TOP III: Kindergesundheit in Deutschland

Mittwoch, 16. Mai 2007, Nachmittagssitzung

Dr. Kalz, Brandenburg: Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe hier als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Meine Frau leitet das sozialpädiatrische Zentrum in unserer Stadt. Wir sind beide "Überzeugungstäter".

Ich möchte mit einer positiven Botschaft beginnen. In Brandenburg gibt es ein vom Ministerium moderiertes Projekt "Gesund aufwachsen in Brandenburg". Im Spreewaldgebiet gibt es ein von der regionalen Kinderklinik angestoßenes Projekt für Neugeborene und ihre Familien, in das Ehrenamtler einbezogen sind, die diese Familien aufsuchen und den Eltern unter Umständen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Jetzt möchte ich etwas Wasser in den Wein gießen. Bei uns im Nordwesten Brandenburgs war die zweite ärztliche Stelle im sozialpädiatrischen Zentrum monatelang nicht zu besetzen. Die Chefarztstelle der regionalen Kinderklinik war über ein Jahr lang nicht besetzt. Der öffentliche Gesundheitsdienst hat Stellenprobleme. Eine Konkurrenzsituation zu den Hausärzten gibt es bei uns nicht, denn die Hausärzte sind noch knapper als die Kinderärzte. Wir haben nur noch drei geschlossene Versorgungsbereiche in Brandenburg; alle anderen sind für Hausärzte geöffnet.

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie will ich hier nicht vernachlässigen, aber sie existiert praktisch nur an den kinderpsychiatrischen Kliniken. Die Kapazität für die kurative Medizin, die Vorsorgeuntersuchungen und die Impfprogramme, reicht noch aus. Aber wo ist die Kapazität für das Herausfinden gefährdeter Familien? Das ist doch kein Abfallprodukt der ärztlichen Tätigkeit. Woher soll die Kapazität für die aufsuchende Betreuung kommen?

Die pädiatrische Versorgung konzentriert sich schon auf die mittleren Städte, ab etwa 20.000 bis 30.000 Einwohnern. Fehrbellin, Rheinsberg und Umgebung sind pädiatriefreie Zonen.

Es ist doch mehr als eine naive Vorstellung, die uns gestern präsentiert wurde, dass die behandelnden Kinderärzte systematisch die Hausbesuche machen und dort das familiäre Umfeld studieren. Die Überschrift der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von heute: "Ärzte in Sorge um das Gesundheitswesen" kann man dahin gehend interpretieren: Die Zukunftsszenarien, die wir hier entwerfen, sind in einigen Regionen Deutschlands schon Gegenwart.

Ich möchte hier nicht als Pessimist vom Rednerpult gehen. Aber nur mit gut gemeinten Appellen werden wir die zunehmende Ökonomisierung, Bürokratisierung und den Sparwahn nicht besiegen und auch nicht den Kinderschutz verbessern können. Kinder brauchen nicht nur die Ressourcen der Familie, sondern sie brauchen auch gesellschaftliche Ressourcen. Sonst können wir dies hier sozusagen vergessen.

Danke.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Kalz. - Als nächster Redner Herr Kollege Fleischmann aus Rheinland-Pfalz.

© Bundesärztekammer 2007