Dr. Brunngraber, Niedersachsen: Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Beginn meiner ärztlichen Ausbildung kenne
ich das Argument von oben, dass wir zu emotional seien, dass wir unsachlich
seien, dass wir erst einmal objektiv werden sollten. Die ärztliche Arbeit ist
aber nicht aus der nackten Objektivität heraus zu leisten, sondern aus einer
gereiften und erwachsen gewordenen Integration von subjektiven und objektiven
Persönlichkeitsanteilen. Es ist ein Killerargument, dass wir zu emotional sind,
dass wir hochfahren. Das sollte eigentlich unter anständigen Kollegen gar nicht
mehr gebracht werden.
Es wird argumentiert, wir könnten uns dem Fortschritt nicht
verweigern. Ich sage nur: Turmbau zu Babel. Wir kennen die Leute nicht, die
gesagt haben: Wir wollen ihn nicht bauen. Ich denke, das Argument, wir könnten
uns dem Fortschritt nicht verweigern, wäre das absolute Insolvenzargument der
Ärzteschaft.
Die nicht ärztlichen Player in diesem Spiel argumentieren
immer damit: Auch eure Ärzte haben dies hier TÜV-geprüft, ihr könnt es
mitmachen, eure Ärzte sagen Ja dazu. Das ist die historische Verantwortung.
Zu meinem Vorredner möchte ich sagen: Sie haben hier - das ist
ja ins Protokoll aufgenommen worden - eine Garantie gehört hinsichtlich 32 und
128 Bit. Ich möchte in zehn Jahren das Protokoll hervorholen und schauen, was
von dieser - wenn es haltbar wäre - erfreulichen Garantie noch zu halten ist.
Das kann überhaupt keiner halten; entschuldigen Sie bitte. Schecks müssen gedeckt
sein.
(Beifall)
Zur Einflussnahme: Auch Liechtenstein konnte sich am Irakkrieg
beteiligen, um sich auch bei der NATO-Planung Einfluss zu sichern. Welche
Selbstüberheblichkeit der momentan mit dem Rücken an der Wand stehenden
Ärzteschaft ist dieses hier! Wenn das im Gesetz steht, gibt es für uns keine
andere Möglichkeit, als zivilen Ungehorsam auszuüben. Es ist doch unglaublich,
das als Fundamentalopposition hinzustellen. Wenn wir bei innerärztlichen Konflikten
anderer Meinung sind - Sterbehilfe usw. -, dann gibt es sicherlich die Frage
von Pragmatismus und Fundamentalopposition. Aber hier geht es um das Verhältnis
der Ärzteschaft nach außen. Das ist Außenpolitik, keine Fundamentalgeschichte.
Wir sind dabei, zentrale Anteile ärztlicher Interessen zu verraten.
Wir haben vor Kurzem ein sehr anrührendes Zitat von Astrid
Lindgren gehört. Ich möchte als jemand, der nicht nur Arzt ist, sondern auch
Kulturgüter zu sich nimmt, Folgendes sagen. Angesichts der demografischen
Situation hier im Saal gehe ich davon aus, dass viele den Film "Rosemary's
Baby" kennen, bei dem die zukünftige Mutter nicht weiß, dass ihr ein
Teufelsbaby in den Bauch gepflanzt wurde. Sie soll eine normale Schwangerschaft
durchziehen. Ich bitte Sie bei diesem Projekt um die Amniozentese. Wir müssen
schauen, was uns in der Praxis implantiert wird.
Die Klinikärzte verstehen nicht unsere realen Sorgen unter dem
Kostenaspekt, wenn das auch nicht zentral ist. Ich bitte die Klinikärzte: Seien
Sie gute Kolleginnen und Kollegen, gute Schwestern und Brüder auch der
Niedergelassenen. Akzeptieren Sie mit einem gewissen Vertrauensvorschuss auch
unsere Aspekte. Wir sind uneigennützige treuhänderische Verwalter der
Geheimnisse unserer Patienten. In der Klinik herrscht eine andere Situation.
Wir müssen zusammenarbeiten. Wir schätzen Sie auch sehr. Von meinen 30
Berufsjahren war ich zehn Jahre Krankenhausarzt. Ich bitte die Klinikärzte,
unsere besonderen und dennoch identischen Probleme auch in diesem Zusammenhang zu
verstehen und diesen Tagesordnungspunkt nicht vielleicht unter "ferner liefen"
abzuhandeln.
Ich denke, hier geht es um ein solch wichtiges Zukunftsthema,
dass ich die Bitte an den Vorstand habe, dieses Thema nicht endgültig von der
Tagesordnung der deutschen Ärzteschaft abzusetzen.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Es ist ja
bei diesem Thema völlig unmöglich, zu sagen, der 110. Deutsche Ärztetag habe
sich letztmalig mit der Elektronik im Gesundheitswesen befasst. Das ist erst der
Anfang.
(Beifall)
Das Wort hat nun Frau Dr. Wenker, die Präsidentin der
Landesärztekammer Niedersachsen. Bitte schön.
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