TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 18. Mai 2007, Vormittagssitzung

Dr. Brunngraber, Niedersachsen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Beginn meiner ärztlichen Ausbildung kenne ich das Argument von oben, dass wir zu emotional seien, dass wir unsachlich seien, dass wir erst einmal objektiv werden sollten. Die ärztliche Arbeit ist aber nicht aus der nackten Objektivität heraus zu leisten, sondern aus einer gereiften und erwachsen gewordenen Integration von subjektiven und objektiven Persönlichkeitsanteilen. Es ist ein Killerargument, dass wir zu emotional sind, dass wir hochfahren. Das sollte eigentlich unter anständigen Kollegen gar nicht mehr gebracht werden.

Es wird argumentiert, wir könnten uns dem Fortschritt nicht verweigern. Ich sage nur: Turmbau zu Babel. Wir kennen die Leute nicht, die gesagt haben: Wir wollen ihn nicht bauen. Ich denke, das Argument, wir könnten uns dem Fortschritt nicht verweigern, wäre das absolute Insolvenzargument der Ärzteschaft.

Die nicht ärztlichen Player in diesem Spiel argumentieren immer damit: Auch eure Ärzte haben dies hier TÜV-geprüft, ihr könnt es mitmachen, eure Ärzte sagen Ja dazu. Das ist die historische Verantwortung.

Zu meinem Vorredner möchte ich sagen: Sie haben hier - das ist ja ins Protokoll aufgenommen worden - eine Garantie gehört hinsichtlich 32 und 128 Bit. Ich möchte in zehn Jahren das Protokoll hervorholen und schauen, was von dieser - wenn es haltbar wäre - erfreulichen Garantie noch zu halten ist. Das kann überhaupt keiner halten; entschuldigen Sie bitte. Schecks müssen gedeckt sein.

(Beifall)

Zur Einflussnahme: Auch Liechtenstein konnte sich am Irakkrieg beteiligen, um sich auch bei der NATO-Planung Einfluss zu sichern. Welche Selbstüberheblichkeit der momentan mit dem Rücken an der Wand stehenden Ärzteschaft ist dieses hier! Wenn das im Gesetz steht, gibt es für uns keine andere Möglichkeit, als zivilen Ungehorsam auszuüben. Es ist doch unglaublich, das als Fundamentalopposition hinzustellen. Wenn wir bei innerärztlichen Konflikten anderer Meinung sind - Sterbehilfe usw. -, dann gibt es sicherlich die Frage von Pragmatismus und Fundamentalopposition. Aber hier geht es um das Verhältnis der Ärzteschaft nach außen. Das ist Außenpolitik, keine Fundamentalgeschichte. Wir sind dabei, zentrale Anteile ärztlicher Interessen zu verraten.

Wir haben vor Kurzem ein sehr anrührendes Zitat von Astrid Lindgren gehört. Ich möchte als jemand, der nicht nur Arzt ist, sondern auch Kulturgüter zu sich nimmt, Folgendes sagen. Angesichts der demografischen Situation hier im Saal gehe ich davon aus, dass viele den Film "Rosemary's Baby" kennen, bei dem die zukünftige Mutter nicht weiß, dass ihr ein Teufelsbaby in den Bauch gepflanzt wurde. Sie soll eine normale Schwangerschaft durchziehen. Ich bitte Sie bei diesem Projekt um die Amniozentese. Wir müssen schauen, was uns in der Praxis implantiert wird.

Die Klinikärzte verstehen nicht unsere realen Sorgen unter dem Kostenaspekt, wenn das auch nicht zentral ist. Ich bitte die Klinikärzte: Seien Sie gute Kolleginnen und Kollegen, gute Schwestern und Brüder auch der Niedergelassenen. Akzeptieren Sie mit einem gewissen Vertrauensvorschuss auch unsere Aspekte. Wir sind uneigennützige treuhänderische Verwalter der Geheimnisse unserer Patienten. In der Klinik herrscht eine andere Situation. Wir müssen zusammenarbeiten. Wir schätzen Sie auch sehr. Von meinen 30 Berufsjahren war ich zehn Jahre Krankenhausarzt. Ich bitte die Klinikärzte, unsere besonderen und dennoch identischen Probleme auch in diesem Zusammenhang zu verstehen und diesen Tagesordnungspunkt nicht vielleicht unter "ferner liefen" abzuhandeln.

Ich denke, hier geht es um ein solch wichtiges Zukunftsthema, dass ich die Bitte an den Vorstand habe, dieses Thema nicht endgültig von der Tagesordnung der deutschen Ärzteschaft abzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Es ist ja bei diesem Thema völlig unmöglich, zu sagen, der
110. Deutsche Ärztetag habe sich letztmalig mit der Elektronik im Gesundheitswesen befasst. Das ist erst der Anfang.

(Beifall)

Das Wort hat nun Frau Dr. Wenker, die Präsidentin der Landesärztekammer Niedersachsen. Bitte schön.

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