TOP V: Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

Freitag, 18. Mai 2007, Vormittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Wir kommen zum Antrag V-76 (neu). Gibt es den Wunsch nach einer Gegenrede? - Herr Dr. Koch, bitte.

Dr. Koch, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auch Weiterbildungsbefugter für Innere Medizin und Endokrinologie. Die meisten Kolleginnen und Kollegen wollen nicht nach der Mindestweiterbildungszeit die entsprechende Prüfung ablegen. Sie warten noch ein halbes Jahr oder ein ganzes Jahr, bis sie zur Prüfung gehen, warum auch immer. Wir haben unbefristete Verträge; das mag der Grund sein.

Ich sehe also nicht ein, warum wir hier solche Schwierigkeiten aufbauen sollten. Was heißt eigentlich: "nur unter besonderen Bedingungen"? Wer definiert das? Was ist das? Es gibt also doch viele Fragen. Das würde ja auch dazu führen, dass wir wieder vieles verkomplizieren. Irgendwann kommen wir dazu, dass wir immer weniger Kolleginnen und Kollegen haben, die die Weiterbildung als Weiterbildungsbefugte durchführen wollen, weil wir in ein Schulungssystem übergehen.

Ich bitte Sie, diesen Antrag an den Vorstand zu überweisen, damit wir die sinnvollen Dinge in den Weiterbildungsgremien abarbeiten und überlegen, wo man sinnvollerweise eine Anpassung vornehmen kann. In dieser abstrakten Form, wie es im Antrag steht, wird es nicht machbar sein.

Überweisen Sie den Antrag bitte an den Vorstand, damit wir uns dort damit befassen können.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. - Sind die Antragsteller damit möglicherweise vielleicht auch zufrieden? Möchte dazu jemand sprechen? - Bitte schön, Herr Jäger aus Schleswig-Holstein.

Dr. Jäger, Schleswig-Holstein: Ich spreche mich dafür aus, über den Antrag abzustimmen. Ich kann den Antrag gut verstehen. Man kann sicherlich darüber reden, wenn die Weiterbildungszeit um ein halbes Jahr oder ein Jahr überschritten wird. Man sollte dennoch darüber reden; denn die Realität ist, dass auch dann, wenn ausreichend Weiterbildungsinhalte oder genügend Eingriffe vorhanden sind, es so abläuft - das ist jedenfalls in unserer Klinik so -, dass der Oberarzt mit dem PJler operiert, weil der Stationsarzt seine Station machen muss. Die Zahl der Eingriffe sagt nichts darüber aus, was tatsächlich geschieht.

Das alles Dominierende ist die Ökonomie. In unserer Inneren Abteilung ist es so, dass der Herr Professor eine Koriphäe für Sonografie und Gastroenterologie ist. Er schreibt Bücher, und seine Studenten müssen durch Deutschland fahren, um Kurse zu absolvieren. Im Nachtdienst kommen internistische Assistenten zu mir als Chirurgen und fragen mich, ob ich für sie einmal einen Ultraschall machen könne, denn das beherrschten sie nicht. So wird die Weiterbildung der Assistenten abgelehnt, weil man sich aus ökonomischen Gründen die Weiterbildung nicht leisten kann.

Insofern halte ich diesen Vorschlag für sehr gut, weil man damit die Weiterbilder in Zugzwang bringt, darzulegen, wieso das an ihrem Haus nicht geschieht. Herr Dr. Koch, ich meine, wir können gern auf diejenigen Weiterbilder verzichten, die sich dieser Pflicht nicht stellen. Sie müssten sogar aktiv entfernt werden.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank. Das war eine Gegenrede.

(Zuruf)

- Der Überweisungsantrag geht nur abstimmungsmäßig vor, gegenüber dem materiellen Abstimmungsprozess. Die Wortwechsel dürfen vorher stattfinden. - Bitte, Herr Lindhorst.

PD Dr. Lindhorst, Hessen: Im gewissen Umfang verstehe ich die Argumentation von Herrn Koch. Ich will auch gar nicht in Abrede stellen, dass für 10 oder 20 Prozent - ohne das beweisen zu können - zutrifft, dass sie sich unter einem laufenden Arbeitsvertrag eine neue Stelle suchen. Sie haben Angst, durch die Prüfung zu fallen und dann auf der Straße zu stehen. Das trifft auch in besonderen Konstellationen besonders auf die Frauen zu.

Warum steht dort "nur unter besonderen Bedingungen"? Der Grund ist, dass eine Flexibilität zwischen Chef und Angestellten möglich sein soll. Sonst müsste das dort apodiktisch mit einer anderen Erläuterung stehen. Es ist durchaus verantwortlich darüber nachgedacht worden, welche Lösungswege wir beschreiten können.

Ich wundere mich, warum der deutsche Nachwuchs in Länder wie die Schweiz und den angloamerikanischen Bereich geht, wo alles strukturiert ist - wir haben ja gerade gelernt, dass wir auf solche Weiterbildungsstrukturprogramme verzichten sollten -, und meint, dort sei die Qualität besser.

(Vereinzelt Beifall)

Ich weiß, dass viele deutsche Ordinarien erklären, ein gut 30-jähriger Amerikaner in ähnlicher Position habe keine Qualität. Natürlich ist man mit 30 Jahren noch kein fertiger Chirurg oder Internist. Die Internisten haben ja nur eine dreijährige Weiterbildung; aber das ist ein ganz anderes Thema.

Diese Leute sind in ein lernendes und kollegiales System eingebunden. Genau das ist bei uns verloren gegangen. Diese Schande der deutschen Ärzteschaft gegenüber ihrem eigenen Nachwuchs - Herr Montgomery, um es Ihnen so deutlich zu sagen - wird nicht angepackt. Das ist eine Sauerei! Sagen Sie das bitte den Leuten auf der Straße, falls diese Ihnen jemals noch bei einer Demonstration folgen, wenn Sie solche Wege gehen. Entschuldigung, ich finde das schlimm.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Der ist ja immer sehr streng!

(Heiterkeit)

Dazu bitte noch einmal Herr Dr. Koch.

Dr. Koch, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, das der Kollege hinsichtlich der Sonografie gerade vorgetragen hat, kann man mit diesem Antrag nicht lösen. Hier handelt es sich um ein Problem der Länge der Weiterbildungsbefugnis. Dann muss ich eben die Weiterbildungsbefugnis der Kammer entsprechend kürzen, wenn nicht alles in der richtigen Zeit abgeleistet werden kann. Aber mit diesem Antrag ist es nicht zu lösen.

Wenn Sie sich nicht entschließen können, diesen Antrag an den Vorstand zu überweisen, muss ich Sie allerdings ganz herzlich bitten, diesen Antrag abzulehnen. Wir können hier nicht durch einen Spontanantrag grundsätzliche Dinge der Weiterbildungsordnung einfach ad hoc ändern, die auch noch Auswirkungen auf die Heilberufegesetze der Kammern haben. Dort steht es teilweise anders, als hier gefordert wird. Entweder überweisen Sie den Antrag an den Vorstand oder Sie lehnen ihn ab. Eine andere Lösung kann es nicht geben. Anderenfalls wäre der Antrag Makulatur. Hier einen Antrag zu beschließen, der nicht umsetzbar ist, macht keinen Sinn.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank. - Wir treten in die Abstimmungsprozedur ein. Wer möchte den Antrag 76 (neu) an den Vorstand überweisen? - Wer möchte ihn nicht überweisen? - Das Erste war klar die Mehrheit. Wer enthält sich? - Der Antrag ist an den Vorstand überwiesen und wird in den Beratungspool der Weiterbildungsgremien eingespeist.

Jetzt frage ich Sie, möchten Sie noch eine Pause machen?

(Zurufe: Nein!)

- Nicht; das ist gut. Wir auch nicht.

 

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