Dr. Jaeger,
Schleswig-Holstein: Jetzt kommt mein Beitrag, den ich eigentlich vorhin
sagen wollte. Herr Professor Katzenmeier, auch in Ihrem hervorragenden Vortrag
ist mir wieder das aufgefallen, was landauf, landab den Bürgern und leider auch
der Ärzteschaft immer wieder eingetrichtert wird: zwar nicht, dass die Erde
eine Scheibe ist, aber dass es eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen gibt.
Sie haben gesagt: Die Ausgaben im Gesundheitswesen sind enorm gestiegen. Sie
sprachen von Kostenanstieg, Kostenexplosion, Kostendämpfung, Kosten müssen
gesenkt werden.
Meine Damen und Herren, das stimmt
nicht. Ich möchte Sie auffordern, das über Ihre Gremien in der Bevölkerung
immer wieder zu verbreiten. Ich habe hier die „Kieler Nachrichten“ von der
vergangenen Woche mit einem schönen Bild von Professor Hoppe: In den letzten
zehn Jahren sind die Gesundheitskosten um 25 Prozent gestiegen. Meine Damen und
Herren, das sind 2,5 Prozent pro Jahr. In den letzten 30 Jahren war es nicht
anders. Ich habe mich mit dieser Problematik intensiv um die Jahrtausendwende
beschäftigt, als es um unseren Arbeitsrechtsstreit ging und es auch da hieß:
Das ist nicht zu bezahlen, wir haben eine Kostenexplosion.
Ich möchte Ihnen einen kleinen
Vergleich darstellen. Mein Bruder hat sich 1978 einen VW Golf zum Preis von
5 000 Euro gekauft. Dieses Auto kostet jetzt etwa 15 000 Euro. Das
ist eine Steigerung um 200 Prozent in 30 Jahren. Das macht 7 Prozent pro Jahr.
Aber man redet nicht von einer Kostenexplosion bei der Automobilindustrie. Ein
Brötchen – für unsere bayerischen Nachbarn: eine Semmel – kostete
1978 5 Cent – das entspricht 10 Pfennig –, heute kostet es in der
Billigversion 25 Cent, in der Luxusversion eines Körnerbrötchens 50 bis 60
Cent. Das ist eine Steigerung von 400 Prozent in 30 Jahren. Das entspricht
einer Steigerung von etwa 12,5 Prozent pro Jahr. Über explodierende Preise bei
Brötchen bzw. Semmeln und bei Kraftfahrzeugen habe ich bisher noch nichts
gehört.
Meine Damen und Herren, es muss
doch die Diagnose vor die Therapie gestellt werden. Es ist klar, dass unsere
Regierenden, dass die Politiker versuchen, uns zu erklären, wir hätten
explodierende Kosten, weil dann ja andere, nämlich wir, dafür verantwortlich
gemacht werden können. Wenn wir aber sagen, dass es überhaupt keine
Kostenexplosion gibt, dass wir wahnsinnig effizient sind, dass wir eine normale
Kostenentwicklung haben bei deutlich gesteigerter medizinischer Versorgung –
die Demografie usw. wurde immer wieder angesprochen –, dann muss man sich ja
sagen: Die Ursachen liegen ganz woanders, nämlich bei den wegbrechenden
Einnahmen. Hier müssen die Gesellschaft und die Politiker in die Pflicht
genommen werden. Bitte hören Sie auf mit der Mär von der Kostenexplosion!
Danke schön.
(Beifall)
Vizepräsident Dr.
Montgomery: Vielen Dank, Norbert Jaeger. – Andreas Scholz aus Hessen hat
das Wort.
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