Prof. Dr. Braun, Berlin: Sehr verehrter Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was in den
letzten zehn Jahren mit dem Fachgebiet Allgemeinmedizin in der Bundesrepublik
Deutschland passiert ist, ist eine Geschichte, die vielleicht im
Verschönerungsspiegel der Erinnerung einmal dem Hornberger Schießen zugeordnet
wird, wenn noch ausreichend Humor der Betroffenen besteht. Vor zehn Jahren, zum
100. Deutschen Ärztetag, erfolgte in Eisenach mit großer Mehrheit der Beschluss
zur fünfjährigen strukturierten Weiterbildung in Allgemeinmedizin. Nur kurz war
der Aufschwung. Vor fünf Jahren wurde der Doppelfacharzt Innere
Medizin/Allgemeinmedizin in Rostock konstruiert, der weltweit seinesgleichen
sucht. Ich habe mich damals dagegen ausgesprochen und wurde als Kassandra an
die Wand genagelt.
Der Demokratie folgend, haben wir uns diszipliniert und in
Berlin mit engagierten InternistInnen eine relativ gute Weiterbildung mit
obligater Chirurgie und Intensivmedizin etabliert. Dafür wurden wir gerügt -
wie viele andere Ärztekammern der Länder auch, weil sie versuchten,
Optimierungen dieses neuen Doubles zu kreieren. Dass diese verschiedenen
Versuche nicht uns, sondern das unausgegorene Anliegen selbst
disqualifizierten, wurde nicht zur Kenntnis genommen.
Inzwischen sind fünf Jahre vergangen; wir stehen vor einem
Scherbenhaufen. Wenn man in der Weiterbildungsordnung das Fach Allgemeinmedizin
sucht, schlägt man unter A vergebens nach, sondern man wird dieses große Fachgebiet
der Grundbetreuung als Subgruppe der Internie finden. An einigen Universitäten
haben zweitklassige Internisten der Allgemeinmedizin den Lehrstuhl weggenommen,
für Studierende ist die Identität der Allgemeinmedizin fragwürdig,
Assistenzärzte schwanken zwischen drei Weiterbildungsordnungen.
Nun abermals eine Veränderung. Der Kompromiss wird gekippt -
aufjubeln, bestünde jetzt doch die Möglichkeit, die Inhalte der
Allgemeinmedizin neu zu bedenken. Inzwischen ist aber eine Eigendynamik
eingetreten, die nach Eisenach nicht zurückkehren lässt. Verlässlichkeit ist
für mich eine der wichtigsten ärztlichen Eigenschaften und unabdingbar für
unsere Profession.
Der internistische Kompromisspartner hätte sich vor Rostock
über die Konsequenzen klar sein müssen. Wir haben trotz relevanter
Patientenanliegen die obligate Chirurgie- und Pädiatrieweiterbildungszeit
hergeben müssen. Mittlerweile fürchte ich auch um internistische
Weiterbildungsstellen in den Krankenhäusern für unsere jungen Kollegen; denn es
wurde uns angedroht, wenn wir nicht dem allgemeinmedizinischen Internisten
zustimmten, bekämen wir diese Stellen nicht mehr.
Ich habe große Bedenken hinsichtlich der Weiterentwicklung
unseres Faches. Noch mehr fürchte ich für unsere Patienten, die hoch
qualifizierte und breitgefächerte Allgemeinmediziner verdient hätten.
Danke.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke, Frau
Braun. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Handrock aus Berlin.
(Zuruf: Zur Geschäftsordnung!)
- Auch Geschäftsordnungsanträge müssen eigentlich schriftlich
eingehen. Ich habe Herrn Handrock bereits aufgerufen. Nach seiner Wortmeldung
werden wir den Geschäftsordnungsantrag behandeln. Bitte, Herr Handrock.
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