TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik - Gesundheitspolitische Leitsätze der Ärzteschaft

Dienstag, 20. Mai 2008, Nachmittagssitzung

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Hauptgeschäftsführer. - Wir können in den Tagesordnungspunkt I eintreten. Er beinhaltet die Diskussion und die Verabschiedung des Entwurfs des "Ulmer Papiers".

Ich darf kurz daran erinnern, wie es zu diesem Papier gekommen ist. Der außerordentliche Ärztetag im Oktober 2006 in Berlin hat einen Beschluss gefasst, der sich auf die damalige Situation bezog, als es um die Ausformulierungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ging. Dabei haben wir gleichzeitig ein bisschen eine eigene programmatische oder zumindest krisenartige Vorlage vermisst, mit der wir die Politik schon im Vorfeld der Entstehung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes hätten beglücken können. Als wir den Tagesordnungspunkt zu Ende diskutiert hatten, waren einige konkrete Punkte vorgetragen worden, von denen man meinte, man könnte sie in zukünftige Überlegungen mit einbeziehen. Das ist geschehen.

Auf dem 110. Deutschen Ärztetag in Münster haben wir als Vorstand der Bundesärztekammer aus diesen Ergebnissen zehn Fragen extrapoliert. Sie haben diese Fragen beschlossen und dem Vorstand der Bundesärztekammer mit der Bitte überreicht, Entwürfe für Antworten auf diese zehn Fragen zu gestalten. Das, was Sie bereits vor einem Monat vorgelegt bekommen haben, ist das Ergebnis. Es ist schon relativ weit in der Öffentlichkeit verbreitet. Frau Ministerin Schmidt hat es offensichtlich auch schon zur Kenntnis genommen. Teil B bezieht sich auf Finanzfragen, während Teil A Einzelfragen beantwortet, die uns in Münster gestellt worden sind.

Ich möchte besonders auf Folgendes hinweisen: Es handelt sich nicht um ein Programm. Das Programm, das "Blaue Papier" aus dem Jahre 1994, gilt nach wie vor weiter. Die dort niedergelegten Vorstellungen und Wünsche der deutschen Ärzteschaft gelten nach wie vor weiter, sofern sie nicht erfüllt oder obsolet geworden sind.

Bei dem "Ulmer Papier" handelt es sich um Leitsätze; so lautet auch die Überschrift. Diese Leitsätze sollen die Politik befruchten. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück.

Es handelt sich auch nicht um eine statische Situation, sondern es handelt sich - dieser Ausdruck ist wahrscheinlich dem Bereich des Tennissports entnommen - um einen ersten Aufschlag, also um die erste Fassung eines Werks in Weiterentwicklung, Stichwort: work in progress. Wir haben also nicht etwa die Verpflichtung, auf diesem Ärztetag ein Papier sozusagen für die vorläufige
Ewigkeit zu verabschieden, sondern ein Papier, das uns erst einmal hilft. Diese Aussage soll Qualität und Inhalt des Papiers nicht relativieren, sondern klarmachen, dass wir keinesfalls meinen, dass wir nun erst einmal Ruhe hätten und uns in Zukunft um die politischen Fragen nicht weiter Gedanken machen müssten. Das haben Sie sicher auch gar nicht anders gesehen.

Ich werde immer wieder gefragt: An wen wendet sich dieses Papier? Das ist eine wichtige Frage. Dieses Papier wendet sich in erster Linie an uns Ärztinnen und Ärzte, und zwar als Versuch, über alle Gruppen, alle Fachgebiete und alle Arten der Ausübung des Arztberufs hinweg eine gemeinsame Position, eine gemeinsame Grundauffassung über die Ausübung unseres Berufs und das Patient-Arzt-Verhältnis zu finden.

Wenn wir dies geschafft haben, wovon ich ausgehe oder es mir zumindest sehr erhoffe, sind es Leitsätze, die der Öffentlichkeit übergeben werden sollen mit dem Ziel der Vertrauensbildung bzw. der Vertrauenserhaltung in den Arztberuf schlechthin und die einzelnen Ärztinnen und Ärzte, die Partner ihrer Patientinnen und Patienten sind. Wir wollen damit zeigen, dass es uns nach wie vor um unsere individuellen Patientinnen und Patienten geht und wir uns in einer Zeit der Kollektivierung und der kollektiven Sicht auf unser Gesundheitswesen nicht davon abbringen lassen, unsere Patientinnen und Patienten als unsere Partner oder, wie auf der Hauptversammlung des Marburger Bundes gesagt wurde, als unsere Freunde zu sehen.

Das ist der wichtige Sinn dieses Papiers. In dem Entwurf sind alle gestellten Fragen - von ursprünglich zehn Fragen sind neun übrig geblieben, weil der Finanzierungsteil ein eigenes Kapitel darstellt - beantwortet. Das Nähere müssen wir noch ausgestalten.

Darüber hinaus enthält das "Ulmer Papier" einen Prolog und einen Epilog. Der Prolog soll den Sinn haben, die Befindlichkeit, in der wir uns als Ärztinnen und Ärzte befinden, insbesondere in der individuellen Patientenbeziehung, sowie die Störungen, die wir heute dabei empfinden, darzustellen. Der Epilog soll den Hoffnungsschimmer darstellen, dass unser Arztberuf wieder diejenige Farbe und denjenigen Charakter erhält, die ihm zu eigen sind und die nicht verloren gehen dürfen. Das ist die grobe Situation hinsichtlich dieses Papiers. Herr Fuchs hat eben schon gesagt: Wir bitten darum, unter Tagesordnungspunkt I diejenigen Anträge zu stellen, die sich auf Ergänzungen, Weglassungen, Veränderungen, Umformulierungen dieses Papiers beziehen. Wenn weitere Anträge gestellt werden, ordnen wir sie dem Tätigkeitsbericht zu, aber auch als Stoffsammlung für die weitere Diskussion. Die Anträge werden dadurch nicht etwa in den Papierkorb versenkt.

Gibt es Wünsche, darüber hinaus noch etwas erklärt zu bekommen? - Wenn das nicht der Fall ist, treten wir in die Diskussion ein. Als Erster hat sich der Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Herr Dr. Crusius, zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Crusius.

© Bundesärztekammer 2008