Vizepräsidentin Dr.
Goesmann: Herr Vorsitzender! Sehr verehrte Referenten! Meine Damen und
Herren! Vorletzte Woche hatten wir in Berlin das sogenannte Patientenforum, wo
Vertreter der Bundesärztekammer und der KBV die Spitzenverbände der
Patientenorganisationen empfangen und gemeinsam interessierende Fragen
debattiert haben. Es ging damit los, dass uns etwa 15 Minuten lang von den
Patientinnen- und Patientenvertretern heftige Vorwürfe entgegenschallten, dass
wir als Ärzteschaft Rationierung und Priorisierung fordern und fördern würden.
Dem musste natürlich heftig erwidert werden. Wir konnten das in der Debatte
auch auflösen. Trotzdem bleibt dieser Vorwurf im Raum stehen. Wir müssen dem
immer wieder entschieden entgegentreten.
Die Ministerin hat noch eins draufgesetzt.
Wir haben eben gehört, dass sie gesagt hat: Priorisierung ist unmenschlich. Wir
alle erleben in unserer täglichen Arbeit, dass angesichts des demografischen
Wandels eine Rationierung unumgänglich ist und auch stattfindet. Im Moment aber
– das hat Frau Gitter gestern sehr gut herausgearbeitet – wird sie subkutan
durchgeführt. Sie trifft vor allem diejenigen – das haben die letzten fünf
Ärztetage mit ihren Fragestellungen zur psychiatrischen Versorgung, zur
Versorgung von Demenzkranken usw. immer wieder herausgearbeitet –, die sich am
wenigsten wehren können, die am wenigsten eine Lobby haben, um das in Anspruch
nehmen zu können, was ihnen zusteht.
(Vereinzelt Beifall)
Das können wir nicht dulden. Wenn
wir nicht über Rationierung und Priorisierung debattieren, dann ist das unmenschlich.
Unsere Ethikkommission in
Niedersachsen hat sich sehr früh mit Fragen der Verteilungsgerechtigkeit
befasst und erklärt: Ärztinnen und Ärzte müssen diese Debatte nicht selber
führen und die Entscheidung nicht selber treffen, denn sie sind damit moralisch
überfordert. Sie müssen ihren Patientinnen und Patienten dasjenige zukommen
lassen, was sie brauchen. Wenn sie erkennen, dass sie ihren Patientinnen und
Patienten das nicht zur Verfügung stellen können, dann müssen sie politisch
handeln. Das finde ich einen sehr wichtigen Satz.
Das wollen wir jetzt auch tun. Ich
möchte nunmehr die konkrete Ebene ansprechen: Was tun wir denn nun? Wir haben
gestern beschlossen, dass wir vorschlagen, einen Gesundheitsrat zu gründen, der
die Politik in der undankbaren Frage der Verteilungsgerechtigkeit beraten soll.
Um das zu konkretisieren, möchte ich vorschlagen, dass wir uns mit der Frage
befassen, wie dieser Gesundheitsrat aussehen könnte. Er sollte nicht wie der
Sachverständigenrat von Lehrstuhlinhabern besetzt sein, er sollte sich nicht
wie der Gemeinsame Bundesausschuss nur mit Fragen der Kosten befassen, sondern
er soll aus Vertretern aller Betroffenen bestehen. Das sind natürlich Ärztinnen
und Ärzte, die sich auskennen, andere Gesundheitsberufe wie die Pflege. Es
müssen Patientenvertreter in diesem Gremium sein, vielleicht auch Vertreter der
Kostenträger.
Wir müssen in diesem Gesundheitsrat
auch die Strukturdebatte führen: Welches Gesundheitswesen wollen wir? Wer
bekommt was?
Ich bitte Sie, dem Vorstand der
Bundesärztekammer den Auftrag zu erteilen, sich über diesen Gesundheitsrat noch
einmal Gedanken zu machen und das Ergebnis der Politik vorzutragen.
(Beifall)
Vizepräsident Dr.
Montgomery: Vielen Dank, Cornelia Goesmann. – Der nächste Redner ist Herr
Professor Dr. Wulf Dietrich, Bayerische Landesärztekammer.
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