TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik - Gesundheitspolitische Leitsätze der Ärzteschaft

Mittwoch, 21. Mai 2008, Vormittagssitzung

Dr. Dehnst, Westfalen-Lippe: Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte über Wettbewerb und Qualität zu Ihnen sprechen. Der Konflikt zwischen Politik und Ärzteschaft hinsichtlich Wettbewerb und Qualität ist wahrscheinlich so alt, wie es beides zusammen gibt. Die älteste schriftliche Überlieferung reicht 3 700 Jahre zurück. Hammurabi, der Stadtfürst in Babylon, hat dort in Stein meißeln lassen, wie unerwünschte Behandlungsergebnisse nach dem Motto "Auge um Auge, Zahn um Zahn" zu sanktionieren sind. Es hat sich seitdem nicht so ganz viel geändert.

Dennoch hat sich durch solche Einmischungen und auch aus innerärztlichem Antrieb heraus ein Qualitätsmanagement entwickelt, welches von Hippokrates bis zu den modernen Konzepten der Qualitätssicherung mit Qualitätsmanagement und Maßnahmen zur Patientensicherheit reicht. Vor diesem Hintergrund ist mir in diesem "Ulmer Papier" die Darstellung der Qualitätssicherung unter dem Titel "Qualitätswettbewerb fordern" insgesamt zu wenig als genuine Aufgabe der Ärztekammern dargestellt und zu wenig prägnant herausgearbeitet. Im Gegenteil, unter dem Titel "Budgetmedizin" taucht Folgendes auf:

Sie

- gemeint sind das Qualitätsmanagement und die Nationalen Versorgungsleitlinien -

reichen jedoch sicher nicht aus, um die Mittelknappheit zu überwinden.

Ist dies nicht die Übernahme der Denkweise aus der Politik, bei der das Qualitätsmanagement als Instrument zur Kompensation eines Mangels degradiert wird?

(Beifall)

Zum Wettbewerb möchte ich Folgendes sagen. Dieser hat für mich drei Dimensionen. Wettbewerb ist der Ärzteschaft seit eh und je vertraut, und zwar der Wettbewerb in der Entwicklung von medizinischen Methoden und deren Implementierung. Diesen Wettbewerb müssen wir fordern. Dieser Wettbewerb kostet Geld und Ressourcen.

Es gibt eine zweite Dimension des Wettbewerbsgedankens, und zwar den Wettbewerb der guten Qualität. Auch dieser kostet primär zunächst einmal Geld, bevor er möglicherweise zu Einsparungen führt.

Die Politik degradiert den Wettbewerbsgedanken einzig in die ökonomische Richtung. Deshalb, meine ich, müssen wir diesen Begriff des Wettbewerbs deutlicher und prägnanter herausarbeiten.

Was möchte ich Ihnen insgesamt sagen? Wir sind hier 250 Delegierte im Wettbewerb, ihre eigenen Vorstellungen zur Gesundheitspolitik zu manifestieren. Es droht insgesamt ein Flickenteppich mit 250 Autoren. Ich möchte an die Delegierten appellieren: Folgen Sie den Anträgen 30 und 33 aus Westfalen-Lippe, und implementieren Sie die Methode der Szenariotechnik, mit deren Hilfe isolierte Vorstellungen über positive und negative Veränderungen einzelner Entwicklungsfaktoren in der Zukunft zu umfassenden Bildern und Methoden zusammengefasst und kommunizierbar werden.

An den Vorstand möchte ich appellieren: Greifen Sie die Anregungen auf, betrachten Sie das "Ulmer Papier" als Beginn einer Entwicklung, dampfen Sie es zusammen, und entlassen Sie nicht die Politik aus ihrer Verantwortung für die Finanzierung.

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Dehnst. - Der nächste Redner kommt ebenfalls aus Westfalen-Lippe; es ist deren Vizepräsident, Herr Kollege Reinhardt.

© Bundesärztekammer 2008