TOP III: Kindergesundheit in Deutschland

Mittwoch, 16. Mai 2007, Nachmittagssitzung

San.-Rat Dr. Gadomski, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich spreche zum Antrag III-5 betreffend die Einführung von zentralen Screeningstellen. Das Saarland hat als erstes Bundesland eine zentrale Screeningstelle für Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern eingerichtet. Durch diese Screeningstelle, in welcher die Daten des saarländischen Einwohnermeldeamts und die Daten der Kinder- und Jugendärzte zusammenlaufen, ist es nun möglich, Erziehungsberechtigte an die Früherkennungsuntersuchung zu erinnern. Durch den täglichen Abgleich der Daten können die Mitarbeiter der Stelle feststellen, welche Kinder noch nicht zur jeweiligen Früherkennungsuntersuchung U 1 bis U 9 gegangen sind. Diese Untersuchungen zur Früherkennung sind im Gesetz zum Schutze von Kindern vor Vernachlässigung, Missbrauch und Misshandlung vorgeschrieben.

Wenn die Mitarbeiter der Screeningstelle feststellen, dass ein Kind eine Untersuchung verpasst hat, werden die Sorgeberechtigten zunächst angeschrieben und darum gebeten, innerhalb der nächsten zwei Wochen zum Kinder- und Jugendarzt zu gehen und das Kind untersuchen zu lassen. Wenn nach 14 Tagen noch keine Untersuchung stattgefunden hat, wird das zuständige Gesundheitsamt informiert. Das Gesundheitsamt bemüht sich dann, mit den Eltern Kontakt aufzunehmen.

Erst in dritter Instanz wird das Jugendamt aktiv.

Bei diesem Projekt geht es in erster Linie um Helfen und nicht um Bestrafen. Wir wollen die Eltern nicht bestrafen, sondern konkrete Hilfe anbieten. Deshalb müssen Risikofamilien rechtzeitig ermittelt werden, damit Unterstützung und Hilfe gewährt werden können.

Besonders wichtig ist es, die Früherkennungsuntersuchung ab dem sechsten Lebensmonat zu kontrollieren, denn ab U 5 nimmt die Teilnehmerquote drastisch ab und fällt unter 70 Prozent.

Es ist Aufgabe des Staates, darüber zu wachen, ob Eltern ihre Pflegepflicht gegenüber ihren Kindern wahrnehmen. Oft werden die Zeichen von Vernachlässigung und Misshandlung von niemandem registriert. So wurden im Jahre 2000  15 500 Fälle von sexuellem Missbrauch und 7 500 Fälle von Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung bei Kindern erfasst.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen müssen uns, aber auch die verantwortlichen Politiker in Bund und Land wachrütteln. Es ist daher höchste Zeit, dass auch bundesweit ein solches System etabliert wird. Die saarländische Lösung kann hier für andere Länder Vorbild sein.

Ich darf Sie daher bitten: Stimmen Sie dem Antrag III-5 zu. Fordern Sie Ihre Gesundheitsminister auf, eine solche Screeningstelle in allen Bundesländern einzuführen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Gadomski. Ich gehe davon aus, dass sich Ihre Zahlen nicht nur auf das Saarland beziehen, sondern bundesweit gelten. - Das Wort hat jetzt Herr Dr. Josten aus Nordrhein.

© Bundesärztekammer 2007