TOP II: Patientenrechte in Zeiten der Rationierung

Mittwoch, 20. Mai 2009, Vormittagssitzung

Henke, Vorstand der Bundesärztekammer: Herr Präsident! Liebe Referenten! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines der Kommunikationsprobleme, die wir haben, ist, dass wir natürlich 60, 70 oder 80 Priorisierungsstufen denken können, wenn wir eine Priorisierung durchführen wollen, in der wir alle Maßnahmen, die es in der Medizin überhaupt gibt, entsprechend ihrer Dringlichkeit in eine Reihenfolge bringen möchten. Jedes Fachgebiet wird seine eigene Reihenfolge haben, jede Versorgungsform wird ihre eigene Reihenfolge haben, jedes Netzwerk, in dem Kooperation organisiert wird, wird seine eigene Reihenfolge haben.

Wenn wir die Debatte über Priorisierung so organisieren, dass wir in eine Diskussion kommen über eine Katalogisierung von 80, 90 oder 100 Maßnahmen oder der inzwischen 1 200 DRGs oder über die Einträge in das Register der Krankheiten, dann wird diese Debatte uferlos werden. Wir werden sie nicht beherrschen, die Politik wird sie nicht beherrschen, niemand wird sie beherrschen.

Sozialpolitisch gesehen, für die Gestaltung des Sozialgesetzbuchs, sind nur drei Unterscheidungen wirklich zentral: Was ist so dringend, so wichtig, so bedeutend, dass es unter allen Umständen und auf jeden Fall von den Kassen bezahlt werden muss? Was ist weniger dringend und muss nur dann von den Kassen bezahlt werden, wenn das Geld dafür reicht? Was ist so sehr nahe am Konsumgut, dass es von den Kassen überhaupt nicht bezahlt werden muss?

Wenn wir diese Unterscheidungen treffen, bekommen die Versicherten Sicherheit darüber, worauf sie sich bei den Krankenkassen verlassen können und wofür sie selber zusätzlich vorsorgen müssen. Diese Sicherheit für die Versicherten muss von der Art, wie wir die Diskussion führen, ausgehen, weil die Versicherten durch das, was sie an Rationierung erleben, das Gefühl haben, einer Beliebigkeit zu begegnen. Diese Beliebigkeit nimmt ihnen die größte Leistung der Sozialversicherung, nämlich dass sie einen Anspruch darauf haben, für ihr Geld mit einer kalkulierbaren Leistung rechnen zu können.

Genau an dieser Stelle können wir das Bündnis herstellen, weil das nämlich Patienten und Ärzte als Rationierung empfinden.

Ich bedanke mich.

(Beifall)

Vizepräsident Dr. Montgomery: Vielen Dank, Rudolf Henke. – Der nächste Redner ist Christoph Emminger.

© Bundesärztekammer 2009