TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 19. Mai 2009, Nachmittagssitzung

Dr. Wesiack, Hamburg: Lieber Herr Hoppe! Herr Hessenauer! Lieber Vorstand! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu drei Punkten Stellung zu nehmen: erstens zu den Reden des heutigen Vormittags; zweitens zum Wahlkampf in diesem Jahr; drittens zu der Wahlinitiative der Allianz Deutscher Ärzteverbände, deren Vorsitzender ich im Augenblick bin.

Natürlich danke ich Ihnen, Herr Hoppe, auch für Ihnen wirklich exzellenten Vortrag, auch dass Sie die Tabuzone Rationierung und Priorisierung angesprochen haben. Ich fand es sehr bemerkenswert, wie charmant und keusch Herr Beck, wie ich fast sagen möchte, schwadronierte, indem er sagte: Rationierung ist ein so schreckliches Wort, lasst es uns eigentlich nicht in den Mund nehmen.

Die Essenz aus dem Vortrag von Herrn Staatssekretär Theo Schröder war für mich: Alles ist gut, wir sind eigentlich auf einem guten Weg, es gibt noch das eine oder andere zu verbessern, aber die Richtung stimmt.

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Richtung stimmt nicht!

(Beifall)

Die Richtung in der Gesundheitspolitik stimmt seit 1992, seit Lahnstein nicht mehr. Wir haben hier eine verhängnisvolle Große Koalition. Es gilt, dieser Großen Koalition diese unbequemen Wahrheiten entgegenzuhalten: Wir haben eine Rationierung, ja, wir brauchen eine Priorisierung. Wenn Länder wie Schweden mit einem Anteil von 9 Prozent am Bruttoinlandsprodukt das bereits können, dann müssen wir das bei einem Anteil von 6,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt erst recht leisten. Es ist ja nicht nur die Rente nicht sicher, nein, die Gesundheitsversorgung in diesem Lande ist schon lange nicht mehr sicher.

Ich komme zu meinem zweiten Punkt, dem Wahlkampf. Wann denn, wenn nicht jetzt, müssen wir aufstehen und unsere Forderungen der Politik präsentieren?

(Beifall)

Jetzt haben wir immerhin die Gelegenheit, dass sie uns vielleicht vorübergehend zuhören, weil sie wiedergewählt werden wollen. Jetzt können wir ihnen auch sagen, was wir wollen. Dies ist auch erforderlich und das sollten wir tun.

Beginnen möchte ich diesen Teil meiner Rede aber mit dem Vertrauen, das wir als Ärzte bei der Bevölkerung immer noch und weiterhin haben. Trotz der Hetze in den Medien, trotz der negativen Darstellungen sind wir diejenige Berufsgruppe, die bei den Patienten nach wie vor das höchste Vertrauen hat, nämlich zwischen 80 und 90 Prozent. Lassen Sie mich dagegenhalten den Gebrauchtwagenhändler mit 10 Prozent und den Politiker mit 7 Prozent. Sie sehen, welch ein Unterschied das ist, was das für ein Pfund ist, das wir uns aber jeden Tag wieder neu erarbeiten müssen. Es fällt uns nicht in den Schoß. Die Patienten wissen, dass wir ihr Anwalt sind und bleiben. Genau das sollten wir bitte zum zentralen Wahlkampfthema machen, Stichwort: Versorgung wieder sicher machen.

Mein dritter und letzter Punkt ist die Wahlinitiative der Allianz Deutscher Ärzteverbände. In dieser Allianz Deutscher Ärzteverbände sind der Bundesverband der Ärztegenossenschaften, die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände, der Hartmannbund, MEDI Deutschland, der NAV-Virchow-Bund und der Berufsverband Deutscher Internisten vereinigt. Wir vereinigen immerhin mehr als 100 000 Ärztinnen und Ärzte in Praxis und Klinik.

Wir haben eine Wahlinitiative gestartet, die ich Ihnen Anfang Juni in Berlin an anderer Stelle zentral vorstellen werde. Ich möchte Ihnen hier nur ganz kurz die Thesen vorstellen. Sie decken sich weitgehend mit dem, was Herr Professor Hoppe heute Morgen für uns formuliert hat. Die Allianz Deutscher Ärzteverbände fordert erstens eine Abkehr von der staatlich-dirigistischen Gesundheitspolitik, zweitens den Verzicht auf überbordende Regulation und Bürokratie, drittens den Erhalt der solidarischen Grundsicherung unter Stärkung der Eigenverantwortung des Bürgers, viertens die Definition eines Katalogs solidarisch finanzierter Grundleistungen.

Es geht nicht mehr so weiter, dass alles bei uns im Leistungskatalog enthalten ist und dann nicht bezahlt wird; und wir rabattieren 30 Prozent unserer Leistungen für die GKV.

Ganz wichtig sind die beiden letzten Punkte: Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient. Wenn das zerstört wird, dann in der Tat wird unser gutes Ranking bei der Bevölkerung, bei unseren Patientinnen und Patienten nicht mehr vorhanden sein. Es gilt, das Arzt-Patient-Verhältnis unter allen Umständen zu schützen.

Als nächster Punkt: Wir brauchen eine Abkehr von einer ausschließlich ökonomischen Betrachtungsweise des Gesundheitswesens. Gesundheitswesen ist nicht Kostendämpfung, sondern ist sinnvolle Versorgung der Patienten jetzt und in Zukunft.

Bitte unterstützen Sie uns dabei.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Wesiack. – Als nächster Redner kommt Herr Dr. Junker aus Westfalen-Lippe.

© Bundesärztekammer 2009