TOP III: Arztbild der Zukunft und Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen

Freitag, 23. Mai 2008, Vormittagssitzung

Dr. Bartmann, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zum Antrag 7 und möchte der Begründung gern noch ein Zitat hinzufügen:

Ich habe mich mein ganzes Leben als Arzt mit den Krankheiten von Herz und Kreislauf beschäftigt, mit Menschen, die herzkrank werden. Risikofaktoren, über die ständig geforscht und gesprochen wird, Cholesterin, Blutdruck usw., sind nebensächlich. Für das Entstehen so vieler Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind traurige, tragische Lebensumstände verantwortlich: Angst, Verzweiflung und Aussichtslosigkeit.

Dieses Zitat stammt von keinem Geringeren als dem Nobelpreisträger Bernard Lown, dessen kleine Maschinen Sie heute an allen öffentlichen Plätzen aufgebaut finden, in Stadien, auf Flughäfen: den Defibrillator. Er hat im Übrigen nicht den Nobelpreis für Medizin bekommen, sondern den Friedensnobelpreis.

Da wir der Meinung sind, dass man nicht unbedingt 86 Jahre alt werden und den Nobelpreis bekommen haben muss, um zu einer solchen Erkenntnis zu kommen, haben Vorstand und Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein an drei Wochenenden im vergangenen Jahr mehrere Wissenschaftler aus dem ganzen Bundesgebiet nach Breklum, einem ganz kleinen Ort in Nordfriesland, eingeladen, was sich inzwischen als "Breklumer Gespräche" etabliert hat. Teilgenommen haben beispielsweise Klaus Dörner, der gerade von uns mit der Paracelsus-Medaille ausgezeichnete Fritz Beske, Eckhard Nagel, Franz Porzsolt oder der Landesbischof Knuth aus Schleswig-Holstein. Teilgenommen haben ferner Vertreter von Pflegeverbänden und Heilmittelherstellern sowie sonstige Personen, die im Gesundheitswesen etwas zu sagen haben.

Ein ganz entscheidendes Zwischenergebnis war die Erkenntnis, dass die Enttäuschung über unser auf hohem technischen Niveau funktionierendes Gesundheitssystem in erster Linie aus Täuschungen resultiert, aus falschen Versprechungen und falschen Erwartungen und dass alle Lösungsansätze die vorherige Ent-Täuschung, die gezielte Entlarvung und Korrektur von Täuschung, voraussetzen.

Unter Ärzten ist das Ziel dieser Kampagne leicht ausgemacht: die Politik mit dem ungedeckten Scheck eines trotz begrenzter Ressourcen umfassenden Versorgungsversprechens. Beim zweiten und dritten Hinsehen ist das nicht mehr ganz so einfach, denn auch wir Ärzte neigen zu Täuschungen mit dem Wecken falscher Erwartungen an die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten einer naturwissenschaftlichen Medizin selbst in existenziell schon aussichtslosen Situationen. Das ist eine Täuschung, der Menschen einer modernen Gesellschaft mit einer weit verbreiteten transzendentalen Obdachlosigkeit gern unterliegen und damit ihrerseits unmäßige bis grenzenlose Erwartungen in die Medizin und deren Repräsentanten setzen.

Aus all dem resultiert der Appell, die Lösung unserer tatsächlichen oder gefühlten Misere nicht allein in einer pausenlosen Konfrontation mit der Politik, einer Strategie, die wir gut beherrschen, die gleichwohl in der Vergangenheit nicht gerade übermäßigen Erfolg gezeigt hat, zu sehen, sondern im Dialog mit Repräsentanten aus Gesellschaft und Politik, im interdisziplinären Ansatz also.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Franz Bartmann. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Nowak aus Hessen, der gleichzeitig Diplom-Chemiker ist.

© Bundesärztekammer 2008