TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 19. Mai 2009, Nachmittagssitzung

Dr. Crusius, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, die Akustik ist jetzt etwas besser. Wir verstehen hier
oben in der ersten Reihe nichts. Können Sie mich unten verstehen? – Gut.

Herr Präsident, lieber Jörg, zunächst ist es mir ein Bedürfnis – ich glaube, ich spreche im Namen vieler –, dir, lieber Jörg, zu danken. Ich fand es gut, dass du die Priorisierung vor dem Ärztetag in die Öffentlichkeit geworfen hast. Ich fand es auch gut, dass du dem Staatssekretär Klaus Theo Schröder entgegnet hast, dass die Rationierung notwendig ist, dass man das Wort nennen muss und dass man nicht wie Klaus Theo Schröder oder Herr Beck dieses Wort vermeiden muss, denn wir haben Rationierung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir die Rationierung haben, dann müssen wir darüber sprechen und wir müssen die Bevölkerung aufklären. Gerade in einem Wahljahr ist es in meinen Augen besonders wichtig, dass wir die Kolleginnen und Kollegen und damit die Patientinnen und Patienten über dieses Problem aufklären; denn es wird vom Staat immer vorgegaukelt: Es ist für jeden alles da. Wenn der Patient zur Krankenkasse geht, wird ihm erzählt: Selbstverständlich werden wir für Sie diese Leistungen bezahlen.

Aber es wird immer heruntergebrochen auf das individuelle Arzt-Patient-Verhältnis. Das schadet dem Arzt-Patient-Verhältnis, denn der Arzt muss dem Patienten sagen: Ich kann das für Sie leider nicht mehr tun, weil mein Budget erschöpft ist bzw. weil die Arzneimittel zu teuer sind oder Ähnliches. Auf der gestrigen Vertreterversammlung der KBV haben wir erneut feststellen können, dass die KVen unabdingbar sind. Wir brauchen sie, denn die Selektivverträge wie in Bayern und Baden-Württemberg – ohne dass ich den dortigen Delegierten zu nahe treten will – folgen dem alten caesarianischen Prinzip, das Ulla Schmidt dann ausnutzt: divide et impera. Das wollen wir nicht, wir sind eine geschlossene Ärzteschaft. Wir wollen uns nicht zerteilen lassen durch die Machenschaften von hausärztlichen Vertragsgemeinschaften!

(Pfiffe – Vereinzelt Beifall)

Wir können nämlich unsere ärztlichen Interessen und damit die Patienteninteressen nur vertreten, wenn wir eine einheitliche starke Ärzteschaft sind.

(Beifall)

Deshalb fand ich es auch gut, dass unser aller Präsident sich noch einmal für die Kollektivverträge eingesetzt und sich entsprechend ins Zeug gelegt hat; denn die Selektivverträge schließen einzelne Gruppen aus. Der Drang zum Geld ist für den einen oder anderen leider doch ein zu großer Punkt.

Letztendlich geht es uns aber um die ärztliche Selbstverwaltung, um die Versorgung der Patienten und um die einheitliche Ärzteschaft in Deutschland.

Meine Damen und Herren, die klaren Statements unseres Präsidenten am Schluss seiner Rede haben der Politik noch einmal ins Tagebuch geschrieben, was in den nächsten Wochen vor der Wahl in allen politischen Parteien jedweder Couleur zu erledigen sein wird. Wir alle sind Multiplikatoren. Wir sind 400 000 Ärzte in Deutschland, jeder hat mindestens 20 Patientenkontakte pro Tag; multiplizieren können Sie alleine, denn Sie waren alle auf Arztschule, wie ich zu sagen pflege.

Das alles sind Wählerstimmen und Wählerpotenziale. Wir dürfen uns einfach nicht auseinanderdividieren lassen. Sprechen Sie mit den Patienten, reden Sie mit ihnen über die Notwendigkeiten in der Gesundheitspolitik, aber auch über eine gewisse Selbstbeteiligung und eine Selbsterziehung der Patienten, wenn ich es einmal so ausdrücken darf. Nicht alles wird von oben vorgegeben.

Wir wissen, was es bedeutet, wenn man staatlich-dirigistisch verwaltet wird. Wir hatten das im Osten 40 Jahre lang. Wenn das wiederkommen sollte, stellen wir im Osten einen Antrag auf Ausreise aus der Bundesrepublik.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Zum Glück darf man aus der Bundesrepublik auch ohne Antrag ausreisen.

(Beifall)

Wenn man nicht wiederkommt, wird man irgendwann gestrichen, wenn es denn jemand merkt.

Vielen Dank.

Ich möchte Herrn Professor Scriba, den Vorsitzenden unseres Wissenschaftlichen Beirats, bei uns herzlich begrüßen. Herzlich willkommen, Herr Scriba! Wir freuen uns, dass Sie schon heute anwesend sind.

(Beifall)

Als nächster Redner bitte Herr Privatdozent Dr. Benninger aus Baden-Württemberg.

 

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