TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik - Gesundheitspolitische Leitsätze der Ärzteschaft

Dienstag, 20. Mai 2008, Nachmittagssitzung

Ruebsam-Simon, Baden-Württemberg: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann das "Ulmer Papier" positiv bewerten, man kann es auch als eine Ansammlung von Allgemeinplätzen ansehen. Insgesamt ist es mir zu unpolitisch und zu unkonkret. Ich sehe zum Teil eine andere Wirklichkeit. Im Krankenhausbereich sehe ich Finanzkonglomerate, die MVZs gründen, in denen die Patienten in den Kreisverkehr geschickt werden, in die Krankenhäuser der Kette zurück. Ich sehe im ambulanten Bereich ähnliche Prozesse. MedXPro hat das Ziel, 1 500 Arztpraxen zu kaufen, und zwar nicht kleine Hobbypraxen, sondern große gut gehende Praxen. All diese Entwicklungen sehe ich in diesem Papier nicht konkret aufgeführt.

Der größte Mangel ist meines Erachtens: Es fehlt ein Plan B, eine Alternative zu dem System, in dem wir uns bewegen, also eine Alternative zum GKV-System. In dem Papier gibt es nur eine evolutionäre Weiterentwicklung unseres Systems; eine revolutionäre, eine plötzliche Veränderung ist überhaupt nicht bedacht worden. Was passiert denn, wenn das System oder Teile des Systems kollabieren, konkret gesprochen: wenn eine große Krankenkasse insolvent wird? Das ist im System des Wettbewerbs, den wir jetzt bekommen haben, denkbar. Das ist aber überhaupt nicht bedacht worden. Dasselbe spielt sich auch im ambulanten Bereich als Tragödie des einzelnen Arztes ab, der insolvent wird.

Es fehlt also der Plan B. Das finde ich den größten Mangel dieses Papiers. Plan B wäre der Systemausstieg, den wir in Baden-Württemberg ja entwickeln, das heißt eine Verweigerung des Konsenses. Es könnte nämlich sein, dass unsere Politik an eine Grenze gestoßen ist. Das wäre eine akute Veränderung des Systems in Richtung einer Transformation der GKV in Richtung der PKV. Dieser Punkt sollte bedacht werden.

Das würde natürlich auch bedeuten, dass die GOÄ weiterentwickelt wird, und zwar nicht im Sinne der GKV. Die Bildung von Komplexen usw. wäre zu vermeiden.

So weit mein Hinweis.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön, Herr Ruebsam-Simon. - Nun bitte Frau Kollegin Rothe-Kirchberger aus Baden-Württemberg.

© Bundesärztekammer 2008