Prof. Dr. Mau, Berlin:
Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen für die
Behinderten Geld, wir brauchen Gesetze, wir brauchen Strukturen, wir brauchen
Qualifikationen. Herr Seidel hat gesagt: Wir brauchen einen Schwerpunkt;
Behinderte zu betreuen erfordert mehr als Zuwendung, nämlich ein warmes Herz
und spezielle Qualifikationen.
Ich bin froh, dass sich dieser
Ärztetag dieses Themas so angenommen hat. Ich weiß, es ist in guten Händen. Ich
bin als Kinderchirurg mit diesem Problem seit 40 Jahren vertraut. Meine
ältesten behinderten Patienten sind heute Großeltern. Ich habe nur eine Bitte,
denn über einen Aspekt, der mit Behinderten in einem untrennbaren Zusammenhang
steht, ist bis jetzt überhaupt noch nicht gesprochen worden: Die Hauptakteure
bei der Sorge um Behinderte sind nicht die Ärzte, sind nicht die Pfleger, sind
nicht die Physiotherapeuten, sondern nach wie vor die Mütter dieser Menschen.
(Beifall)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn ich heute mit einer Schwangeren spreche, die ein behindertes Kind in sich
trägt, dann müsste ich ihr sagen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie beim ersten
Geburtstag Ihres Kindes alleinerziehend sind, beträgt über 90 Prozent. Die
Wahrscheinlichkeit, dass Sie am zweiten Geburtstag Ihres Kindes Ihren Beruf
nicht mehr ausüben, liegt über 90 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie am
dritten Geburtstag Ihres Kindes nicht mit Ihren alten Freundinnen aus der Zeit
vor Ihrer Ehe zusammen feiern, sondern eher in einer Behindertengruppe, ist fast
100 Prozent.
Wir müssen heute diesen Frauen, die
dieses Los – von uns mit unterstützt – tragen, aber nicht alleine tragen, zu
mehr Anerkennung, zu mehr finanzieller Unterstützung und auch zu einer besseren
Lebensabsicherung verhelfen.
(Beifall)
Wenn heute eine 70-jährige Frau im
Altersheim ihren Lebensabend verbringt, die 40 Jahre lang ein Down-Kind, das
vielleicht in Bethel ist, versorgt hat, mit einer Minimalrente leben muss, weil
sie niemals gearbeitet hat, ist das für mich ein Skandal. Da bitte ich Sie um
Unterstützung. Sie sollten den Antrag 9 interessiert lesen.
Vielen Dank.
(Beifall)
Vizepräsidentin Dr.
Goesmann: Vielen Dank, Herr Professor Mau. Der Beifall zeigt, dass wir alle
dieses Anliegen sehr unterstützen. – Es folgt jetzt Frau Dr. Groß.
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