm. Es wird am Ende von einer guten Versorgung nicht mehr viel übrig bleiben. Das dürfen wir nicht zulassen. Jeder Arzt muss sich jetzt wehren, genauso wie es die Organisationen tun, sonst wird es zu spät sein.

Mit diesem Gesetz erreicht die Politik genau das Gegenteil dessen, was sie als Ziel vorgibt. Auch wir wollen mehr sinnvollen Wettbewerb und nicht weniger. Aber was tut diese Regierung? Sie schafft einen Kasseneinheitsverband, sie legt die Beitragssätze selbst fest und sie deckelt die geplanten Zusatzbeiträge bei 1 Prozent des Bruttohaushaltseinkommens. Sie verbehördlicht die gemeinsame Selbstverwaltung. Sie schaltet sehr wohl die private und die gesetzliche Krankenversicherung gleich. Sie schließt die KVen als wichtigsten Anbieter ambulanter ärztlicher Leistungen willkürlich aus dem Bereich der selektiven Verträge aus.

Sie wird die gesamte ambulante Versorgung in zwei Sektoren gliedern: in einen starren, weitgehend staatlichen Vorgaben unterliegenden, mit dem Kollektivvertrag geregelten Bereich und in den Bereich der Sonderverträge. Sie zerstört damit das heutige pluralistische ambulante Versorgungssystem. Das ist doch der direkte Weg in die Staatsmedizin! Warum will man uns etwas anderes weismachen?

Es ist absurd, das unter dem Namen Wettbewerbsstärkungsgesetz zu tun. Es ist das genaue Gegenteil: Es ist ein Staatsmedizineinführungsgesetz.

(Beifall)

Es lässt nicht nur die Ärzte, sondern auch die Patienten im Stich. Anstatt den sinnvollen Wettbewerb zu stärken und uns eine angemessene Vergütung für die ärztlichen Leistungen zu garantieren, wird die Unterfinanzierung zementiert, wird die Budgetierung weitergeführt und wir werden eine nie gekannte Rationierung erleben.

Darunter werden am meisten die Patienten leiden.

(Beifall)

Diese Regierung wird hoch qualifizierte Ärzte erfolgreich aus Deutschland vertreiben.

(Beifall)

Morgen einen Termin beim Hausarzt? Nächste Woche einen beim Spezialisten? - Das wird in Deutschland bald der Vergangenheit angehören. Wohnortnahe Versorgung? - Vergessen Sie es. Gleicher Zugang zu Leistungen des GKV-Leistungskatalogs? - Das wird einmal gewesen sein. Alle anerkannten medizinischen Leistungen auf Kassenkosten? - Das wird nicht mehr bezahlt werden.

Das ist ein Horrorszenario. Aber es wird Wirklichkeit werden, wenn dieser Gesetzentwurf so beschlossen wird.

(Beifall)

Denn er zementiert die unerträgliche Unterfinanzierung im ambulanten Bereich. Hier wurde eben von 10 Milliarden Euro gesprochen. Weiß diese Regierung nicht, dass seit 1994 eine Preisentwicklung von 29,4 Prozent stattgefunden hat und kein einziger deutscher Vertragsarzt diese 29,4 Prozent jemals bedient bekommen hat? Das hat er aus seinen Erträgen finanziert. Und dieses Geld müssen wir fordern - für die Vergangenheit.

(Beifall)

In den nächsten zwei Jahren wird nicht mehr Geld in die ambulante Behandlung fließen. Danach wird ein Aufsatzwert für die Weiterentwicklung festgeschrieben, von dem wir schon heute wissen, dass er um ein Drittel zu niedrig liegt. So viel Morbidität kann es gar nicht geben, dass irgendjemand in diesem Raum erlebt, dass wir angemessene Preise bekommen. Wir werden um ein Drittel zu niedrig starten.

Ich bleibe dabei: Durch die Gleichschaltung der PKV werden uns sogar noch 2,1 Milliarden Euro pro Jahr entzogen. Wir werden also nicht mehr, sondern weniger Geld haben. Dieser Honorarverlust bedeutet übrigens für jeden Vertragsarzt einen jährlichen Ertragsverlust von durchschnittlich 22 600 Euro. Die Kosten in den Praxen bleiben aber gleich hoch, denn die Patienten werden weiterhin versorgt werden müssen. Das ist ein Arztvernichtungsprogramm und nichts anderes!

(Beifall)

Ich weiß heute nicht, wie viele Arztpraxen pleitegehen werden, aber es werden viele sein. Diejenigen, die überleben, müssen Kosten sparen. Was bedeutet das für die Versorgung? Wir werden keine Investitionen mehr in medizinische Geräte machen können. Wir werden massenweise Praxispersonal entlassen müssen und es wird eine Altersarmut für Ärzte geben. Vor allem aber wird es Leistungskürzungen bei den Patienten geben.

Und danach? Gibt es denn mit der versprochenen Euro-Gebührenordnung eine echte Aussicht auf Besserung? Mit Sicherheit nicht, denn diese Gebührenordnung steht unter einem Kreuzfeuerbeschuss aus vielfältigen Budgetierungsmaßnahmen. Zunächst einmal wird die Berechnungsformel für die erstmalige Festlegung des bundesweiten Orientierungswertes die heutige Unterfinanzierung zementieren. Damit wird die Logik einer Euro-Gebührenordnung vollständig zerstört. Die Kalkulationsgrundlage wird willkürlich und hat mit Betriebswirtschaft überhaupt nichts mehr zu tun.

Zum Zweiten wird durch die Pauschalierung die Leistungsmenge wirksam begrenzt. Flankiert von einer fixkostenbezogenen Abstaffelungsregelung, wäre damit eine sinnvolle Mengensteuerung innerhalb der Gebührenordnung möglich gewesen. Das haben wir auch unterstützt. Deswegen lehne ich die Kritik ab, wonach wir immer denken, der Himmel sei nach oben offen. Wenn Sie eine fixkostenbezogene Abstaffelung wollen, brauchen Sie erst einmal betriebswirtschaftlich sauber kalkulierte Werte. Diese wird es mit den Orientierungswerten nicht geben.

Drittens werden die Preise nochmals abgestaffelt, nämlich durch ein arztbezogenes Regelleistungsvolumen. Wenn Sie das überschreiten, bekommen Sie noch weniger Geld für Ihre Leistungen. Das ist nicht kompatibel mit einer fixkostenorientierten Abstaffelung. Es ist auch technisch nicht nachvollziehbar, warum zum Beispiel die Erhöhung der Arztzahl dazu führt, dass ein Arzt für dieselbe Leistung ohne sachliche Begründung nochmals weniger Geld bekommt.

Viertens. Die Versichertenpauschalen bzw. die Grundpauschalen werden zusätzlich gekürzt, wenn ein Versicherter innerhalb des Quartals den Arzt wechselt. Damit wird der Arzt für das Verhalten seines Patienten bestraft, das er selbst nicht steuern kann. Wenn der Gesetzgeber das verhindern will, muss er bei dem ansetzen, der das auch kann: beim Versicherten.

Fünftens. Als weiteres Budget kommt die Bestimmung hinzu, dass Zuschläge zur Förderung der Niederlassung von Ärzten in unterversorgten Gebieten aus Abschlägen in überversorgten Gebieten bezahlt werden sollen. Was jetzt? Entweder es gibt zu wenig Geld für Zuschläge oder die Vergütungen von Praxen in überversorgten Gebieten sinken, gegebenenfalls sogar unter die Kostendeckung. Das ist paradox!

Sechstens. Es gibt weiterhin eine Gesamtvergütung, ein Budget. Jede Krankenkasse legt vor Ort prospektiv eine Punktzahlmenge fest, die mit dem vereinbarten Preis zu bezahlen ist - natürlich unter den genannten Abstaffelungsregelungen. Eine zusätzliche Vergütung durch die Krankenkassen gibt es nur unter extrem restriktiven Kriterien. Steigt die Zahl der Versicherten oder die Morbidität nach anderen als den festgelegten Kriterien der Kasse unterjährig, muss die KV zahlen. Deswegen ist das Morbiditätsrisiko definitiv nicht verlagert. Die KV hat das Geld aber gar nicht. Sollen die KVen Schulden machen? Sollen sie weniger als den vereinbarten Preis zahlen, damit sie Rücklagen bilden können? Oder zahlen sie zum Quartalsende weniger aus als vereinbart? Meine Damen und Herren, das ist der Fortbestand des Budgets und nichts anderes.

Es ist das Gegenteil einer nachvollziehbaren und transparenten Gebührenordnung. Das können Sie niemandem mehr erklären. Wir wollten, dass grundsätzlich überall in Deutschland die gleiche medizinische Leistung die gleiche Vergütung auslöst. Dabei müssen natürlich regionale Besonderheiten berücksichtigt werden. Aber was wir mit dieser Gebührenordnung bekämen, wäre ein völlig undurchsichtiger Preis für Leistungen, die sogar im gleichen Fachgebiet und in der gleichen KV stark voneinander abweichen würden, und zwar nicht aus sachlichen Gründen, sondern aus Gründen der Budgetierung, der Kostendämpfung und der Rationierung. Das ist völlig inakzeptabel!

Wir möchten die Politiker an ihre Zusage erinnern dürfen: Abschaffung des Budgets, Kalkulationssicherheit, klare und transparente Regelungen. Erinnern Sie sich noch an die Aussagen der Ministerin anlässlich des Deutschen Ärztetages in Magdeburg? Sie hat uns aufgefordert, in diesem Jahr ein eigenes Vergütungskonzept vorzulegen. Das haben wir getan. Wir haben ein Konzept vorgelegt, das diese Bedingungen durchaus erfüllt hat. Die Politik hat es nicht aufgegriffen. Zumindest ich fühle mich von dieser Ministerin getäuscht und Sie sollten das endlich auch tun!

(Beifall)

Retten Sie eine gute Versorgung! Ich kann als Fazit nur feststellen: Wenn der Gesetzentwurf so bleibt, können und werden wir ihn nicht umsetzen, auch wenn dies das Aus für die ärztliche Selbstverwaltung bedeutet.

(Beifall - Zurufe: Bravo!)

Wir werden doch sowieso langsam als Kassenärztliche Vereinigungen entmachtet und können die Rechte der Ärzte nicht mehr wahrnehmen.

Nur: Wem wird denn dann die Schuld in die Schuhe geschoben, wenn wir nicht mehr da sind? Den Krankenkassen? Der Politik? Traurig ist, dass das Ganze am Patienten ausgelassen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht nur die Rationierung ärztlicher Leistungen durch undurchsichtige Dumpingpreise, es ist auch die Zerstörung einer funktionierenden, dem Patientenschutz dienenden Versorgungsstruktur, gegen die wir uns zur Wehr setzen müssen.

(Beifall)

Die gemeinsame Selbstverwaltung wird doch entmündigt. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird hauptamtlich besetzt und unter Kuratel gestellt. Es entzieht sich meinem Verständnis, wenn Frau Ferner hier ausgeführt hat, es werde noch eine gemeinsame Selbstverwaltung geben. Der Bewertungsausschuss und das Institut des Bewertungsausschusses müssen dem Bundesgesundheitsministerium in allem und jedem Rechenschaft ablegen. Wenn dem Ministerium eine Entscheidung nicht passt, gibt es eine Ersatzvornahme. Wenn die gemeinsame Selbstverwaltung nicht kuscht, droht die Abschaffung. Dazu sage ich ganz klar: Wir werden einfach nicht kuschen. Sollen sie uns doch abschaffen!

(Beifall)

Wenn die Regierung die gemeinsame Selbstverwaltung nicht mehr will, dann muss sie das auch offen sagen und die Verantwortung für die oft unangenehmen Entscheidungen selbst übernehmen.

(Beifall)

Denn als bloße Sündenböcke stehen wir auf gar keinen Fall zur Verfügung! Ich hoffe, dass von diesem Ärztetag ein entsprechendes Signal ausgeht.

Nichts anderes als Sündenböcke wären wir - mit einem großen Unterschied: Sündenböcke zahlen normalerweise nicht für ihre Funktion! Wir dagegen müssen das tun.

Zentralisierung und staatliche Einflussnahme werden zukünftig aber nicht nur in der gemeinsamen Selbstverwaltung stattfinden. Sie treffen zuallererst die Spitzenverbände der Krankenkassen; denn mit dem neuen Krankenkasseneinheitsverband, der ja in diesem Staatssektor wirken wird, ist jedem Wettbewerb ein Ende gesetzt. Die Einheitskollektivverträge unterliegen den ganzen Budgetierungsregelungen. In diesem verstaatlichtem Sektor gibt es keine Gestaltungsspielräume mehr. Alles wird festgelegt, festgezurrt, festgenagelt.

In dem anderen Sektor, dem Sektor der Sonderverträge, ist das nicht der Fall. Hier haben Krankenkassen Gestaltungsspielräume. Sie können von den stringenten Begrenzungen abweichen. Sie können die Regelungen zur Qualitätssicherung disponibel gestalten. Aber sie werden eines nicht können - das müssen wir den Ärzten sagen -: in diesem Sektor insgesamt mehr Geld zur Verfügung stellen, denn das unterliegt ja einem staatlichen Globalbudget.

Vertragspartner in diesen selektiven Bereichen können Berufsverbände, Managementgesellschaften, Krankenhausträger und Netzwerke sein - nur einer nicht: Die KVen dürfen in diesem Wettbewerbssektor nicht Vertragspartner sein. Einzige Ausnahme sind Verträge für die besondere ambulante Versorgung.
Aber das ist nicht ausreichend.

Nicht einmal von den KVen gegründete Dienstleistungsgesellschaften dürfen Vertragspartner sein. Man schließt uns aus diesem Wettbewerb aus, obwohl wir ein wesentlicher Anbieter sind. Das wird schädlich für die Versorgung sein. Es fördert den Wettbewerb nicht, es wird ihn behindern.

Neben den Verbänden werden sich als Vertragspartner vor allem gewinnorientierte Unternehmen anbieten. Denken Sie an Gesundheitsunternehmen und große Klinikketten. MVZ-Ketten werden so entstehen, die den freiberuflich tätigen niedergelassenen Ärzten ganze Patientengruppen abwerben werden. Das wird die Freiberuflichkeit auf Dauer aushöhlen und der flächendeckenden Versorgung schaden.

In einer solchen neuen Welt werden Versicherte nicht mehr jeden Arzt ihrer Wahl aufsuchen können. Sie müssen sich vorher erkundigen - Herr Hoppe hat das bereits ausgeführt; er hat es noch erlebt, ich nicht -, ob der gewählte Arzt am jeweiligen selektiven Vertrag mit ihrer Krankenkasse teilnimmt. Einen gleichen Zugang zu Leistungen gibt es nicht mehr. Die viel gescholtene Zweiklassenmedizin wird mit diesem Gesetz nicht behoben, sondern verschlimmert.

(Beifall)

An unattraktiven Standorten wird es zu Versorgungsengpässen kommen, die der Staatssektor auffangen muss. Deshalb und nur deshalb steht der Sicherstellungsauftrag noch im Gesetz. Das kann aber dauerhaft nicht funktionieren, denn mit dieser neuen Versorgungsstruktur ist die Sicherstellung, wie wir sie kennen, tot.

Die Ideologie des Arbeitsentwurfs sieht doch vor, dass ein immer größer werdender Teil der ambulanten Versorgung in Einzelverträgen geregelt wird. Gleichzeitig fließen die Geldmittel für diesen neuen Versorgungsbereich aus dem Staatssektor in den Sektor der Sonderverträge. Mit dem hat die KV nichts mehr zu tun. Sie hat auch nicht mehr die finanziellen Reserven, um den Sicherstellungsauftrag und andere Aufgaben zu erfüllen.

Meine Damen und Herren, wir sind als KVen aus dem Geschäft, wir sind Lumpensammler, wenn der andere Bereich nicht mehr funktioniert. Dann sollen doch die Gesundheitspolitiker, die jetzt leider alle abwesend sind, so ehrlich sein, dies auch zu sagen! Wir haben die Pflicht, der Bevölkerung zu sagen, dass wir unter diesen Bedingungen nicht mehr sicherstellen können. Das ist das erwähnte Liquidationsprogramm der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung! Wir werden keine Ärzte haben und wir werden kein Geld haben zur Sicherstellung, denn wenn von der Gesamtvergütung maßgebliche Geldmittel weggehen, können wir keine entsprechenden Verwaltungskosten erheben.

Das Ergebnis eines solchen sogenannten Wettbewerbs ist, dass die kollektivvertragliche Versorgung nur noch eine Rückfallversicherung für unattraktive Regionen und Versorgungsbereiche ist. Das hält sie auf Dauer nicht aus, sie wird kollabieren. Der Staat hat die Zwischenzeit genutzt und seine Regulierungsbehörden geschaffen. Diese werden immer mehr die Steuerung der Versorgung durch immer restriktivere Vorgaben übernehmen. Am Ende steht eine Zuteilungsmedizin, in der Ärzte in der Behandlung ihrer Patienten keinen Spielraum mehr haben. Wartelisten und Zugangshürden sowie Unterversorgung werden die Folge sein. Das ist Ideologie und nichts anderes. Ich frage mich, ob die CDU/CSU pennt, wenn sie das nicht erkennt.

(Beifall)

Das unabhängige freiberufliche Element wird abgeschafft. Angestellte Ärzte sind die Zielvorstellung. Das ist die Entmündigung des freien Arztberufes!

(Beifall)

Wir müssen als KV-System Alternativen aufzeigen. Wir müssen nicht nur das Schlimmste verhindern, sondern wir müssen alles daran setzen, dass dieses "Staatsmedizin-Einführungsgesetz" nicht kommt. Unsere Konzepte dazu haben wir entwickelt. Wir möchten ein Wettbewerbskonzept. Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen, welche die positiven Effekte des Wettbewerbs nutzen und gleichzeitig den Patientenschutz gewährleisten. Wir haben die Vorstellung eines flexiblen und modernen Kollektivvertrags entwickelt. Dazu ist es aber notwendig, dass wir als KVen in diesen Einzelverträgen Vertragspartner sein können. Das müssen nicht nur die KVen sein; auch andere Partner können solche Verträge abschließen. Wir würden uns diesem Wettbewerb stellen. Dazu brauchen wir aber eine Vertragsgebührenordnung mit festen, betriebswirtschaftlich kalkulierten Preisen ohne Budget, denn nur dann wird man tatsächlich einen Wettbewerb um Versorgungsqualität entwickeln können. Nur dann wird jeder Versicherte in Deutschland weiterhin Zugang zu einer solchen Versorgung haben.

Diese Forderungen sind platziert. Niemand soll sagen, dass diese Forderungen nicht platziert sind. Sie entsprechen mehr den Eckpunkten, als es der Kabinettsentwurf tut. Das sagt schon alles über diesen Kabinettsentwurf aus.

Ich will wiederholen, was ich in unserer Vertreterversammlung gesagt habe: Wenn sich das Gesetz an den zentralen Punkten Vertragssystematik und Honorarordnung nicht verändert, werden die KBV und die KVen es nicht umsetzen! Wir würden nämlich, wenn wir es umsetzten, unseren Mitgliedern schaden.

(Beifall)

Wir würden eine immer noch gute Versorgung vollständig zerstören. Deshalb ziehe ich es ganz entschieden vor, die Schmutzarbeit von den Verursachern direkt erledigen zu lassen.

(Beifall)

Unsere Konzepte liegen vor. Es liegt an der Politik, dieses Angebot anzunehmen. Wenn nicht, werden wir uns gegen dieses Gesetz wehren. Wir haben ein ganzes Arsenal wirksamer Mittel. Das Entscheidende für mich ist - das sollten wir uns alle merken -: Am Ende wird der Patient immer vom Arzt behandelt und nicht von den Politikern.

Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall - Die Delegierten erheben sich)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages: Vielen Dank, Herr Dr. Köhler, für diese klaren Worte, die, glaube ich, sehr wichtig waren. Wir müssen sie unbedingt in die Fraktionen transportieren. Sie dürfen nicht ungehört bleiben; denn die politischen Entscheidungen, die jetzt noch getroffen werden, müssen immer unter dem Eindruck dieser Ankündigungen gefällt werden. Jeder muss wissen, was er da verantworten kann.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ebenso wie 2003 wollen wir nicht nur Politiker und die beiden körperschaftlichen Organisationen zu Wort kommen lassen, sondern auch die Vertreter anderer ärztlicher Verbände, anderer Gesundheitsberufe, der Patienten sowie der gesetzlichen Krankenversicherung. Deswegen wollen wir jetzt noch sechs Redebeiträge von je fünf Minuten Dauer hören und dann in die Mittagspause eintreten. Bevor wir die Diskussion beginnen, werden wir die Papiere austeilen, die Ihnen zur Entscheidung vorgelegt werden sollen.

Das Wort hat jetzt Herr Dr. Maximilian Zollner als Sprecher der Allianz Deutscher Ärzteverbände. Bitte sehr, Herr Kollege Zollner.

© Bundesärztekammer 2006