TOP IV: Medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung

Donnerstag, 21. Mai 2009, Vormittagssitzung

Prof. Dr. Mau, Berlin: Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen für die Behinderten Geld, wir brauchen Gesetze, wir brauchen Strukturen, wir brauchen Qualifikationen. Herr Seidel hat gesagt: Wir brauchen einen Schwerpunkt; Behinderte zu betreuen erfordert mehr als Zuwendung, nämlich ein warmes Herz und spezielle Qualifikationen.

Ich bin froh, dass sich dieser Ärztetag dieses Themas so angenommen hat. Ich weiß, es ist in guten Händen. Ich bin als Kinderchirurg mit diesem Problem seit 40 Jahren vertraut. Meine ältesten behinderten Patienten sind heute Großeltern. Ich habe nur eine Bitte, denn über einen Aspekt, der mit Behinderten in einem untrennbaren Zusammenhang steht, ist bis jetzt überhaupt noch nicht gesprochen worden: Die Hauptakteure bei der Sorge um Behinderte sind nicht die Ärzte, sind nicht die Pfleger, sind nicht die Physiotherapeuten, sondern nach wie vor die Mütter dieser Menschen.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich heute mit einer Schwangeren spreche, die ein behindertes Kind in sich trägt, dann müsste ich ihr sagen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie beim ersten Geburtstag Ihres Kindes alleinerziehend sind, beträgt über 90 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie am zweiten Geburtstag Ihres Kindes Ihren Beruf nicht mehr ausüben, liegt über 90 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie am dritten Geburtstag Ihres Kindes nicht mit Ihren alten Freundinnen aus der Zeit vor Ihrer Ehe zusammen feiern, sondern eher in einer Behindertengruppe, ist fast 100 Prozent.

Wir müssen heute diesen Frauen, die dieses Los – von uns mit unterstützt – tragen, aber nicht alleine tragen, zu mehr Anerkennung, zu mehr finanzieller Unterstützung und auch zu einer besseren Lebensabsicherung verhelfen.

(Beifall)

Wenn heute eine 70-jährige Frau im Altersheim ihren Lebensabend verbringt, die 40 Jahre lang ein Down-Kind, das vielleicht in Bethel ist, versorgt hat, mit einer Minimalrente leben muss, weil sie niemals gearbeitet hat, ist das für mich ein Skandal. Da bitte ich Sie um Unterstützung. Sie sollten den Antrag 9 interessiert lesen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Vielen Dank, Herr Professor Mau. Der Beifall zeigt, dass wir alle dieses Anliegen sehr unterstützen. – Es folgt jetzt Frau Dr. Groß.

© Bundesärztekammer 2009