Dr.
Wesiack, Hamburg: Lieber Herr Hoppe! Herr Hessenauer! Lieber
Vorstand! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
Gestatten Sie mir, zu drei Punkten Stellung zu nehmen: erstens zu den Reden des
heutigen Vormittags; zweitens zum Wahlkampf in diesem Jahr; drittens zu der
Wahlinitiative der Allianz Deutscher Ärzteverbände, deren Vorsitzender ich im
Augenblick bin.
Natürlich danke ich Ihnen, Herr
Hoppe, auch für Ihnen wirklich exzellenten Vortrag, auch dass Sie die Tabuzone
Rationierung und Priorisierung angesprochen haben. Ich fand es sehr
bemerkenswert, wie charmant und keusch Herr Beck, wie ich fast sagen möchte,
schwadronierte, indem er sagte: Rationierung ist ein so schreckliches Wort,
lasst es uns eigentlich nicht in den Mund nehmen.
Die Essenz aus dem Vortrag von
Herrn Staatssekretär Theo Schröder war für mich: Alles ist gut, wir sind
eigentlich auf einem guten Weg, es gibt noch das eine oder andere zu verbessern,
aber die Richtung stimmt.
Nein, liebe Kolleginnen und
Kollegen, die Richtung stimmt nicht!
(Beifall)
Die Richtung in der
Gesundheitspolitik stimmt seit 1992, seit Lahnstein nicht mehr. Wir haben hier
eine verhängnisvolle Große Koalition. Es gilt, dieser Großen Koalition diese
unbequemen Wahrheiten entgegenzuhalten: Wir haben eine Rationierung, ja, wir
brauchen eine Priorisierung. Wenn Länder wie Schweden mit einem Anteil von 9
Prozent am Bruttoinlandsprodukt das bereits können, dann müssen wir das bei einem
Anteil von 6,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt erst recht leisten. Es ist ja
nicht nur die Rente nicht sicher, nein, die Gesundheitsversorgung in diesem
Lande ist schon lange nicht mehr sicher.
Ich komme zu meinem zweiten Punkt,
dem Wahlkampf. Wann denn, wenn nicht jetzt, müssen wir aufstehen und unsere
Forderungen der Politik präsentieren?
(Beifall)
Jetzt haben wir immerhin die
Gelegenheit, dass sie uns vielleicht vorübergehend zuhören, weil sie
wiedergewählt werden wollen. Jetzt können wir ihnen auch sagen, was wir wollen.
Dies ist auch erforderlich und das sollten wir tun.
Beginnen möchte ich diesen Teil
meiner Rede aber mit dem Vertrauen, das wir als Ärzte bei der Bevölkerung immer
noch und weiterhin haben. Trotz der Hetze in den Medien, trotz der negativen
Darstellungen sind wir diejenige Berufsgruppe, die bei den Patienten nach wie
vor das höchste Vertrauen hat, nämlich zwischen 80 und 90 Prozent. Lassen Sie
mich dagegenhalten den Gebrauchtwagenhändler mit 10 Prozent und den Politiker
mit 7 Prozent. Sie sehen, welch ein Unterschied das ist, was das für ein Pfund
ist, das wir uns aber jeden Tag wieder neu erarbeiten müssen. Es fällt uns
nicht in den Schoß. Die Patienten wissen, dass wir ihr Anwalt sind und bleiben.
Genau das sollten wir bitte zum zentralen Wahlkampfthema machen, Stichwort:
Versorgung wieder sicher machen.
Mein dritter und letzter Punkt ist
die Wahlinitiative der Allianz Deutscher Ärzteverbände. In dieser Allianz
Deutscher Ärzteverbände sind der Bundesverband der Ärztegenossenschaften, die
Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände, der Hartmannbund, MEDI Deutschland,
der NAV-Virchow-Bund und der Berufsverband Deutscher Internisten vereinigt. Wir
vereinigen immerhin mehr als 100 000 Ärztinnen und Ärzte in Praxis und
Klinik.
Wir haben eine Wahlinitiative
gestartet, die ich Ihnen Anfang Juni in Berlin an anderer Stelle zentral
vorstellen werde. Ich möchte Ihnen hier nur ganz kurz die Thesen vorstellen.
Sie decken sich weitgehend mit dem, was Herr Professor Hoppe heute Morgen für
uns formuliert hat. Die Allianz Deutscher Ärzteverbände fordert erstens eine
Abkehr von der staatlich-dirigistischen Gesundheitspolitik, zweitens den
Verzicht auf überbordende Regulation und Bürokratie, drittens den Erhalt der
solidarischen Grundsicherung unter Stärkung der Eigenverantwortung des Bürgers,
viertens die Definition eines Katalogs solidarisch finanzierter
Grundleistungen.
Es geht nicht mehr so weiter, dass
alles bei uns im Leistungskatalog enthalten ist und dann nicht bezahlt wird;
und wir rabattieren 30 Prozent unserer Leistungen für die GKV.
Ganz wichtig sind die beiden
letzten Punkte: Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient. Wenn
das zerstört wird, dann in der Tat wird unser gutes Ranking bei der
Bevölkerung, bei unseren Patientinnen und Patienten nicht mehr vorhanden sein.
Es gilt, das Arzt-Patient-Verhältnis unter allen Umständen zu schützen.
Als nächster Punkt: Wir brauchen
eine Abkehr von einer ausschließlich ökonomischen Betrachtungsweise des
Gesundheitswesens. Gesundheitswesen ist nicht Kostendämpfung, sondern ist
sinnvolle Versorgung der Patienten jetzt und in Zukunft.
Bitte unterstützen Sie uns dabei.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Wesiack. – Als nächster Redner kommt Herr Dr.
Junker aus Westfalen-Lippe.
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