Prof. Dr. Kahlke, Hamburg:
Guten Morgen, Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um es vorweg zu sagen:
Ich habe etwas Schwierigkeiten mit dem "Ulmer Papier", möchte aber mit etwas
Positivem beginnen. Ich möchte Ihnen, lieber Herr Kollege Hoppe, vor allen
Dingen für den Vortrag danken, den Sie gestern gehalten haben. Wir kennen uns
ja nun schon länger; ich weiß gar nicht, ob ich schon einmal so ausdrücklich
einem Ärztekammerpräsidenten gedankt habe. Sie verdienen es in jedem Fall. Sie
wissen, dass das, was Sie über die Wichtigkeit der Arzt-Patient-Beziehung
gesagt haben, etwas ganz Entscheidendes ist. Ich habe in meiner beruflichen
Tätigkeit dieses immer als Maxime auch meines ärztlichen Handelns und meines Handelns
als Lehrer gesehen.
Wenn man diese Argumentation weiterführt, die ja auch im
"Ulmer Papier" erwähnt ist, beispielsweise die gute Arzt-Patient-Beziehung -
"In der Individualität der Patient-Arzt-Beziehung liegt das Wesen der
ärztlichen Kunst" oder "Da Gesundheit aber weder angeordnet noch hergestellt
werden kann, da sie wesentlich vom Mitwirken des Patienten abhängig ist, kann
diese Begegnung nicht standardisiert werden" -, kommt man eigentlich in die
Argumentation für einen späteren Tagesordnungspunkt, wie Sie vielleicht ahnen.
Das ist fast ein intimer sozialer Raum, in dem sich Patient und Arzt befinden,
der sehr schützenswert ist. Ich denke, wir Ärztinnen und Ärzte sind diejenige
Gruppe, die diesen Raum am besten und am verantwortungsbewusstesten schützen
kann.
(Beifall)
Mit der Kritik, die am "Ulmer Papier" und an einigen Ihrer
Aussagen von gestern, Herr Hoppe, geäußert wurde, bin ich nicht einverstanden.
Das sage ich ganz offen. Es geht um die Aussage, dass wir eigentlich keine
Versorgungsforschung bräuchten, wenn bestimmte Bedingungen nicht eingetreten
wären. Ich meine, selbst wenn in der Vergangenheit unser ärztliches Handeln
eigentlich immer sehr zufriedenstellend war, müssen wir unser Handeln immer
auch wissenschaftlich begleiten, auch dann - da stimmen wir wahrscheinlich
überein -, wenn wir den Eindruck haben, es ist immer gut gegangen. Es gibt
immer Änderungen, die wir natürlich berücksichtigen müssen.
Die gestrigen Äußerungen von Herrn Wulf Dietrich haben ein
wenig Unmut erzeugt. Nüchtern betrachtet, hat er viele Elemente vorgetragen,
die wir so stehen lassen dürfen. Es wird einen Antrag geben, der die Annahme
des "Ulmer Papiers" empfiehlt. Wir müssen sehen, ob die Änderungsvorschläge so
weit gehen, dass das "Ulmer Papier" nachher insgesamt noch akzeptabel ist oder
ob wir es zur weiteren Bearbeitung unter Berücksichtigung der Anträge an den
Vorstand überweisen. Ich gebe ehrlich zu: Ich weiß jetzt noch nicht, wie ich entscheiden
soll.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen
Dank, Herr Kahlke. Ich erinnere nur daran, dass wir gesagt haben: Das "Ulmer
Papier", auch wenn es auf diesem Ärztetag verabschiedet wurde, gilt als
Aufschlag und ist "work in progress". Es wird weiterentwickelt. Vielleicht wird
es immer "Ulmer Papier" heißen, aber es wird Neuauflagen geben. Die Deklaration
von Helsinki stammt von 1956, die letzte Auflage ist aus diesem Jahrzehnt. Es
heißt immer noch "Helsinki-Papier". Es ist aber mittlerweile schon die fünfte
oder sechste Version. Insofern befinden wir uns in einem permanenten Prozess
und müssen uns natürlich mit der jeweils aktuellen Politik auseinandersetzen.
Insofern wäre eine Verabschiedung heute das Richtige. Das
bedeutet nicht, dass damit die Angelegenheit abgeschlossen ist, also eine
endgültige Fixierung gegeben ist, sondern die Diskussion und auch die
Formulierung des "Ulmer Papiers" geht immer weiter. Das wird auch wohl in
absehbarer Zeit nicht aufhören. Dies zur Erklärung, damit wir uns ganz auf den
Zustand, in dem wir uns befinden, einstellen können.
Der nächste Redner ist Herr Kollege Neher aus Bayern. |