TOP I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik

Dienstag, 19. Mai 2009, Nachmittagssitzung

Dr. Dietsche, Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich muss sagen: Ich hatte heute Vormittag bei Ihrer Rede, Herr Präsident, kurz eine akute psychische Krise, als Sie darauf hinwiesen, dass die vertragsärztliche Versorgung der letzten 20 Jahre in Ordnung war. Ich habe mich gefragt: Habe ich die letzten 20 Jahre in einem Wahnsystem verbracht? Nach kurzem Nachdenken und insbesondere nach dem Nachdenken über die aktuelle Situation in Baden-Württemberg bin ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgekommen.

Wir haben in Baden-Württemberg bereits das erste Quartal 2009 abgerechnet. In diesem ersten Quartal 2009 ist als Folge der vertragsärztlichen Vergütung im hausärztlichen Bereich für über 80 Prozent der hausärztlichen Praxen ein Honorarverlust bis zu 30 Prozent zu verzeichnen. Es gibt fachärztliche Gruppen, bei denen die Verluste noch höher liegen. Da noch von einer funktionierenden Honorarverteilung und einem zuverlässigen System zu sprechen, halte ich doch für sehr abenteuerlich. Einige Dinge wurden ja schon von den Vorrednern erwähnt.

(Beifall)

Herr Crusius, ich kann es mir nicht verkneifen: Bevor Sie sich noch einmal zu diesem Thema äußern, bitte ich Sie dringend, sich einfach einmal sachkundig zu machen, was wir tun. Ich biete Ihnen gern an, Sie entsprechend zu informieren.

Zu den Selektivverträgen: Wir etablieren in den südlichen Bundesländern innerhalb des Kollektivvertragssystems – das muss man einmal ganz deutlich sagen; Voraussetzung ist die Zulassung als Vertragsarzt – neue Versorgungsformen, und zwar gute Versorgungsformen mit klaren Versorgungsstrukturen, klaren Honorarstrukturen in Euro.

Der Schwerpunkt bei unserer Honorarordnung in diesen hausarztzentrierten Versorgungsverträgen liegt gerade in der Behandlung chronisch kranker Patienten, schwerkranker Patienten. Die gesunden Patienten werden bei uns nicht wirklich angesprochen.

Wir versuchen hier, eine Kooperation der verschiedenen Versorgungsebenen zu etablieren, mit EDV-Strukturen, mit Fortbildung, mit definierten Schnittstellen. Ich frage mich, was daran schlecht sein kann.

Gestern wurde in der KBV-Vertreterversammlung ein Modell vorgestellt, bei dem wesentliche Eckpunkte der hausarztzentrierten Versorgung aus Baden-Württemberg abkopiert wurden. Da muss ich wirklich sagen: Das kann doch nicht so schlecht sein.

Abschließend: Wenn der Vertrag gut ist, alles freiwillig, werden die Kollegen und die Patienten beitreten. Wenn er schlecht ist, werden sie im KV-System verbleiben. So einfach ist die Welt. Ich bin davon überzeugt, dass die neuen Versorgungsformen die Patienten und die Ärzte überzeugen.

Danke.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Herr Dietsche. – Jetzt Herr Kollege von Ascheraden, ebenfalls aus Baden-Württemberg.

© Bundesärztekammer 2009