Merchel, Westfalen-Lippe: Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Gesundheit der Kinder ist ein gesellschaftliches
Problem. Es ist nicht primär ein medizinisches Problem. Das hat Herr Peters
eben dargestellt. Wir müssen den Kindern ein normales Leben vorleben.
Der Staat hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten aus
der Gesundheitsfürsorge herausgeschlichen. Ich weiß noch, dass ich mit meiner
Mutter und meinen Geschwistern regelmäßig zur Mütterberatung gegangen bin. Dort
wurde der Impfschutz überprüft, es wurde aufgeklärt. Das gibt es schon lange
nicht mehr.
Meine ältere Tochter wurde noch gegen Röteln geimpft, bei der
zweiten Tochter war es schon nicht mehr der Fall. Dafür interessiert sich
niemand mehr. Im Nachbarort gibt es eine Masernepidemie, aber die Schulen
wissen nicht einmal, ob die Kinder geschützt sind oder nicht. Sie wissen auch
nicht, ob die Lehrer geimpft sind.
Der Staat hat Hilfsangebote, die es früher gab, längst
abgeschafft. Auch heutzutage werden Gelder für Frauenberatungsstellen und für
misshandelte Kinder eher zusammengestrichen.
Ich denke, wir brauchen mehr Hilfsangebote, die man wahrnehmen
kann, und zwar ohne dass derjenige, der dorthin geht, Konsequenzen und Strafen
zu befürchten hat. Wenn ich als Frauenarzt eine junge Schwangere in
komplizierten Familienverhältnissen behandle, will ich sie nicht anschwärzen,
sodass die Frau Angst hat, das Kind nicht behalten zu können, sondern ich will
ihr Hilfsangebote unterbreiten. Diese aber gibt es fast nicht. Ich weiß gar
nicht, wohin ich sie zur weiteren Betreuung schicken soll. Das fehlt. Hier geht
es primär um eine staatliche und nicht um eine medizinische Aufgabe.
Hier liegen uns 38 Anträge vor. Die meisten dieser Anträge
enthalten in meinen Augen den Ruf nach einer Staatsmedizin. Im letzten Jahr
sind wir auf die Straße gegangen und haben gegen die Staatsmedizin protestiert;
jetzt fordern wir eine Impfpflicht, eine Vorsorgepflicht, eine
Kontrollüberwachung der Ärzte. Das ist nach meiner Auffassung mit einer
freiheitlichen Gesellschaftsordnung nicht zu vereinbaren. Ansonsten ist der
Wunsch des Menschen das oberste Gebot. Bei der Sterbehilfe, bei der
Transplantation sprechen wir davon, aber hier muss der Staat auf einmal wieder
eingreifen. Ich denke, wir sollten den Staat fordern. Er hat das Geld dafür.
Wir sollten unsere Kompetenz einbringen, aber in diesem Bereich nicht nach der Staatsmedizin
rufen.
Danke schön.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke. Ich
denke, darauf werden die Herren Referenten noch eingehen. Es ist ein
Unterschied, ob Staatsmedizin oder staatliche Vorgaben durch eine durch Ärzte
zu praktizierende Medizin gemeint sind. Aber das wird gleich noch
auszudiskutieren sein. - Der nächste Redner ist Herr Dr. Kalz aus Brandenburg.
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