TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 18. Mai 2007, Vormittagssitzung

Dr. Joas, Bayern: Verehrtes Präsidium! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu unserem Antrag 16 sprechen, der Ihnen vorliegt. Wir haben für unseren Entschließungsantrag 16 auf der Eröffnungsveranstaltung eine unerwartete Steilvorlage erhalten, als der mit der Paracelsus-Medaille geehrte Kollege Müller-Oerlinghausen an uns appellierte, wir sollten uns für eine freie Forschung engagieren und uns der Beeinflussung durch - wie er es nannte - "Big Pharma" bewusst sein.

Von der KVB wurde uns allen vor einigen Monaten das Diagramm, das Sie auf der Leinwand sehen können, übermittelt. Sie alle haben Zugang zu diesen Zahlen; Sie kennen das. Sie sehen, wie die Ausgaben im Krankenhaus während der letzten 36 Jahre gestiegen sind. Jeder wird sagen: Das ist klar, das ist durch zunehmendes Alter und verstärkte Forschung zu begründen. Die Ausgaben für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel liegen konstant bei 2,5 bis 3,5 Prozent. Sie sind auch deutlich angestiegen. Auch hier würde man das Alter und die Fortschrittsspirale als Begründung anführen.

Sehr erstaunlich ist aber, dass die Ausgaben im ambulanten Bereich zurückgegangen sind. Es werden genau dieselben Patienten mit demselben Alter und bei gleichem medizinischen Fortschritt behandelt. Trotzdem gehen die diesbezüglichen Ausgaben zurück.

Ich meine, das ist die Auswirkung einer erfolgreichen Kostendämpfungspolitik.

Wir sind uns bewusst, dass die Politik ein großes Interesse daran hat, uns, den Niedergelassenen, Daumenschrauben anzulegen, damit die Arzneimittelausgaben nicht weiter steigen. Wenn wir auf die Straße gehen und wegen sinkender Ausgaben für den ambulanten Bereich und wegen für uns in der Praxis immer höherer Ausgaben und steigender Verantwortung demonstrieren und erklären, wir wollten von diesen Daumenschrauben befreit werden, dann müssen wir eine Lösung anbieten, wie die Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbereich zurückgefahren werden können. In diese Richtung geht mein Vorschlag.

Die Diagramminterpretation können Sie lesen, nämlich dass die Leitlinienvorgaben durch einen immer engeren Handlungskorridor bei der Therapieentscheidung geprägt werden.

Die klinische Forschung im Arzneimittelsektor befindet sich in einer engen Abhängigkeit von den Drittmittelgebern. Das dürfte klar sein. Gleichzeitig ist eine innovative Forschung ohne diese Drittmittelgeber nicht mehr durchführbar. Wir dürfen die Drittmittelgeber also nicht nur infrage stellen, sondern wir müssen auch sagen, dass wir wissen, dass es ohne sie nicht geht. Der grundsätzliche Interessenkonflikt ist uns auch klar. Er ist immanent.

Für mich ist die entscheidende Erkenntnis: Dieser immanente Konflikt darf nicht auf dem Rücken der Forscher individualisiert werden. Seit zehn Jahren gibt es die Erklärung "Conflict of interest". Ich glaube, dieser Konflikt wird nicht dadurch behoben, indem der einzelne Forscher erklärt, er sei ganz frei von entsprechenden Einflussnahmen. Das ist er nämlich nicht.

(Vereinzelt Beifall)

Mit dem Erkenntnisdruck der neuesten Studien aus diesem Drittmittelbereich sind wir Niedergelassenen gezwungen, teure Innovationen zu verschreiben. Alle, die ihre vierteljährliche Informationsmeldung, die sie von ihrer KV bekommen, anschauen, kennen die Top-Ausgaben, darunter Plavix, Agrinox, Aricept und wie sie alle heißen.

Ich möchte Sie auf die englische AD2000-Studie hinweisen, veröffentlicht im "Lancet" 2004. Es geht um die Alzheimer-Demenz. Wir kennen die Aussagen der Hersteller, die uns klarmachen wollen, dass bei einer Langzeitbehandlung die Alltagskompetenz mindestens zwei Jahre länger erhalten bleibt. Es ist eigenartig, dass man bei der englischen unterstützten Staatsforschung, die ja nicht ganz ohne Eigeninteresse ist, genau die Verlängerung dieser Alltagskompetenz nicht bestätigt.

Deshalb müssen wir sehr wohl ein Interesse daran haben, dass es zukünftig andere Drittmittelgeber gibt, die mit ausreichend hohen Geldmitteln einsteigen und die Forschung mit unterstützen, und zwar, wie ich meine, in die richtige Richtung unterstützen. Im Antrag V-16 sind drei Fragen aufgeführt, die ich jetzt nicht wiederholen möchte. Ich glaube, es ist ganz wichtig, die Versorgungsforschung zu unterstützen, der jetzt sicher noch die Geldmittel fehlen. Das war ja unsere Skepsis vor zwei Jahren, als die Versorgungsforschung gefordert wurde, dass man mit den lächerlich geringen Geldmitteln, die zudem noch aus unseren Taschen kommen, viel zu wenig erreichen kann. Die Versorgungsforschung im Rahmen einer Expertise sollte es schaffen, den Drittmittelgebern klarzumachen, dass eine vernünftige Versorgungsforschung riesige Summen Geldes spart. Wenn eine Krankenkasse pro Jahr einen Milliardenbetrag sparen kann, weil ein bestimmtes Medikament nicht in die Leitlinien aufgenommen wird - oder nur mit großen Einschränkungen -, dann müsste es doch möglich sein, die Krankenkassen davon zu überzeugen, einige Millionen zu geben, um mit einer gezielten und fundierten Forschung entsprechend gute Ergebnisse zu erzielen.

Ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Kollege Joas. - Als nächster Redner hat sich jetzt Herr Stöckle, ebenfalls aus Bayern, zu Wort gemeldet.

© Bundesärztekammer 2007