TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 18. Mai 2007, Vormittagssitzung

Dr. Bartmann, Vorstand der Bundesärztekammer: Das war ein anstrengender, aber auch fast erwarteter Verlauf der Debatte. Ich sehe meine Erwartungen, die ich in meinem Vortrag geäußert habe, nur teilweise erfüllt. Ich hatte ja versucht, den aktuellen Stand, was also bereits Beschlusslage ist, wiederzugeben. Ich habe mir bewusst Aussagen dazu versagt, wie man sich den weiteren Fortgang vorstellen kann. Natürlich kann man sich in zukünftigen Visionen ergehen. Wir können heute keine neuen technologischen Lösungen finden. Wir müssen daran allerdings mitarbeiten. Dass als Ergebnis der Memorystick herauskommt, ist ja möglich. Ich bin Rudolf Henke sehr dankbar, weil er als geübter Parlamentsredner sehr viel präziser und sehr viel genauer wiedergegeben hat, um was es geht. Herr Steininger, ich muss Ihnen leider widersprechen: Wenn wir sagen, wir machen nicht mit, lacht sich die IT-Industrie ins Fäustchen. Dort wartet man darauf, dass man uns als Störfaktor bezeichnen kann, der bisher verhindert hat, dass alles glatt durch die Instanzen geht.

Teilweise wurde hier verbalisiert: Jetzt sind wir vier Tage brav gewesen, nun müssen wir ein politisches Signal setzen. Das Projekt elektronische Gesundheitskarte ist nicht der geeignete Anlass, sich störrisch zu zeigen. Ich möchte auch Herrn Eyrich widersprechen: Ich meine, in unserem Vorstandsantrag steht sehr deutlich, wo unsere Bedenken liegen. Ich sehe nicht viel, was über diesen Antrag hinausgeht und zu einer kompletten Ablehnung führen könnte. Wir evaluieren nach den Testversuchen und entscheiden dann, ob wir an diesem Projekt überhaupt weiter mitarbeiten. Es ist im Vorstandsantrag doch mehrfach ausgeführt, dass von dieser Evaluation abhängig ist, ob wir uns diesem Projekt weiterhin anschließen können.

Ich möchte den Antrag 110 auf jeden Fall unterstützen. Lassen Sie uns bitte die Zeit, dass wir in Ulm noch immer als Teilnehmer an diesem Projekt differenziert berichten können, wie wir uns das weitere Vorgehen vorstellen. Wir sollten nicht allein als politisches Signal erklären: Jetzt zeigen wir endlich einmal der Politik, wo es langgeht.

Eine ganz persönliche Erklärung am Rande: Die meisten von Ihnen wissen eventuell nicht, dass ich Flensburger bin. Ich bin Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, arbeite aber in Flensburg. Es ist kein Zufall, dass die Flensburger Kollegen seit 1999 an diesem Projekt der Vernetzung über die
elektronische Gesundheitskarte arbeiten. Es ist kein Zufall, dass die Blaupause, die § 291 a zugrunde liegt, dem ziemlich nahekommt, was die Flensburger vier Jahre lang durchgeführt haben. Ich war Zeitzeuge, als 2002 Ulla Schmidt Gesundheitsministerin war und keiner glaubte - außer ihr selbst -, dass sie es auch im nächsten Jahr noch sein würde, und zwar nicht wegen ihrer Person, sondern wegen der Partei, der sie angehört.

Mittlerweile hat das Ganze eine eigene Dynamik entwickelt, auch dadurch, dass Erkenntnisse gewonnen wurden. Es wäre völlig falsch, den Eindruck zu erwecken, das sei etwas, was von der Politik allen übergestülpt wird. Es ist kein Zufall, dass die Flensburger das gemacht haben, denn in Dänemark und Schweden läuft das Ganze zur großen Zufriedenheit der dort tätigen Ärztinnen und Ärzte sowohl in der Praxis als auch in der Klinik. Manche von Ihnen haben vielleicht die Meldung gelesen, dass durch die elektronische Vernetzung eine Zeitersparnis in der Praxis von 30 Stunden zu verzeichnen sei. Dass man dort schon so weit ist, hat den Grund, dass das Grundvertrauen der dort tätigen Ärzte in den Staat größer ist als bei uns. Auch der Datenschutz ist einfach nicht so anspruchsvoll. In Dänemark kann man über die persönliche Identifikationsnummer Echtdaten abfragen. Niemand hat sich Gedanken darüber gemacht, dass Missbrauch mit diesen Daten getrieben werden könnte. Ähnlich ist es in Schweden.

Ich muss allerdings sagen: Wir sind sehr spät in diese Entwicklung eingestiegen. Schweden hat 1983, als die Informationstechnologie gerade im Kommen war, damit begonnen und hat vor drei Jahren die elektronische Rezeptur eingeführt, und zwar mit derzeit 80 Prozent Beteiligung. Man muss auch darauf schauen, wie sich die Situation dort, wo es bereits praktiziert wird, darstellt.

Der Unterschied zu uns ist der bei uns sehr hohe Anspruch an den Datenschutz. Der Datenschutz erfordert bei uns die elektronische Gesundheitskarte mit diesem Schlüssel. Man muss sagen, was man will und was man nicht will. Die Gesundheitskarte als Werkzeug ist sicher gut, aber wenn das Projekt als solches in die falsche Richtung ginge, würden wir das zu verhindern wissen.

Deshalb bitte ich Sie: Geben Sie uns die Chance, lehnen Sie die Anträge 35 und 97 ab, weil dadurch tatsächlich ein Cut erfolgte, und unterstützen Sie unseren Vorstandsantrag. Alle anderen Anträge sind als Ergänzung sehr wertvoll. Unterstützen Sie vor allem den Antrag 110 von Herrn Scholz, dass wir diese Thematik auf dem nächsten Deutschen Ärztetag nicht unter dem Tagesordnungspunkt "Tätigkeitsbericht" behandeln, sondern als eigenen zentralen Tagesordnungspunkt. Bitte geben Sie uns diese Chance.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

© Bundesärztekammer 2007