TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 15. Mai 2007, Nachmittagssitzung

PD Dr. Scholz, Hessen: Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Bitte an Sie: Nachdem heute schon gesagt wurde, man solle sich nicht mehr an Ulla Schmidt reiben, sie könne es eben doch nicht, weise ich darauf hin, dass Sie in die Dialektik derer verfallen, die die Gesetze gemacht haben, mit ihrem Abkürzungsfimmel, mit GKV, WSG usw. Nennen Sie es doch so, wie es ist: Es ist ein Krankenbenachteiligungsgesetz. Nur derjenige, der chronisch krank ist, wird bei diesem Gesetz benachteiligt. Zeigen Sie mir denjenigen chronisch Kranken, der einen Vorteil aus diesem Gesetz zieht!

Wenn es heißt, es gebe weniger Bürokratie, kann ich Ihnen nur empfehlen, die Zahlen auf sich wirken zu lassen. Wir haben nur noch ein Viertel der gesetzlichen Krankenkassen wie vor
20 Jahren, dort aber viermal so viele Beschäftigte. Das ist ein wichtiger Wirtschafts- und Beschäftigungszweig, der natürlich durch Gesetze erhalten werden muss.

Als Frau Schmidt erklärte, die Bürokratie werde abgebaut, musste sie mehrmals Luft holen. Das lag nicht daran, dass sie etwa kurzatmig ist, sondern an dem Umfang der Aufzählung, wie viel an Bürokratie noch immer vorhanden ist. Das ist das beste Indiz dafür, dass es noch zu viel Bürokratie gibt.

Es ist sicher nur ein Missverständnis oder ein Gerücht, dass es früher keine örtliche Betäubung für Kassenpatienten gab. Dieses Gerücht beruht nur darauf, dass der Zahnarzt von Ulla Schmidt schon früh erkannt hat: Mein Gott, wenn ich der keine ordentliche Betäubung gebe, wird sie mich kräftig beißen!

(Heiterkeit)

Nun wieder zum Ernst zurück: Ich vermisse gerade bei den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen den Drive, der vor einigen Monaten bei den Protestaktionen noch vorhanden war. Ich kann Sie nur ermuntern: Profitieren Sie von den Erfahrungen, die wir Klinikärzte gemacht haben. Wehren Sie sich! Tun Sie etwas! Beschlüsse allein werden Ihnen nichts nutzen. Wir sind sicher gern bereit, Sie vor Ort mit entsprechenden Maßnahmen zu unterstützen. Aber lassen Sie es jetzt nicht quasi absterben.

Was ich aus den Verhandlungen mit der Politik gelernt habe, ist sehr simpel. Die Gegenseite sagt: Lasst die anderen protestieren, zwei-, dreimal, dann beruhigt sich die ganze Geschichte, dann wirkt unser Gesetz nach. - Derjenige, der sie aber penetrant stört und ihnen penetrant auf die Pelle rückt, hat irgendwann Chancen, etwas zu ändern. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch Erfolg.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Scholz. - Jetzt unser Gastgeber,
Herr Windhorst, Präsident der Landesärztekammer Westfalen-Lippe.

© Bundesärztekammer 2007