Dr.
Schüller, Nordrhein: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich möchte zunächst Stellung nehmen zu
der kurzen und knackigen Rede von Herrn Professor Bialas heute Morgen nach der
Verleihung der Paracelsus-Medaille. Da gehe ich nämlich leider nicht mit ihm
konform. Das, was er von dem Kollegen gehört hat, nämlich dass unsere
Grundprinzipien des Arztseins, nämlich die Nächstenliebe, die Ehrfurcht vor der
Schöpfung und dieses Grundvertrauen in den Arzt, nicht zerstört werden, kann
ich nicht teilen. Genau das wird zerstört. Warum wird das in den letzten Jahren
bei uns zerstört? Hier geht es um Grundfesten, die wir auf den Ärztetagen selbst
mit gelegt haben, nicht zuletzt bei der Neuorientierung unserer Berufsordnung
auf dem Ärztetag in Bremen.
Wir haben den Wettbewerb ins
Gesundheitswesen eingeführt. Das war nicht nur die Politik, sondern das waren
auch wir. Wir haben durch Änderungen der Berufsordnung Voraussetzungen
geschaffen, bevor das Gesetz da war – vorauseilender Gehorsam.
Wir sind zurzeit dabei, vom
Gesundheitswesen in die Gesundheitswirtschaft zu wechseln. Bei uns in Nordrhein
ist das so, und zwar mit unserer Regierung zusammen. Der Patient wird zum
Wirtschaftsfaktor, der individuell erkrankte Mensch wird zum Wirtschaftsfaktor.
Wir sind schon voll und ganz dabei, uns darauf einzustellen, dass wir demnächst
als Handlanger größerer Wirtschaftsunternehmen nicht nur in unseren Praxen, sondern
vielfach schon in MVZs oder in ans Krankenhaus angeschlossenen Einrichtungen
der ambulanten Versorgung arbeiten.
Das Vertrauen zum Arzt wird doch
unter diesen Umständen massiv unterhöhlt. Wie soll ich denn als Patient
Vertrauen zum Arzt, der nur für mich denkt und handelt, haben, wenn ich weiß,
dass eine Wirtschaftsmacht dahintersteckt, die an meinem Arztbesuch verdienen
will?
Eine entsprechend veränderte
Berufsordnung hat sich die Ärzteschaft gegeben. Wir haben eine Berufsordnung
geschaffen, die in erster Linie den immer zahlreicher werdenden
Medizinrechtlern dient, die für junge Ärztinnen und Ärzte aber nicht mehr zu
verstehen ist.
Wir dürfen also nicht immer nur
nach außen zeigen; das, was ich erwähnt habe, haben wir selber getan. Es wird
immer mehr sogenannte Transparenz gefordert. Wenn ich das Wort „Transparenz“
höre, merke ich, dass damit oft nur Kontrolle gemeint ist, immer mehr
Kontrolle.
(Beifall)
Wir geraten in einen Kontrollstaat
hinein, das ist grauenhaft. Und das lassen wir uns als sogenannter freier Beruf
gefallen! Diese Kontrollen gehen nicht nur von der Politik und den
Krankenkassen aus, sondern leider immer mehr auch von unseren eigenen Gremien;
(Beifall)
nicht deshalb, weil sie sich damit
nach außen rechtfertigen müssen, sondern weil sie sich selbst nach innen
rechtfertigen wollen, dass sie überhaupt existieren.
Wir müssen uns zunehmend fragen:
Ist das richtig? Ist das im Sinne der Mitglieder dieser Gremien? Sind wir da
noch auf dem richtigen Weg?
Zum Schluss noch ganz kurz
Folgendes. Ich kann die übertriebene Darstellung der Vorteile einer
spezialisierten Palliativmedizin langsam nicht mehr hören. Ich bin Hausarzt.
Ich bin damit einverstanden, dass Punkt 11 so bleibt, wie er lautet, weil ich
gegen die Spaltung der Ärzteschaft in den Hausarztverband und die
Restärzteschaft bin. Aber die Palliativmedizin ist ein hausärztliches
Grundanliegen.
(Beifall)
Es ist doch nicht so, dass ich
nicht schon immer meine Patienten in dieser Hinsicht versorgt habe und auch
schon entsprechende Medikamente verschrieben habe. Dass man das derartig
spezialisiert, ist auch wieder eine Zerstörung des eigentlichen Arztbildes.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Vielen Dank. Alle Sätze, die mit „und“ angeschlossen werden,
müssen ja auch noch zu Ende gesprochen werden. Wenn man einen Punkt macht, ist
es schlecht, dann geht es nicht mehr weiter. – Der nächste Redner ist jetzt
Herr Dr. Wolfram Tuschen. Er kommt aus Westfalen-Lippe. Bitte sehr.
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