TOP III: Der Beruf des Arztes – ein freier Beruf heute und in Zukunft

Mittwoch, 20. Mai 2009, Nachmittagssitzung

Dr. Mitrenga, Nordrhein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, „Vertrauen“ wäre das Wort, mit dem wir dem Patienten begegnen müssten. Vertrauen müsste er zu uns haben; denn in einer von Vertrauen getragenen partnerschaftlichen – das bedeutet ja, dass der Patient von uns als mündig eingestuft und behandelt wird – Patient-Arzt-Beziehung lassen sich Selbstbestimmungsrecht des Patienten und berufliche Fürsorgepflicht des Arztes am besten in Einklang bringen. Ärzte und Ärztinnen und die anderen im Gesundheitswesen Tätigen sind aber seit Jahren, ja, seit mehr als einem Jahrzehnt unter einem permanenten Rechtfertigungszwang und werden vom Patienten zunehmend als Verweigerer ihm doch zustehender Leistungen erlebt.

Erklärungsversuche durch Ärzte erfordern nicht nur wertvolle Zeit, sie führen zum Vertrauensschwund, ja, sie führen zu Misstrauen. Inzwischen ist es der Politik ernstlich gelungen, eine richtige Misstrauenskultur herbeigeführt zu haben. Und in einer solchen Misstrauenskultur sollen junge Ärztinnen und Ärzte ärztliches Handeln und Denken lernen? Meine Damen und Herren, das ist außerordentlich schwierig.

Da die Politik aber merkt, dass sie es auf diesem Weg vielleicht doch nicht
überziehen kann, haben die Gesundheitsökonomen und andere kluge Köpfe angefangen, eine neue Terminologie einzuführen – ein Kollege hat vor zwei Stunden dazu bereits Stellung genommen –, die von uns Ärzten als den Betroffenen oft allzu bereitwillig befolgt wird. Der Patient degeneriert zum Kunden und Konsumenten, neuerdings auch zum Krankheitsanbieter; Ärzte und Schwestern degenerieren zu Leistungserbringern bzw. zu Leistungsanbietern. Aber auch hier gilt der Satz von Camus: Wer die Dinge falsch benennt, verstärkt das Unheil in der Welt. Eine Lösung ist von dieser Art, mit den Problemen Arzt/Patient umzugehen, nicht zu erwarten.

Dass die Individualität zwischen Arzt und Patient eigentlich etwas Einzigartiges ist, dass sich der eine dem anderen öffnet und ihm vertraut, er wird es richtig machen, waren für die Politik längst betriebspolitische Störfaktoren. Aber das ist gar nicht neu, meine Damen und Herren. In einem Buch von 1987 hat Anke Fuchs, damals Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, in einem Statement vor Ärzten erklärt:

Ärztliche Funktionen in unserem modernen Industriestaat auszuüben, kann doch nicht von der utopischen Vorstellung abgeleitet sein, als gäbe es ein Verhältnis zwischen Arzt und Patient, das von übergeordneten staatlichen Interessen frei und völlig unabhängig zu sein habe.

Meine Damen und Herren, genau das ist es: Es muss völlig frei von übergeordneten und erst recht von staatlichen Interessen sein. Dafür müssen wir eintreten und dafür braucht es den freien unabhängigen Arzt, ganz gleich ob in Klinik
oder Praxis. Aber Sie sehen: Das ist nicht neu; in einigen Parteien hat eine solche Kultur offensichtlich eine lange Tradition.

Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. Hoppe: Vielen Dank, Dieter Mitrenga. – Damit sind wir am Ende der Aussprache. Vielen Dank. 29 Rednerinnen und Redner haben sich an der Aussprache beteiligt. Jetzt haben die beiden Herren Referenten die Gelegenheit zu einem Schlusswort. Als Erster Herr Professor Hommerich. Bitte schön, Professor Hommerich.

© Bundesärztekammer 2009