TOP III: Der Beruf des Arztes – ein freier Beruf heute und in Zukunft

Mittwoch, 20. Mai 2009, Nachmittagssitzung

Schäfer, Hamburg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon eine ganze Menge zum Thema Freiheit, Freiberuflichkeit etc. gehört. Freiheit heißt nicht nur Freiheit „von“, sondern auch Freiheit „zu“, und zwar zu einer unabhängigen Entscheidungsfindung. Ich möchte die Brisanz an ein paar Beispielen aufzeigen, die mir tagtäglich in Telefonaten in die Ohren flattern.

Ich habe noch die Zeiten erlebt, als in der Klinik der kaufmännische Direktor hauptberuflich war, der ärztliche Direktor das im Nebenamt machte und der kaufmännische Direktor ihm die Entscheidungen vorbereitete und ihm zuarbeitete. Kurze Zeit später wurde dann der kaufmännische Direktor sehr selbstständig und selbstbewusst. Irgendwann kam es dazu, dass, um ihm Paroli bieten zu können, der ärztliche Direktor zum Fulltimejob wurde.

Heute brüstet sich eine Klinikkette damit, dass sie den ärztlichen Direktor wieder abgeschafft hat, zum Hobby nebenbei gemacht hat. Das alleinige Sagen in der Klinik hat der Kaufmann.

Welche Folgen das hat, ist richtig spannend zu sehen, wenn Sie als Sohn einer 91-jährigen Mutter erfahren: Ihre Mutter ist nicht gut genug, um nach der operativ versuchten Behandlung der Hüftgelenksfraktur noch in die Reha zu kommen. Sie wird dann in die Geriatrie abgeschoben, von der die kenntnisreiche Krankenkasse sagt: Dort werden die Patienten nur noch verwaltet, mehr nicht.

Hier wird nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden, weil es so schön billig ist, die Reha wird zu teuer. Dann wird, um irgendwelchen Pauschalen gerecht zu werden, den Krankenschwestern aufgetragen, Heusäckchen auf die Patienten zu verteilen und dies als „krankengymnastische Behandlung“ zu dokumentieren. Wenn man nachfragt, geben die Schwestern Ihnen zu: Dokumentation für alles das, was nach Lehrbuch erforderlich ist, die Restzeit am Patienten wird für die Leistung erübrigt. Dokumentation geht vor Ausführung.

Das ist „Qualität“ unter kaufmännischem Diktat heutzutage. Wir draußen in der Praxis dürfen es zu ungünstigeren Konditionen nacharbeiten. Das ist sicher für das Gesamtsystem teurer.

Hier müssen wir dafür sorgen, dass der ärztliche Sachverstand ein sehr viel stärkeres Gewicht erhält und dass wir die Freiheit der Ärzte für ihre Patienten uns wieder erstreiten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Danke schön, Herr Schäfer. So ist das. Wenn man jemanden im Hintergrund hat, der dafür sorgt, dass für das Krankenhaus, das sich so verhält bzw. für die Einrichtung, öffentlichkeitswirksame Nachteile entstehen könnten, dann ist die Verhaltensweise plötzlich ganz anders. Soweit sind wir schon. Ich spreche auch aus Erfahrung.

Jetzt bitte Frau Taube aus Sachsen.

© Bundesärztekammer 2009