Prof. Dr. Griebenow,
Nordrhein: Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen
und Herren! Ich würde gern mit Genehmigung des Präsidenten ein bisschen aus den
Memoiren von Gerhard Schröder zitieren.
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Von welchem Gerhard Schröder?
Prof. Dr. Griebenow,
Nordrhein: Dem Exkanzler. Der Exkanzler hat in seinen Memoiren auf Seite
290 geschrieben – ich zitiere –:
Die Akteure der Angebotsseite
im Gesundheitssystem – Ärzte, Apotheker, Pharmaindustrie und die Kassen – haben
vor allem ökonomische Interessen.
Etwas weiter befasst er sich mit
den einzelnen Mitgliedern seines Kabinetts und dabei auch mit Ulla Schmidt. Er
schreibt Folgendes – Zitat –:
Was immer man kritisch gegen
einzelne Vorschläge ihres Ministeriums zur Reform des Gesundheitswesens
vorbringen will, niemand kommt daran vorbei, dass Ulla Schmidt mit Courage und
Entschlossenheit die seit Jahren emsig geölte Geldvernichtungsmaschinerie im
Gesundheitswesen ins Visier genommen hat und versucht, sie den finanziellen
Möglichkeiten anzupassen, ohne einer Zweiklassenmedizin das Wort zu reden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
wer eine solche Sicht auf das Gesundheitswesen und die Ärzteschaft hat, dem
steht Freiberuflichkeit im Weg, insbesondere dann, wenn er der Rationierung das
Wort redet. Rationierung bedroht die Freiberuflichkeit, weil sie im Kern
dadurch begründet ist, dass wir einen Freiheitsgrad an Entscheidungen haben, um
die beste patientenindividuelle Diagnose und Therapie festzulegen.
Diese Freiheit ist aber nicht erst
bedroht, wenn wir von Rationierung sprechen, sondern diese Bedrohung setzt sehr
viel früher an. Die Verfasser des Antrags III-06 sprechen davon, dass sie schon
bei der Konfektionierung von Leistungen beginnt. Das heißt, es fällt eine
Leistung nicht aus, sie wird erbracht, aber sie wird aus in der Regel
wirtschaftlichen Gründen modifiziert. Das sieht dann so aus, dass Sie – ich bin
Kardiologe – für Ihre interventionelle Koronartherapie vielleicht nicht mehr
alle Stents in jeder Länge im Schrank haben. Wenn man einen entsprechend langen
Stent braucht, nimmt man eben zwei kurze Stents. Oder Sie haben eben nicht mehr
alle Durchmesser zur Verfügung; dann nehmen Sie eben den nächstkleineren.
Dadurch bekommt niemand sofort einen Herzinfarkt, es verstirbt auch keiner. Aber
dies ist der erste Schritt, der dazu führt, dass wir dann später eine
Rationierung haben.
Sie merken vielleicht mit etwas
Erschrecken, dass dies eine Schnittstelle ist, wo wir einen Dauerkonflikt
haben, weil wir uns dieser Schnittstelle in unserem täglichen Tun nicht
entziehen können. Natürlich wollen und müssen wir uns der Diskussion stellen,
was betriebswirtschaftlich und auch gesamtwirtschaftlich im Gesundheitswesen am
günstigsten ist. Natürlich wollen wir nicht in den Ruf kommen, wir würden dafür
plädieren, dass aus Gründen der ärztlichen Freiheit Geld verschwendet wird.
Aber gleichzeitig ist das auch
diejenige Stelle, wo der erste Schritt getan wird, wo die Quelle eines kleinen
Flüsschens ist, was heute die Konfektionierung von Leistungen ist und was über
Zustände, wie sie Herr Jaeger vorhin geschildert hat, später zur Rationierung
wird.
Unser Antrag will dies in unser
Bewusstsein heben, will gleichzeitig aber auch der Politik klarmachen, dass wir
sehr wach sehen, wo die Mechanismen sind, die täglich dazu führen, in kleinen
Schritten die ärztliche Freiberuflichkeit anzukratzen, und dass wir gewillt
sind und weiterhin dafür kämpfen werden, dass dies auf denjenigen Rahmen
reduziert bleibt, der adäquat ist.
Vielen Dank.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Schönen Dank, Herr Griebenow. – Als nächster Redner Herr Emminger
aus Bayern.
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