Dr.
Dehnst, Westfalen-Lippe: Sehr geehrtes Präsidium! Hochverehrte
Kolleginnen und Kollegen! Der Umgang mit begrenzten Ressourcen gehört
eigentlich zu den Herausforderungen des Alltags, natürlich auch bei uns in der
Medizin, in der medizinischen Versorgung, in der Gesundheitsversorgung. Deshalb
ist es nicht mehr als legitim, darüber zu sprechen, wie man mit dieser
Begrenztheit der Ressourcen umgeht und welche Strategien man einschlägt.
Leider ist die mediale Umsetzung
der Darstellung, auch der Darstellungen unseres Präsidenten gestern nur sehr
unzureichend erfolgt. Die primäre Stoßrichtung, dass auch eine politische und
gesellschaftliche Diskussion darüber in Gang kommen muss, was uns die
Gesundheitsversorgung wert ist, ob die Gesundheit wirklich unser höchstes Gut
ist, ist gar nicht umgesetzt worden. Die Medien haben sich mehr darauf
kapriziert, dass wir, die Ärzteschaft, Ranglisten aufstellen wollen. Hieran
müssen wir noch sehr intensiv arbeiten.
Die Beispiele aus dem Ausland
zeigen uns, dass auch unter dem Begriff Priorisierung die Diskussion schon sehr
lange geführt wird, in Norwegen bereits seit 1987. Schon 1997 erfolgte die
erste Überprüfung der festgelegten Überlegungen.
In Schweden gibt es die Diskussion
seit 1992. 1997 wurden Grundprinzipien und Richtlinien beschlossen. Seit 2001
gibt es ein Priorisierungscenter, etwa so, wie es auch bei uns installiert
werden könnte.
In Finnland wurde 1994 eine Studie
von STAKES, einem staatlichen Forschungsinstitut, unter dem Titel „Von Werten
zur Wahl“ veröffentlicht. Dort wird eine gleiche Versorgung bei gleichem
Behandlungsbedarf gefordert. Nicht akzeptabel als Kriterien sind Alter an sich,
Lebensstil und ökonomische Leistungsfähigkeit.
Das zeigt schon ein bisschen auf,
wie schwierig die Diskussion ist. Wir werden uns die Sache sicher nicht leicht
machen, wenn wir uns auf Priorisierung einlassen, denn dies ist überhaupt nicht
unproblematisch. Zumeist führt die Auseinandersetzung zu einer Art von
Verwaltung, die in Wartelisten mündet. In den nordeuropäischen Ländern ist es
üblich, dass es dort zwei Wartelisten gibt: eine Warteliste vor der
fachärztlichen Untersuchung und eine vor der konservativen und operativen
Therapie. Dies führt zu zunehmenden Verwaltungskosten. Dort ist in jedem
kleinen Krankenhaus ein Angestellter nur damit beschäftigt, diese Wartelisten
zu verwalten.
Ferner tut sich das Problem auf,
dass es verschieden lange Wartezeiten in den einzelnen Regionen gibt. Was
passiert bei der grenzüberschreitenden Versorgung, die zunimmt? Hier erwachsen
ganz neue Ansprüche.
Ein weiteres Beispiel für die Schwierigkeiten,
die auf uns Ärzte zukommen werden, sind sogenannte Punktescores. Beispielsweise
gibt es einen Punktescore für gynäkologische Krebserkrankungen. Beurteilt
werden die zu erwartende Lebensqualität, die wahrscheinliche Lebenserwartung
und mögliche Komplikationen durch eine Therapie. Es wird gefordert,
Einschätzungen vorzunehmen, wie hoch die Lebenserwartung ist. Es wird die
Einschätzung gefordert, wie sich die Lebensqualität möglicherweise verbessern
wird.
Ich sehe da ganz große Probleme.
Dennoch dürfen wir dieser Diskussion nicht aus dem Wege gehen. Rationierung und
Priorisierung gibt es auch bei uns schon lange; das wissen wir. Unlängst hat
das Wettbewerbsstärkungsgesetz eigentlich schon eine Priorisierung vorgenommen,
indem es uns Ärzte zwingt, selbst verschuldete Krankheiten der Patienten – wir
denken da an Piercing, an Tattoos – an die Krankenkassen zu melden. Es fehlt
die Zielpunktdefinition. Das IQWiG ist nichts anderes als ein in meinen Augen
unzureichendes und ungeeignetes Instrument, Priorisierungen durchzuführen. Das
Beispiel der Untersuchung der Insulinanaloga zeigt uns, dass hier letztendlich
die Zielpunktdefinition fehlt. Untersucht wurden die Überlebenszeiten, die
zugegebenermaßen nicht verlängert werden konnten. Was aber nicht untersucht
werden konnte, war die Lebensqualität.
Insofern müssen wir uns fragen, ob
die jetzt bestehenden Regelungen überhaupt zu einer gerechten
Gesundheitsversorgung führen können. Ist die Gesundheit unser höchstes Gut?
Diese Frage muss die Gesellschaft beantworten. Herr Professor Hoppe hat es
gestern gefragt.
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Vizepräsident Dr.
Montgomery: Vielen Dank, Herr Kollege Dehnst. Als Nächster hat das Wort der
Kollege – –
(Zuruf: Redezeit!)
– Ein Antrag zur Geschäftsordnung.
Ich hatte den Namen des Kollegen noch nicht ausgesprochen. Deswegen geht der
Antrag vor. Herr Dr. Emminger aus Bayern beantragt eine Redezeitbeschränkung
auf drei Minuten.
(Beifall)
Wünscht jemand dagegenzusprechen? –
Formal. Dann bitte ich Sie, darüber abzustimmen. Bitte benutzen Sie die gelben
Abstimmungskarten. Wer für die Beschränkung der Redezeit auf drei Minuten ist,
den bitte ich, die Hand zu heben. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist
mit wenigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen fast einstimmig die
Begrenzung der Redezeit auf drei Minuten beschlossen.
Das trifft zuerst den Kollegen Dr.
Peter Eichelmann aus der Ärztekammer Sachsen-Anhalt.
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