TOP III: Kindergesundheit in Deutschland

Mittwoch, 16. Mai 2007, Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Kunze, Bayern: Herr Präsident! Lieber Vorstand! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst einmal meinen herzlichen Dank an die Referenten aussprechen, an allererster Stelle an Rudolf Henke, der - wie immer - mit seiner parlamentarischen Erfahrung in hervorragender Weise den Finger in die Wunde gelegt hat, um was es bei der Kindergesundheit in Deutschland geht. Ich danke ihm an dieser Stelle ganz herzlich. Das war ein hervorragendes Referat mit einer hervorragenden Zusammenfassung hinsichtlich der Frage, wo das Problem liegt.

(Beifall)

Ich danke Herrn Kollegen Niethammer, dem Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V. Er hat die Sorgen und Probleme der Kinderärzte im Detail dargestellt und damit die beste Basis für eine Diskussion gelegt, die wir jetzt führen müssen.

Ich danke vor allen Dingen Herrn Kollegen Schulte-Markwort, der die Aufgabe aller ärztlichen Berufsgruppen betont hat, an dieser Thematik mitzuwirken. Ich glaube, das konnte niemand besser ausdrücken als er als Kinder- und Jugendpsychiater. Deshalb an dieser Stelle einen herzlichen Dank, Herr Professor Dr. Schulte-Markwort.

(Beifall)

Damit bin ich mit meinen Dankesworten am Ende.

Tut mir leid, dass ich an dem Referat von Frau Goesmann, unserer Vizepräsidentin, erhebliche Kritik anzumelden habe. Sie hat mich mit ihrem Referat wirklich enttäuscht - das muss ich ganz klar sagen -, und zwar deswegen, weil ich mir von der Vizepräsidentin der deutschen Ärzteschaft etwas anderes erwartet hatte, als dass sie in langen und weiten Teilen ihres Referats betont, dass es hier konkurrierende Situationen in der Ärzteschaft gibt.

(Zurufe)

Ich dachte, darüber sind wir längst hinaus. Ich zitiere Frau Kollegin Goesmann: Dass Kinder und Jugendliche in der hausärztlichen Praxis versorgt werden, ist eine der elementaren Aufgaben des Hausarztes in seiner familienmedizinischen Funktion.

(Beifall)

Hausärzte betreuen die Kinder in ihrem sozialen Umfeld.

(Beifall)

Dann frage ich mich: In welchem Umfeld betreuen denn Kinder- und Jugendärzte ihre Kinder?

(Zurufe)

Ich habe bei Frau Kollegin Goesmann die übereinstimmende Aufgabe vermisst. Es kam immer die Konkurrenzsituation heraus. Das haben wir in der Diskussion um unsere Weiterbildungsordnung eigentlich längst hinter uns gebracht. Ich habe auf mehreren Bayerischen Ärztetagen und auch auf Deutschen Ärztetagen immer betont: Der Hausarzt für die Kinder und Jugendlichen ist der Kinder- und Jugendarzt. Dabei muss es bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall - Widerspruch)

Der Kinder- und Jugendarzt gilt deswegen im Sinne des SGB V zur Gruppe derjenigen Ärzte, die die hausärztliche Versorgung durchführen. Danach ist der Kinder- und Jugendarzt derjenige, der die hausärztliche und fachärztliche Versorgung durchzuführen hat.

Das von Frau Goesmann geforderte Konzept der Gesundheitsvorsorge durch den öffentlichen Gesundheitsdienst ist richtig. Aber gleich wird an zweiter Stelle der Hausarzt heraufbeschworen. Die Kinder- und Jugendärzte haben hier auch an erster Stelle mitzureden. Das ist in keiner Weise erwähnt worden. Es gibt so viele Möglichkeiten der aufsuchenden Gesundheitsvorsorge, bei der Kinder- und Jugendärzte primärpräventiv tätig werden. Das ist eine originäre Aufgabe des Kinder- und Jugendarztes. Er geht in die Kindertagesstätten, in die Schulen, in die Betreuungsstätten. Das tun nicht die Hausärzte. Diese Konkurrenzsituation in der Diskussion um eine bessere Kindergesundheit ist nicht gewünscht.

(Beifall - Widerspruch)

- Sie merken: Manche hören nicht so gern Kritik.

Wenn unsere Vizepräsidentin in diesem Zusammenhang in ihrem Referat ausdrücklich von Praktikern, Hausärzten und Allgemeinärzten spricht, muss ich darauf hinweisen: Das sind Auslaufmodelle. Wir kennen doch in der hausärztlichen Versorgung den Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, wir kennen die hausärztlichen Internisten, die dieses tun. Aber der Allgemeinarzt alter Prägung ist ein Auslaufmodell. Ich hätte mir diese Diskussion nicht mehr gewünscht.

Lassen Sie mich zu einem anderen Thema kommen, vielleicht etwas sachlicher. Folgendes ist mir in dem Vorstandsantrag etwas zu kurz gekommen.

(Zurufe)

- Vielleicht können sich die Gemüter etwas beruhigen.

Eines der wichtigsten Themen, die wir im Augenblick in Deutschland diskutieren, ist die Prävention hinsichtlich der Adipositas. Herr Henke hat in seinem Referat Zahlen dazu genannt. Ich möchte Ihnen vor Augen führen, welche Problematik wir hier sehen. Ich spreche in diesem Zusammenhang zum Antrag 19. Die Situation, die wir in Deutschland hinsichtlich der Prävention haben, ist leider wieder einmal eine sehr konkurrierende. Zwei Bundesministerien haben sich jahrelang über die Frage gestritten, wer für die Prävention zuständig ist. Gott sei Dank ist es in der letzten Woche im Deutschen Bundestag gelungen, dass sich unter dem Dach der Bundesregierung beide Bundesministerien zur Prävention hinsichtlich der Adipositas geäußert haben. Beide Ministerien haben einen gemeinsamen nationalen Aktionsplan "Ernährung und Bewegung" auf den Weg gebracht. Das ist sehr verdienstvoll. Der Deutsche Ärztetag sollte sich über den Antrag 19 positiv dazu äußern.

Damit ist es aber noch nicht getan. Unsere Nachbarländer sind im Kampf gegen Übergewicht und Adipositas wesentlich weiter. Wir müssen die Umsetzung konkreter Maßnahmen fordern. Hier geht es um ein Problem, das unsere Bevölkerung noch nicht erkannt hat. Vor unseren Augen wächst in Deutschland eine Generation heran, die - lassen Sie es mich so plump sagen - übergewichtig und adipös ist, und zwar aufgrund ihrer Lebensgewohnheiten. Es stellen sich Folgeerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Gefäßschäden usw. ein. Diese Menschen sind mit 60 Jahren schwerhörig und werden noch vor ihren Eltern sterben. Das ist ein gesundheitspolitisches Problem. Ich sage immer: Die Adipositas ist kein ernährungsphysiologisches Problem, sondern ein Problem der Gesamtgesellschaft. Vom Deutschen Ärztetag muss die Forderung ausgehen, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um diesem Problem zu begegnen.

Ich möchte den Vorstandsantrag unterstützen, der mir in sehr vielen Passagen sehr gut gefällt. Die anderen Anträge, die vorliegen, betreffen jeweils andere Probleme. Ich bitte Sie herzlich, dass wir hier auf dem Deutschen Ärztetag durch die Annahme dieser Anträge ein Zeichen für die Umsetzung präventiver Maßnahmen im Sinne unserer Kinder und Jugendlichen in Deutschland setzen.

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall - Zurufe)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Kunze. - Eine Bemerkung zum Antrag 19. Die Bundesministerien für Gesundheit und für Ernährung sind Teile der Bundesregierung. Deshalb muss entweder von der Bundesregierung die Rede sein oder es müssen beide Ministerien aufgeführt sein; die Addition von "Bundesministerien" und "Bundesregierung" ist nicht korrekt.

Ich denke, wir werden jetzt keine Weiterbildungsdebatte mehr führen, denn wir sind beim Thema Kinder- und Jugendgesundheit, nicht bei der Novellierung der Weiterbildungsordnung.

(Beifall)

Es ist der Antrag gestellt worden, die Redezeit auf drei Minuten zu begrenzen. Ich frage, ob jemand dagegensprechen möchte.

(Zuruf)

- Fünf Minuten?

(Zurufe)

- Nein, drei Minuten. Wir stimmen zunächst über drei Minuten ab. Wer möchte die Redezeit auf drei Minuten begrenzen? - Viele. Wer möchte das nicht? - Weniger. Wer enthält sich? - Dann ist die Begrenzung der Redezeit auf drei Minuten beschlossen.

Es tut mir leid, aber als erste Rednerin betrifft es Gräfin Vitzthum. Wir kennen das ja bereits von gestern.

© Bundesärztekammer 2007