TOP IV: Medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung

Donnerstag, 21. Mai 2009, Vormittagssitzung

Haus, Nordrhein: Frau Vizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin seit vielen Jahren niedergelassene Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und betreue eine große Anzahl von körperlich-neurologisch Behinderten, aber auch von psychisch Behinderten. Ich kann nahtlos an das anschließen, was Herr Dewitz eben ausgeführt hat. Auch in unseren Praxen fehlt es oft an Barrierefreiheit. Ich habe sehr viele Patienten, die bei zunehmender Behinderung ihre Hausärzte, ihren Gynäkologen oder ihren sonstigen behandelnden Arzt wechseln müssen, weil sie nicht mehr in deren Praxen gelangen.

Angesichts der fehlenden Ressourcen für Investitionen bei den niedergelassenen Ärzten wäre es beispielsweise eine, wie ich finde, gute Idee, bei solchen Praxen, in denen viele Behinderte betreut werden, Umbauten so zu gestalten, dass auch Behinderte diese Praxen erreichen können, denn diese Patienten müssen ja nicht unbedingt durch Hausbesuche versorgt werden. Man möchte ja deren Selbstständigkeit gern erhalten.

Ich möchte noch ein Wort zu den psychisch Behinderten sagen, die für meine Begriffe ein bisschen ein Schattendasein in der Behindertenlandschaft fristen, weil deren Behinderung oft nicht von vornherein erkannt wird. Es bestehen aber deutliche Leistungseinbußen. Es müssen ganz deutliche Hilfen gewährt werden. Die Mittel zur Erkennung und Durchsetzung der erforderlichen Maßnahmen sind außerordentlich gering.

Es sind Methoden abgeschafft worden, die es früher gab, beispielsweise ambulante Belastungserprobungen, die den Nachweis ermöglichten, dass jemand psychisch so behindert ist, dass er bestimmten Anforderungen beispielsweise des Arbeitsamts nicht mehr gerecht werden kann. Das ist inzwischen alles entfallen.

Es ist auch schwierig, Heilmittel wie die Ergotherapie für psychisch Behinderte zu bekommen, wenn nicht eine eindeutige psychiatrische Erkrankung vorliegt, die das rechtfertigt. Die Begründungen, die man dafür als Arzt liefern muss, sind außerordentlich schwer zu formulieren, weil sie auf irgendwelchen Papieren erfolgen müssen, die dafür nicht gemacht sind.

Lassen Sie mich bitte noch ein kurzes Wort zur Kostenerstattung sagen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass das Sachleistungsprinzip ein Grund ist, warum Gelder verschwinden, die wir dringend für die Versorgung gerade dieser Behinderten brauchen könnten. Wir brauchen Transparenz im Leistungsgeschehen und wir brauchen Transparenz bei den Kosten, die dafür anfallen. Dieses System ist ein geeignetes System, dies darzustellen. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir das Problem, dass Behinderte wegen Geldmangels nicht zum Arzt gehen, nicht mit unseren Ansichten lösen könnten.

Danke.

(Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Vielen Dank, Frau Haus. Mir sprachen viele Aspekte aus der Seele. – Jetzt kommt Herr Professor Mau aus Berlin.

© Bundesärztekammer 2009