Debatte

Dienstag, 24. Oktober 2006, Nachmittagssitzung

Veelken, Berlin: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum wurde diese Gesundheitsreform ohne ärztlichen Sachverstand geschrieben? So lautete heute Morgen eine Frage. Ich glaube, eine der Grundantworten lautet: Die Politiker wissen selbst, dass diese Reform so nicht durchgehen wird, und zwar nicht nur wegen unseres Protestes; deswegen am allerwenigsten. Die Einführung des Gesundheitsfonds ist auf 2009 - das ist das Jahr der nächsten Bundestagswahl - festgeschrieben. Frau Ferner und Herr Zöller haben heute Morgen gesagt: Wir konnten uns in der Koalition nicht einigen, wir gehen jetzt auf Warteposition, um nach der nächsten Bundestagswahl unsere reine Lehre in die eine oder andere Richtung durchzusetzen.

Durch dieses Gesetz wird die Selbstverwaltung beschädigt. Das hat Herr Köhler heute Morgen sehr gut ausgeführt. Im Endeffekt ist ein solches Vorgehen zynisch. Ein Grundproblem, das man identifiziert hat, wird vier Jahre vertagt, weil man sich nicht einigen kann. Man nimmt die Beschädigung der Selbstverwaltung, gegen die ich weiß Gott manchmal etwas zu sagen habe, in Kauf, um vier Jahre später etwas in die eine oder andere Richtung durchzudrücken.

Die Opposition ist nicht viel besser. Frau Künast hat eine routinierte und unterhaltsame Rede gehalten. Viel mehr war es nicht. Ich hatte das Gefühl, dass Herr Westerwelle froh ist, dass er das im Moment nicht entscheiden muss.

Wie kommt es, dass man auf diese Art und Weise politisch durchkommt, dass Frau Schmidt jedes Mal, sobald ein Arzt in halbwegs offizieller Position Stellung nimmt, sagen kann, wir würden Lobbyisteninteressen vertreten? Es ist den Politikern gelungen, dafür zu sorgen, dass man uns in der öffentlichen Wahrnehmung unterstellt, dass wir, wenn wir von den Patienten reden, uns selber meinen. Diese Entwicklung teile ich nicht, aber sie hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung in den letzten Jahren weit verbreitet. Ohne diese Entwicklung hätten wir es deutlich leichter.

Für die Zukunft bedeutet dies, dass wir aufpassen müssen, dass dieser Eindruck nicht entsteht. Man muss ausgesprochen vorsichtig sein, wenn man sich öffentlich äußert, dass man wirklich im Sinne der Patienten spricht.

Was uns im Moment retten kann, sind nicht 10 000 Ärzte vor dem Gesundheitsministerium in Berlin - dort haben sie gar keinen Platz, weil die Straßen zu eng sind -, sondern die Patienten müssen vor dem Gesundheitsministerium sitzen. Uns wird auf absehbare Zeit keiner mehr glauben. Dieser Ausblick ist zwar ziemlich gloomy, aber so ist es im Moment.

Danke.

(Beifall)

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages: Vielen Dank. Ganz so pessimistisch bin ich nicht. Der Versuch, den Ärzten diese Position zuzuschieben, ist keine deutsche Eigenart. Wer viel im Ausland herumkommt, wird wissen: Das ist in allen Ländern der Welt so. Der Neidkomplex spielt überall eine gewisse Rolle. Man weiß: Wenn man auf diesem Klavier spielt, ist zunächst einmal emotional eine gewisse Resonanz zu erzeugen. Wenn es ans Nachdenken geht, verflüchtigt sich das wieder oder verliert zumindest an Bedeutung. Das ist eine echte Kärrnerarbeit oder eine Sisyphusarbeit, wie man fast sagen kann.

Der nächste Redner ist Herr Rudolf Henke.

© Bundesärztekammer 2006