Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Wir kommen zum Antrag
V-76 (neu). Gibt es den Wunsch nach einer Gegenrede? - Herr Dr. Koch,
bitte.
Dr. Koch, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auch Weiterbildungsbefugter
für Innere Medizin und Endokrinologie. Die meisten Kolleginnen und Kollegen
wollen nicht nach der Mindestweiterbildungszeit die entsprechende Prüfung
ablegen. Sie warten noch ein halbes Jahr oder ein ganzes Jahr, bis sie zur
Prüfung gehen, warum auch immer. Wir haben unbefristete Verträge; das mag der
Grund sein.
Ich sehe also nicht ein, warum wir hier solche Schwierigkeiten
aufbauen sollten. Was heißt eigentlich: "nur unter besonderen Bedingungen"? Wer
definiert das? Was ist das? Es gibt also doch viele Fragen. Das würde ja auch
dazu führen, dass wir wieder vieles verkomplizieren. Irgendwann kommen wir
dazu, dass wir immer weniger Kolleginnen und Kollegen haben, die die
Weiterbildung als Weiterbildungsbefugte durchführen wollen, weil wir in ein
Schulungssystem übergehen.
Ich bitte Sie, diesen Antrag an den Vorstand zu überweisen,
damit wir die sinnvollen Dinge in den Weiterbildungsgremien abarbeiten und
überlegen, wo man sinnvollerweise eine Anpassung vornehmen kann. In dieser
abstrakten Form, wie es im Antrag steht, wird es nicht machbar sein.
Überweisen Sie den Antrag bitte an den Vorstand, damit wir uns
dort damit befassen können.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank. - Sind die Antragsteller damit möglicherweise vielleicht auch zufrieden?
Möchte dazu jemand sprechen? - Bitte schön, Herr Jäger aus Schleswig-Holstein.
Dr. Jäger, Schleswig-Holstein: Ich spreche mich
dafür aus, über den Antrag abzustimmen. Ich kann den Antrag gut verstehen. Man
kann sicherlich darüber reden, wenn die Weiterbildungszeit um ein halbes Jahr
oder ein Jahr überschritten wird. Man sollte dennoch darüber reden; denn die
Realität ist, dass auch dann, wenn ausreichend Weiterbildungsinhalte oder
genügend Eingriffe vorhanden sind, es so abläuft - das ist jedenfalls in
unserer Klinik so -, dass der Oberarzt mit dem PJler operiert, weil der
Stationsarzt seine Station machen muss. Die Zahl der Eingriffe sagt nichts
darüber aus, was tatsächlich geschieht.
Das alles Dominierende ist die Ökonomie. In unserer Inneren
Abteilung ist es so, dass der Herr Professor eine Koriphäe für Sonografie und
Gastroenterologie ist. Er schreibt Bücher, und seine Studenten müssen durch
Deutschland fahren, um Kurse zu absolvieren. Im Nachtdienst kommen
internistische Assistenten zu mir als Chirurgen und fragen mich, ob ich für sie
einmal einen Ultraschall machen könne, denn das beherrschten sie nicht. So wird
die Weiterbildung der Assistenten abgelehnt, weil man sich aus ökonomischen
Gründen die Weiterbildung nicht leisten kann.
Insofern halte ich diesen Vorschlag für sehr gut, weil man
damit die Weiterbilder in Zugzwang bringt, darzulegen, wieso das an ihrem Haus
nicht geschieht. Herr Dr. Koch, ich meine, wir können gern auf diejenigen
Weiterbilder verzichten, die sich dieser Pflicht nicht stellen. Sie müssten
sogar aktiv entfernt werden.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank.
Das war eine Gegenrede.
(Zuruf)
- Der Überweisungsantrag geht nur abstimmungsmäßig vor,
gegenüber dem materiellen Abstimmungsprozess. Die Wortwechsel dürfen vorher
stattfinden. - Bitte, Herr Lindhorst.
PD Dr. Lindhorst, Hessen: Im gewissen Umfang
verstehe ich die Argumentation von Herrn Koch. Ich will auch gar nicht in
Abrede stellen, dass für 10 oder 20 Prozent - ohne das beweisen zu können
- zutrifft, dass sie sich unter einem laufenden Arbeitsvertrag eine neue Stelle
suchen. Sie haben Angst, durch die Prüfung zu fallen und dann auf der Straße zu
stehen. Das trifft auch in besonderen Konstellationen besonders auf die Frauen
zu.
Warum steht dort "nur unter besonderen Bedingungen"? Der Grund
ist, dass eine Flexibilität zwischen Chef und Angestellten möglich sein soll.
Sonst müsste das dort apodiktisch mit einer anderen Erläuterung stehen. Es ist
durchaus verantwortlich darüber nachgedacht worden, welche Lösungswege wir
beschreiten können.
Ich wundere mich, warum der deutsche Nachwuchs in Länder wie
die Schweiz und den angloamerikanischen Bereich geht, wo alles strukturiert ist
- wir haben ja gerade gelernt, dass wir auf solche
Weiterbildungsstrukturprogramme verzichten sollten -, und meint, dort sei die
Qualität besser.
(Vereinzelt Beifall)
Ich weiß, dass viele deutsche Ordinarien erklären, ein gut
30-jähriger Amerikaner in ähnlicher Position habe keine Qualität. Natürlich ist
man mit 30 Jahren noch kein fertiger Chirurg oder Internist. Die Internisten
haben ja nur eine dreijährige Weiterbildung; aber das ist ein ganz anderes
Thema.
Diese Leute sind in ein lernendes und kollegiales System
eingebunden. Genau das ist bei uns verloren gegangen. Diese Schande der
deutschen Ärzteschaft gegenüber ihrem eigenen Nachwuchs - Herr Montgomery, um
es Ihnen so deutlich zu sagen - wird nicht angepackt. Das ist eine Sauerei!
Sagen Sie das bitte den Leuten auf der Straße, falls diese Ihnen jemals noch
bei einer Demonstration folgen, wenn Sie solche Wege gehen. Entschuldigung, ich
finde das schlimm.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Der ist ja
immer sehr streng!
(Heiterkeit)
Dazu bitte noch einmal Herr Dr. Koch.
Dr. Koch, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, das der Kollege hinsichtlich
der Sonografie gerade vorgetragen hat, kann man mit diesem Antrag nicht lösen.
Hier handelt es sich um ein Problem der Länge der Weiterbildungsbefugnis. Dann
muss ich eben die Weiterbildungsbefugnis der Kammer entsprechend kürzen, wenn
nicht alles in der richtigen Zeit abgeleistet werden kann. Aber mit diesem
Antrag ist es nicht zu lösen.
Wenn Sie sich nicht entschließen können, diesen Antrag an den
Vorstand zu überweisen, muss ich Sie allerdings ganz herzlich bitten, diesen
Antrag abzulehnen. Wir können hier nicht durch einen Spontanantrag grundsätzliche
Dinge der Weiterbildungsordnung einfach ad hoc ändern, die auch noch Auswirkungen
auf die Heilberufegesetze der Kammern haben. Dort steht es teilweise anders,
als hier gefordert wird. Entweder überweisen Sie den Antrag an den Vorstand
oder Sie lehnen ihn ab. Eine andere Lösung kann es nicht geben. Anderenfalls
wäre der Antrag Makulatur. Hier einen Antrag zu beschließen, der nicht
umsetzbar ist, macht keinen Sinn.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. -
Wir treten in die Abstimmungsprozedur ein. Wer möchte den Antrag 76 (neu) an
den Vorstand überweisen? - Wer möchte ihn nicht überweisen? - Das Erste war
klar die Mehrheit. Wer enthält sich? - Der Antrag ist an den Vorstand
überwiesen und wird in den Beratungspool der Weiterbildungsgremien
eingespeist.
Jetzt frage ich Sie, möchten Sie noch eine Pause machen?
(Zurufe: Nein!)
- Nicht; das ist gut. Wir auch nicht.
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