Dr. Voigt, Niedersachsen:
Frau Goesmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Glück hat Herr Fischbach als
Pädiater schon einige grundsätzliche Vorbemerkungen gemacht. Ich versuche, mit
drei Minuten Redezeit auszukommen.
Zunächst einmal möchte ich beiden
Referenten ganz herzlich für die Art und Weise danken, wie sie das Thema
dargestellt haben. Ich glaube, wir müssen sehr deutlich den Appell aussprechen,
dass wir ein behindertenfreundliches Klima schaffen müssen. Das halte ich für
eine extrem wichtige Forderung. Ich als niedergelassener Pädiater erlebe zum
einen, dass wir zwar ein recht gutes Versorgungsniveau haben, aber ich sehe
auch, dass wir in der Gesellschaft ein großes Problem haben, Behinderung zu
akzeptieren. Die Zahl der Down-Kinder in meiner Praxis sinkt beständig. Man muss
sich fragen, woran das liegt. Es gibt die gesellschaftliche Grundhaltung,
Behinderungen möglichst nicht zu akzeptieren und von vornherein das Eintreten
dieser Behinderungen zu verhindern.
Ich möchte zu drei Punkten
detailliert Stellung beziehen. Zum ersten geht es um die Hilfsmittelversorgung
für Kinder mit Behinderungen. Wir erleben, dass in diesem Bereich mittlerweile
eindeutig eine Priorisierung stattfindet. Sie wird delegiert an die Kolleginnen
und Kollegen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, die hier in großem
Umfang eingreifen. Ich betreue zwei Kinder mit Rett-Syndrom. Hier weigern sich
die Krankenkassen definitiv, über eine basale Physiotherapie hinaus
irgendwelche weiteren Behandlungsmaßnahmen außerhalb des Regelfalls zu
finanzieren. Das ist etwas, was ich für höchst skandalös halte. Ich denke, man
kann den Kollegen im Medizinischen Dienst diese Verantwortung nicht übertragen.
Ich halte das für unerträglich.
(Beifall)
Ein zweiter Punkt, der für Kinder
und Jugendliche höchst problematisch ist, sind die Kriterien, die für die
Beurteilung von Pflegestufen herangezogen werden. Auch hier werden Kriterien
verwendet, die den spezifischen Problemen dieser Kinder und Jugendlichen nicht
gerecht werden. Wir müssen dringend fordern, dass diese Bewertungskriterien
verändert werden, damit wir den Bedarf der Kinder erfüllen können.
Es wurde hier schon mehrfach
angesprochen, dass es einen großen Bedarf an Sozialpädiatrischen Zentren gibt.
Auch ich sehe das grundsätzlich so. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir
das große Problem haben, dass in diesen Zentren im großen Umfang Kinder zur
Vorstellung kommen, die einfach nicht dorthin gehören, sodass die Zentren mit
solchen Fällen überflutet werden und sich nicht mehr den wirklich
problematischen Fällen widmen können. Auch da ist es sicherlich wichtig, dass
wir zusehen, dass wir eine Überdiagnostik bei Kindern mit leichten Störungen
vermeiden und sie dort behandeln, wohin sie gehören, nämlich in den Praxen der
niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Vizepräsidentin Dr.
Goesmann: Vielen Dank, Herr Voigt. – Es folgt Herr Dr. Bolay aus
Westfalen-Lippe.
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