PD Dr. Lindhorst, Hessen:
Nach der emotionalen Rede von Herrn Lipp sage ich vielen Dank an Herrn
Professor Kahlke, dass er wieder einiges in die Sachlichkeit zurückgeführt und
klargestellt hat, dass es hier um eine saubere Entscheidung geht, die uns
sicherlich auch viele Optionen für die Zukunft offenhält. Wir haben das "Ulmer
Papier" verabschiedet, auch heftig umstritten. Wir wehren uns dort gegen die
Industrialisierung, wir treten für den individuellen Patienten ein.
Wenn man solche Argumentationen wie die von Herrn Lipp hört,
muss man ganz eindeutig sagen: Herr Lipp, Sie haben einerseits recht. Aber
seien wir einmal ehrlich: Wir haben doch nicht vor den positiven Effekten der
Entwicklung Angst oder warnen vor ihnen, sondern vor den negativen, vor den
Risikokonstellationen. Mit denen haben wir die großen Schwierigkeiten. Es geht
darum, dass wir letztendlich nicht die Handlanger einer Industrialisierung des
Gesundheitswesens sind. Wir positionieren uns im "Ulmer Papier" ganz klar
entsprechend, aber dann treten wir plötzlich forcierend durch die Intentionen
zugunsten einer Telematik und einzelner Kartensysteme oder einzelner Systeme
von
elektronischen Patientenakten so auf, wie - nennen wir es so - die Krankenhausindustrie
und die Industrie insgesamt sich den Facharzt und den Hausarzt am freien Markt
wünschen, nämlich komplett vernetzt, mit Zugriffsmöglichkeiten von Personen -
wir haben Beispiele gehört -, die eigentlich keinen Zugriff haben sollten.
Da mag es Gesetze geben. Aber was nützt es uns, wenn an diesen
Gesetzen vorbei im Alltag immer wieder solche Löcher entstehen? Diese Löcher gibt
es bereits jetzt. Es wird sie auch in Zukunft geben, egal wie gut die
Sicherheitssysteme werden. Vorhin wurde das Beispiel der Banken angeführt.
Jeder weiß, wie die Banken ihren Milliarden hinterherjammern, die sie jedes
Jahr auf diese Weise verlieren. Das scheint sich nicht toll entwickelt zu
haben.
In der Mittagspause habe ich ein tolles Argument gehört: Im
Moment schwimmen wir dem Boot hinterher, in dieses Boot müssten wir jetzt
dringend mit einem positiven Beschluss zugunsten der elektronischen Systeme
hinein. Entschuldigung, der Herr wollte ans Steuer. Jetzt schwimmt er dem Boot
mit dessen Team hinterher. Ich lache mich doch innerlich kaputt, wenn ich
jemanden höre, der jetzt hinterherschwimmt und meint, er säße in ein oder zwei
Jahren am Steuer.
Seien wir doch Realisten. Wir hätten uns vor vier oder fünf
Jahren klar und deutlich positionieren müssen, das haben wir verpennt. Das war
unser Fehler. Okay. Aber jetzt sind wir in einer Situation, in der wir für den
einzelnen Patienten im Sinne des "Ulmer Papiers" sagen müssen: Halt, hier ist
eine Demokratie dabei, ganz gefährliche Schritte zu tun. Wir wollen diesen Weg
so nicht mitgehen.
(Beifall)
Deswegen bitte ich Sie: Unterstützen Sie durchaus weiterhin
diesen Antrag. Danke.
(Beifall)
Vizepräsident Dr. Montgomery: Vielen Dank, Elmar
Lindhorst. - Der nächste Redner, ebenfalls aus der Ärztekammer Hessen, ist Herr
von Knoblauch zu Hatzbach. |