TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik - Gesundheitspolitische Leitsätze der Ärzteschaft

Dienstag, 20. Mai 2008, Nachmittagssitzung

Prof. Dr. Henneberg, Hessen: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war am Wochenende bei einem Familientag der Sippe Henneberg. Da gab es einen jungen Zahnarzt, der aus bekannten Gründen ausgewandert war. Wir haben ja bereits darüber diskutiert: Die jungen Ärzte fühlen sich bei uns nicht mehr wohl. Er hat mir von einem hervorragenden Gesundheitssystem in Norwegen berichtet. Dort steht beispielsweise Kindern bis zum 18. Lebensjahr die volle Präventivmedizin zur Verfügung. Es zeichnet auch ein gutes Sozialsystem aus, dass es Altersheime für diejenigen, die so etwas benötigen, frei zur Verfügung stellt.

Ich war sehr erschrocken, als ich nach meiner Rückkehr in der "Wetterauer Zeitung" die Überschrift las: "Ärztepräsident für Rationierung". Gott sei Dank habe ich heute früh lernen dürfen, dass die Journalisten unseren Präsidenten offensichtlich falsch verstanden haben. Ich denke, wir alle sind verantwortungsvolle Bürger einer Demokratie. Wir und unsere Mitbürger wollen für unser Land möglichst Gutes bekommen. Wenn Sie Ihre Patienten oder Ihre Freunde fragen, was sie sich darunter vorstellen, was wir brauchen, dann werden neben Essen, Trinken und Wohnung eine vernünftige Gesundheitsversorgung und eine vernünftige Bildung genannt. Ich glaube, da wird auch niemand widersprechen.

Leider ist es so, dass wir uns mit unseren Politikern nicht mehr ganz verstehen. Wir haben keine Zwischeninstanz mehr. Früher konnte einiges vom Bundesgesundheitsamt abgefangen werden. Aber das Bundesgesundheitsamt gibt es nicht mehr. Das heißt, wir müssen unsere Verantwortung selbst tragen, wir müssen klarmachen, was wir brauchen.

Ich möchte zum Schluss meine Bitte zusammenfassen. Ich denke, wir alle sind uns hier sehr einig, dass wir gegen eine Rationierung sind. Das haben wir im "Ulmer Papier" auch gut und diffizil ausgedrückt. Ich denke, wenn jemand das Papier oberflächlich liest, bekommt er das gar nicht richtig mit. Deshalb habe ich zwei Bitten, die ich nachher auch noch in Antragsform einreichen werde. Was lesen denn die Journalisten? Sie lesen die Überschriften. Dort steht: "Mit Mittelknappheit verantwortungsbewusst umgehen". Mir wäre eine Überschrift wie "Mittelknappheit verantwortungsbewusst abwehren" lieber.

Noch viel wichtiger finde ich unsere Präambel, in der wir zum Ausdruck bringen, was wir nicht wollen. Dort steht ganz vorsichtig: Wir sind nicht schuld daran, dass rationiert wird. Das überlesen aber die meisten. Wir haben das Wichtige in dem Text dunkel hinterlegt. Warum tun wir das nicht auch in der Präambel, in der wir formulieren, dass wir als Ärzteschaft Deutschlands gegen eine Rationierung sind?

Ich bedanke mich schön.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank. Das kommt davon, dass die Artikel, die geschrieben werden - sie sind ja auch häufig autorisiert -, das eine sind, aber das andere sind die Überschriften, die von anderen gemacht werden. Diese Überschriften werden oft recht flüchtig aus dem Text extrapoliert. Dann kommt ein Schlagwort heraus, damit es auch gelesen wird. Die Leser wundern sich natürlich, dass eine Differenz besteht zwischen der Überschrift und dem Inhalt des Artikels. Möglicherweise bemerken die Leser das auch gar nicht. Andere übernehmen das ungeprüft - und schon ist es passiert. Das ist leider nicht ganz selten der Fall.

Der nächste Redner ist Herr Kaiser aus Westfalen-Lippe.

© Bundesärztekammer 2008