TOP IV: Medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung

Donnerstag, 21. Mai 2009, Vormittagssitzung

Dr. Dewitz, Berlin: Sehr geehrte Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wichtig dieser Tagesordnungspunkt auf dem Ärztetag ist, haben die Vorträge von Herrn Dr. Peters und Herrn Professor Seidel gezeigt. Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich insbesondere, wie ich finde, auch im Umgang mit Menschen mit Behinderungen, mit kranken, mit älteren, mit schwachen Menschen. Herr Peters hat auf die Verbrechen in den dunkelsten Jahren deutscher Geschichte hingewiesen. So etwas darf sich in Deutschland nie wiederholen, so etwas wird sich nie wiederholen. Er hat aber auch mit Recht auf die negativen Entwicklungen in Holland hingewiesen. Ich habe einen guten Bekannten, der contergangeschädigt ist. Er beobachtet die Entwicklung in Holland mit großem Argwohn, mit Ängsten und Sorgen, dass diese Debatte auch nach Deutschland mit negativen Auswirkungen auf Behinderte überschwappen könnte.

Herr Professor Seidel hat mit Recht auf die schleichende Entwertung beschädigten Lebens im öffentlichen Diskurs hingewiesen. Hier müssen wir entgegenwirken. Er hat auch auf eine heimliche Lebenswertdebatte hingewiesen. Auch hiergegen müssen wir als Ärzte unsere Stimme erheben; denn genau davor haben Menschen mit Behinderung auch in unserem Land Angst, dass so etwas im öffentlichen Raum Platz greifen könnte.

Wir sollten uns auch in der öffentlichen Diskussion für eine behindertenfreundliche Gesellschaft und eine behindertengerechte Gestaltung unserer Gemeinden einsetzen.

Ich habe hier noch einige Beispiele aus meinem kommunalpolitischen Engagement. Wenn Bürgersteige an den Kreuzungen abgesenkt werden, müssen auch Riffelplatten für Sehbehinderte verlegt werden. Wenn Ampelanlagen erneuert werden, sollten sie sehbehindertengerecht mit diesen Vibrationsanlagen ausgestattet werden. Diese sollten nicht, wie in Berlin geschehen, um 22 Uhr abgeschaltet werden, weil sich Anwohner durch das Gesumme gestört fühlten und sich beim Bezirk beschwerten. Das kann man abends auch leiser stellen. Es ist nicht einzusehen, dass Sehbehinderte um 22 Uhr zu Hause sein müssen. Wenn U-Bahnhöfe mit Fahrstühlen ausgestattet werden, sollte es üblich werden, dass im Verkehrsfunk durchgesagt wird, welche ausgefallen sind; denn der Behinderte weiß zwar, wo er in den Tunnel hineinkommt, aber er weiß nicht, wie er wieder hinauskommt. Wenn dort, wo er aussteigen möchte, der Fahrstuhl außer Betrieb ist, muss er wieder zurückfahren und kann nicht dort aussteigen, wo er dies tun möchte.

Ich denke, für diese Dinge können wir uns einsetzen. In meinem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wird es noch 20 Jahre dauern, bis alle Ampeln sehbehindertengerecht ausgestattet sind.

Ich habe im Jahre 2000 mit Freude die Übertragung der Olympischen Spiele in Sydney gesehen. Damals war man dort schon wesentlich weiter als wir hier zehn Jahre später.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Wir danken Ihnen. – Nun folgt Frau Kollegin Haus aus Nordrhein.

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