TOP IV: Auswirkungen der Telematik und elektronischen Kommunikation auf das Patient-Arzt-Verhältnis

Donnerstag, 22. Mai 2008, Vormittagssitzung

Dr. Andrae, Thüringen: Verehrtes Präsidium! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht den Schlusssatz meines kurzen Vortrags vorab: Die kritische, ja sehr kritische Begleitung der technischen Entwicklung steht der deutschen Ärzteschaft zu und ist kein Ausdruck von Rückständigkeit, sondern ist schlichtweg angemessen.

Ich denke, wir alle befinden uns in einer gewissen Unsicherheit. Sie bleibt weiterhin berechtigt. Wir befinden uns in einem Spannungsfeld, weil auch wir Hoffnung auf den Nutzen haben, den die eCard oder weitere EDV-Lösungen, die sich daraus ergeben, bringen werden. Diese Hoffnung haben nicht nur wir, diese Hoffnung haben auch die Patienten und leider auch Dritte. Das ist kritisch zu beobachten.

Wir befinden uns auch in dem Spannungsfeld, dass wir damit einen Datenvorrat schaffen, mit der Gefährdung der vieldiskutierten Patient-Arzt-Beziehung und der informationellen Selbstbestimmung der Patienten. Die Hoffnung auf Nutzen möchte ich ein bisschen brechen. Als vor weit über zwei Jahrzehnten in der technischen Planungslandschaft CAD-Systeme zur computerassistierten Darstellung von Bauplänen eingeführt wurden, wusste man genau: Wir werden demnächst ganz schnell solche Pläne erstellen können. Dieser Zeitgewinn ist aber nie eingetreten. Man hat den Nutzen ganz anders verwertet: Jeder Kunde wusste genau, dass das im Computer ist, also wurde hier und dort geändert. Letztendlich gab es nach der CAD-Einführung gar keinen Zeitgewinn.

Im medizinischen Bereich ist es heute so, dass ein Klinikum von einem kleinen Krankenhaus einen Patienten mit einem Polytrauma oder einer schweren Verletzung bekommt: Nehmt ihn schnell, wir haben die Bilder gemacht, wir schicken euch das. Aber die Übersendung und Öffnung der Daten dauern länger, als bis der Patient bei Ihnen im Krankenhaus angekommen ist.

Wenn Sie auf Ihrer Station ein Röntgenbild öffnen, werden Sie feststellen, dass die Hardware überhaupt nicht die Qualität aufweist, den diagnostischen Nutzen aus den Daten, die Sie haben, zu ermöglichen.

(Vereinzelt Beifall)

Sie werden feststellen, dass der Nutzen vieler anderer Daten, die man hat, im Rauschen der nicht überall gleichmäßig vorhandenen Hardware überhaupt nicht zu realisieren ist.

Glauben Sie bitte nicht alles, was Ihnen an Nutzen versprochen wird.

Ich möchte mit meinem kurzen Vortrag die Hoffnung bremsen, die uns vielfach vorgegaukelt wird. Ich möchte Schutz fordern, ich möchte aber auch einen vorsichtigen Nutzen mit EDV-Lösungen unter Risiko-Nutzen-Betrachtungen und auch unter Kosten-Nutzen-Betrachtungen fordern. Die Ärzteschaft muss bremsen und korrigieren, damit Fehlentwicklungen gestoppt werden. Sie muss aber auch verhindern, dass Überholmanöver an uns vorbei aus der Zusammenarbeit zwischen Krankenhausgruppen und Industrie erfolgen. Wir müssen die eCard ablehnen, weil sie in der Praxis im Augenblick noch nicht funktioniert. Das passiert sowieso. Sie wird sich aber weiterentwickeln. An dieser Entwicklung müssen wir kritisch weiter teilnehmen.

Ich denke, dass die Kollegen im Präsidium um Herrn Bartmann die Arbeit im letzten Jahr nicht falsch gemacht haben. Wir müssen weiter aktiv an der Entwicklung teilnehmen.

(Beifall)

Vizepräsident Dr. Montgomery: Vielen Dank, Herr Kollege Andrae. - Bevor Herr Rütz das Wort erhält, gestatten Sie mir folgenden organisatorischen Hinweis. Es ist jetzt gleich 12.10 Uhr. Herr Dr. Weichert steht uns nur bis etwa 13.30 Uhr zur Verfügung, weil er seinen Zug erreichen muss. Wenn Sie ihm die Möglichkeit eines Schlussworts geben wollen, müssen wir entweder eine halbe Stunde länger machen oder ihm nachher kurz vor 12.30 Uhr die Gelegenheit dazu geben.

Ich würde Sie bitten, nach der Mittagspause auf jeden Fall mit den Formalia zu beginnen, damit wir bei voller Besetzung die Chance haben, unsere Finanzdinge korrekt zu erledigen. Danach fahren wir mit der Diskussion über die Telematik und mit der Abstimmung über die Anträge fort. Ich hoffe, das findet Ihre Zustimmung.

Ich wollte Ihnen mitteilen, dass Herr Weichert nur noch bis zur Mittagspause für eine abschließende Stellungnahme zur Verfügung steht.

Herr Rütz, Sie haben das Wort.

© Bundesärztekammer 2008