Dr. Joas, Bayern: Verehrtes Präsidium! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu unserem Antrag 16 sprechen, der Ihnen
vorliegt. Wir haben für unseren Entschließungsantrag 16 auf der
Eröffnungsveranstaltung eine unerwartete Steilvorlage erhalten, als der mit der
Paracelsus-Medaille geehrte Kollege Müller-Oerlinghausen an uns appellierte,
wir sollten uns für eine freie Forschung engagieren und uns der Beeinflussung
durch - wie er es nannte - "Big Pharma" bewusst sein.
Von der KVB wurde uns allen vor einigen Monaten das Diagramm,
das Sie auf der Leinwand sehen können, übermittelt. Sie alle haben Zugang zu
diesen Zahlen; Sie kennen das. Sie sehen, wie die Ausgaben im Krankenhaus
während der letzten 36 Jahre gestiegen sind. Jeder wird sagen: Das ist klar,
das ist durch zunehmendes Alter und verstärkte Forschung zu begründen. Die Ausgaben
für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel liegen konstant bei 2,5 bis 3,5 Prozent. Sie
sind auch deutlich angestiegen. Auch hier würde man das Alter und die Fortschrittsspirale
als Begründung anführen.
Sehr erstaunlich ist aber, dass die Ausgaben im ambulanten Bereich
zurückgegangen sind. Es werden genau dieselben Patienten mit demselben Alter
und bei gleichem medizinischen Fortschritt behandelt. Trotzdem gehen die diesbezüglichen
Ausgaben zurück.
Ich meine, das ist die Auswirkung einer erfolgreichen
Kostendämpfungspolitik.
Wir sind uns bewusst, dass die Politik ein großes Interesse
daran hat, uns, den Niedergelassenen, Daumenschrauben anzulegen, damit die
Arzneimittelausgaben nicht weiter steigen. Wenn wir auf die Straße gehen und
wegen sinkender Ausgaben für den ambulanten Bereich und wegen für uns in der
Praxis immer höherer Ausgaben und steigender Verantwortung demonstrieren und
erklären, wir wollten von diesen Daumenschrauben befreit werden, dann müssen
wir eine Lösung anbieten, wie die Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbereich zurückgefahren
werden können. In diese Richtung geht mein Vorschlag.
Die Diagramminterpretation können Sie lesen, nämlich dass die
Leitlinienvorgaben durch einen immer engeren Handlungskorridor bei der
Therapieentscheidung geprägt werden.
Die klinische Forschung im Arzneimittelsektor befindet sich in
einer engen Abhängigkeit von den Drittmittelgebern. Das dürfte klar sein.
Gleichzeitig ist eine innovative Forschung ohne diese Drittmittelgeber nicht
mehr durchführbar. Wir dürfen die Drittmittelgeber also nicht nur infrage
stellen, sondern wir müssen auch sagen, dass wir wissen, dass es ohne sie nicht
geht. Der grundsätzliche Interessenkonflikt ist uns auch klar. Er ist immanent.
Für mich ist die entscheidende Erkenntnis: Dieser immanente Konflikt
darf nicht auf dem Rücken der Forscher individualisiert werden. Seit zehn
Jahren gibt es die Erklärung "Conflict of interest". Ich glaube, dieser
Konflikt wird nicht dadurch behoben, indem der einzelne Forscher erklärt, er
sei ganz frei von entsprechenden Einflussnahmen. Das ist er nämlich nicht.
(Vereinzelt Beifall)
Mit dem Erkenntnisdruck der neuesten Studien aus diesem
Drittmittelbereich sind wir Niedergelassenen gezwungen, teure Innovationen zu
verschreiben. Alle, die ihre vierteljährliche Informationsmeldung, die sie von
ihrer KV bekommen, anschauen, kennen die Top-Ausgaben, darunter Plavix,
Agrinox, Aricept und wie sie alle heißen.
Ich möchte Sie auf die englische AD2000-Studie hinweisen,
veröffentlicht im "Lancet" 2004. Es geht um die Alzheimer-Demenz. Wir kennen
die Aussagen der Hersteller, die uns klarmachen wollen, dass bei einer
Langzeitbehandlung die Alltagskompetenz mindestens zwei Jahre länger erhalten
bleibt. Es ist eigenartig, dass man bei der englischen unterstützten
Staatsforschung, die ja nicht ganz ohne Eigeninteresse ist, genau die
Verlängerung dieser Alltagskompetenz nicht bestätigt.
Deshalb müssen wir sehr wohl ein Interesse daran haben, dass
es zukünftig andere Drittmittelgeber gibt, die mit ausreichend hohen
Geldmitteln einsteigen und die Forschung mit unterstützen, und zwar, wie ich
meine, in die richtige Richtung unterstützen. Im Antrag V-16 sind drei Fragen
aufgeführt, die ich jetzt nicht wiederholen möchte. Ich glaube, es ist ganz
wichtig, die Versorgungsforschung zu unterstützen, der jetzt sicher noch die
Geldmittel fehlen. Das war ja unsere Skepsis vor zwei Jahren, als die
Versorgungsforschung gefordert wurde, dass man mit den lächerlich geringen
Geldmitteln, die zudem noch aus unseren Taschen kommen, viel zu wenig erreichen
kann. Die Versorgungsforschung im Rahmen einer Expertise sollte es schaffen,
den Drittmittelgebern klarzumachen, dass eine vernünftige Versorgungsforschung
riesige Summen Geldes spart. Wenn eine Krankenkasse pro Jahr einen
Milliardenbetrag sparen kann, weil ein bestimmtes Medikament nicht in die
Leitlinien aufgenommen wird - oder nur mit großen Einschränkungen -, dann
müsste es doch möglich sein, die Krankenkassen davon zu überzeugen, einige
Millionen zu geben, um mit einer gezielten und fundierten Forschung
entsprechend gute Ergebnisse zu erzielen.
Ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr Kollege Joas. - Als nächster Redner hat sich jetzt Herr Stöckle,
ebenfalls aus Bayern, zu Wort gemeldet.
|