Dr. Mitrenga, Nordrhein:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, „Vertrauen“
wäre das Wort, mit dem wir dem Patienten begegnen müssten. Vertrauen müsste er
zu uns haben; denn in einer von Vertrauen getragenen partnerschaftlichen – das
bedeutet ja, dass der Patient von uns als mündig eingestuft und behandelt wird –
Patient-Arzt-Beziehung lassen sich Selbstbestimmungsrecht des Patienten und
berufliche Fürsorgepflicht des Arztes am besten in Einklang bringen. Ärzte und
Ärztinnen und die anderen im Gesundheitswesen Tätigen sind aber seit Jahren,
ja, seit mehr als einem Jahrzehnt unter einem permanenten Rechtfertigungszwang
und werden vom Patienten zunehmend als Verweigerer ihm doch zustehender
Leistungen erlebt.
Erklärungsversuche durch Ärzte
erfordern nicht nur wertvolle Zeit, sie führen zum Vertrauensschwund, ja, sie
führen zu Misstrauen. Inzwischen ist es der Politik ernstlich gelungen, eine
richtige Misstrauenskultur herbeigeführt zu haben. Und in einer solchen
Misstrauenskultur sollen junge Ärztinnen und Ärzte ärztliches Handeln und
Denken lernen? Meine Damen und Herren, das ist außerordentlich schwierig.
Da die Politik aber merkt, dass sie
es auf diesem Weg vielleicht doch nicht
überziehen kann, haben die Gesundheitsökonomen und andere kluge Köpfe
angefangen, eine neue Terminologie einzuführen – ein Kollege hat vor zwei
Stunden dazu bereits Stellung genommen –, die von uns Ärzten als den
Betroffenen oft allzu bereitwillig befolgt wird. Der Patient degeneriert zum
Kunden und Konsumenten, neuerdings auch zum Krankheitsanbieter; Ärzte und
Schwestern degenerieren zu Leistungserbringern bzw. zu Leistungsanbietern. Aber
auch hier gilt der Satz von Camus: Wer die Dinge falsch benennt, verstärkt das
Unheil in der Welt. Eine Lösung ist von dieser Art, mit den Problemen
Arzt/Patient umzugehen, nicht zu erwarten.
Dass die Individualität zwischen
Arzt und Patient eigentlich etwas Einzigartiges ist, dass sich der eine dem
anderen öffnet und ihm vertraut, er wird es richtig machen, waren für die
Politik längst betriebspolitische Störfaktoren. Aber das ist gar nicht neu,
meine Damen und Herren. In einem Buch von 1987 hat Anke Fuchs, damals
Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, in einem
Statement vor Ärzten erklärt:
Ärztliche Funktionen in
unserem modernen Industriestaat auszuüben, kann doch nicht von der utopischen
Vorstellung abgeleitet sein, als gäbe es ein Verhältnis zwischen Arzt und
Patient, das von übergeordneten staatlichen Interessen frei und völlig
unabhängig zu sein habe.
Meine Damen und Herren, genau das
ist es: Es muss völlig frei von übergeordneten und erst recht von staatlichen
Interessen sein. Dafür müssen wir eintreten und dafür braucht es den freien
unabhängigen Arzt, ganz gleich ob in Klinik
oder Praxis. Aber Sie sehen: Das ist nicht neu; in einigen Parteien hat eine
solche Kultur offensichtlich eine lange Tradition.
Ich danke Ihnen.
(Beifall)
Präsident Prof. Dr. Dr. h.
c. Hoppe: Vielen Dank, Dieter Mitrenga. – Damit sind wir am Ende der
Aussprache. Vielen Dank. 29 Rednerinnen und Redner haben sich an der Aussprache
beteiligt. Jetzt haben die beiden Herren Referenten die Gelegenheit zu einem
Schlusswort. Als Erster Herr Professor Hommerich. Bitte schön, Professor
Hommerich.
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