Vizepräsident Dr. Montgomery:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen
bei der Rede von Ulla Schmidt ergangen ist. Ich habe in manchen Punkten
vielleicht eine andere Wahrnehmung, was ihren Mut und ihren Kampfesgeist
anging, mit dem sie heute angetreten ist. Ich habe sie selten so
zurückgenommen, ja manchmal fast vorsichtig in den Aussagen erlebt. Wir haben
von ihr ganz wenig konkrete Aussagen bekommen: Der Gesundheitsfonds kommt. Das
wissen wir. Der steht im Gesetz. Es wird im Bereich des Krankenhauses fünf
Änderungen geben. Drei sind im Grunde genommen schon längst Gesetzestatbestand.
Das war - das wurde hier bereits gesagt - erstaunlich wenig.
Warum war das so wenig? Der Gesundheitsfonds kommt, das wissen wir. Die Politik
weiß ganz genau, dass mit diesem Gesundheitsfonds nicht ein einziges Problem in
unserem Gesundheitswesen gelöst sein wird, ja nicht einmal richtig verschoben.
Die Grundprämissen, unter denen Frau Schmidt und diese Bundesregierung einmal
angetreten sind - stabile Beitragssätze, bessere Versorgung, Qualitätswettbewerb
-, werden im Kern durch den Gesundheitsfonds konterkariert. Es wird sie durch
den Gesundheitsfonds nicht geben, sondern genau das Gegenteil wird durch den
Gesundheitsfonds erreicht: kein Wettbewerb bei den Krankenkassen, keine bessere
Qualität und vor allem keine Verbesserung der Versorgung für die Patienten.
Ich glaube, dass Frau Schmidt selber ein bisschen wie ein Kind
im dunklen Wald singt, wenn sie sagt: Der Gesundheitsfonds wird kommen, und der
Gesundheitsfonds wird gut. Nein, meine Damen und Herren, der Gesundheitsfonds
wird nicht gut. Deshalb müssen wir damit beginnen, uns Gedanken darüber zu
machen, was denn in der Zeit nach dem Gesundheitsfonds kommt.
Meine Damen und Herren, erinnern Sie doch, wie der
Gesundheitsfonds eingeführt wurde. Im GKV-WSG standen sich 2006 die Verfechter
einer Bürgerversicherung à la Karl Lauterbach und die Vertreter eines
Prämienmodells à la CDU-Parteitag Leipzig 2003 gegenüber. Um sich alle Optionen
für die Zeit nach dem Platzen der Großen Koalition offenzuhalten, hat man diese
Missgeburt Gesundheitsfonds in die Welt gesetzt. Jetzt müssen wir - das ist ja
im Leben manchmal so - mit dieser Missgeburt leben und müssen sie auch noch in
Kraft setzen.
Aber wir wissen, meine Damen und Herren: 2009 sind wieder
Bundestagswahlen. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds wird - davon bin ich
fest überzeugt - die Gesundheitspolitik bei den nächsten Wahlen eine gewaltige
Bedeutung erhalten. Wir werden ganz viel über Gesundheitspolitik,
Krankenversicherung, Zukunftsorientierung im Wahlkampf 2009 diskutieren.
Deswegen ist es gut, dass wir mit dem "Ulmer Papier" eine gute Analyse der
Probleme der heutigen Gesundheitsversorgung, Modellansätze, wie man die
Versorgung für die Zukunft besser organisieren könnte und auch Hinweise für die
systemimmanente Fortentwicklung der Finanzierung haben. Das sind drei ganz
essentielle Punkte, die im "Ulmer Papier" stehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit bin ich bei dem einen
Punkt, der mir fehlt. Das habe ich schon mehrfach formuliert. Sie alle kennen
diesen Punkt, wenn Sie die vorläufigen Fassungen des Papiers, die den
Kammerversammlungen vorgelegen haben, gesehen haben. Es geht um die Frage: Sollen
wir Ärzte uns auch mit der zukünftigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung
auseinandersetzen? Ich glaube - diese Prognose wird von vielen Wissenschaftlern
und Fachleuten gestützt -, dass wir 2010/2011 erleben werden, dass der
Gesundheitsfonds platzt. Dieser Gesundheitsfonds wird das Jahr 2011 nicht
überleben. Dann wird die Politik vor dem Problem stehen: Was geschieht danach?
Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, beginnt die alte Debatte
erneut: Bürgerversicherung à la Karl Lauterbach, der ja frech diesen Begriff
der Bürgerversicherung usurpiert hat, obwohl es sich ja nicht wirklich um eine
Bürgerversicherung handelt, sondern nur um den Versuch, den Mangel der GKV auch
auf die 10 Prozent der GKV auszudehnen, oder neuer Ansatz einer prämienbasierten
Versicherung, die wir - davon bin ich fest überzeugt - dringend brauchen.
Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns
auch zu der Frage äußern, wie wir uns die langfristige Finanzierung der
Krankenversicherung vorstellen. Deswegen habe ich den Antrag 2 gestellt, den
Sie noch nicht umgedruckt vorliegen haben, den Sie aber im Kern kennen, mit der
Bitte, auch darüber zu diskutieren und zu überlegen, ob wir wirklich klug
beraten sind, als Ärzte zu sagen: Die Finanzierung der zukünftigen
Krankenversicherung ist ausschließlich Sache der Politik, oder ob wir nicht
besser als Staatsbürger, als Ärzte, als Teil dieser Gesellschaft, als
Verantwortliche uns zu unserer Verantwortung bekennen und uns deswegen auch zu
Krankenversicherungsfragen äußern wollen. Das tun wir ja auch an anderen
Stellen. Wir lehnen ja die Bürgerversicherung à la Lauterbach ab.
Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein bisschen
intensiv über diese Vorschläge zu diskutieren, damit wir wissen, wohin wir
wollen. Noch schöner wäre es natürlich, wenn sich eine Mehrheit für den Antrag
2 fände.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Kollege Montgomery. - Jetzt bitte Herr Pickerodt aus Berlin. |