Prof. Dr. Kahlke, Hamburg:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Peters,
ich erinnere mich gut an den zitierten Ärztetag in Ludwigshafen, an diese
unselige Aussage eines Delegierten. Ich erinnere mich auch sehr gut an Ihre
Antwort. Ich bin schon seit Längerem auf Ärztetagen und denke: Jener Kollege,
jene Kollegin ist auch wieder da. Wenn ich Sie sehe, dann freue ich mich immer.
Das sage ich ganz offen.
Sie haben die Worte ausgesprochen,
die man gar nicht mehr gebrauchen mag, nämlich Wert- und Unwertdiskussion. Wenn
ich höre, dass eine Ärztin bzw. ein Arzt sagt, sie bzw. er sehe keinen Wert in
diesem Behinderten – wahrscheinlich stark Behinderten –, habe ich bei allem
Respekt vor dem Begriff der Behinderung die Frage: Gibt es nicht auch eine
Behinderung eingeschränkter Menschlichkeit? Ich frage: Wer ist bei einer
solchen Aussage eigentlich behindert?
(Beifall)
Herr Kollege Seidel, ich
finde Ihre Aussage sehr wichtig – ich hoffe, ich gebe sie richtig wieder –: Die
engagierte Zuwendung der deutschen Ärzteschaft gegenüber Menschen mit
Behinderung ist ein Beitrag zur Wertorientierung der deutschen Gesellschaft. So
habe ich es verstanden. Es ist schwer, wenn wir das unmittelbar umsetzen
wollen, um ein Menschenbild in der Ärzteschaft auch nach außen zu tragen.
Ich denke an die Diskussion – sie
wurde gestern kurz angesprochen – über das Gesetz der so genannten
Spätabtreibung. Man muss entscheiden: Wie bin ich ärztlich herausgefordert im
Blick auf behinderte Menschen und wie bin ich ärztlich herausgefordert im Blick
auf das Schicksal der Mutter, der Schwangeren?
Ich denke, je mehr wir zeigen, dass
unser Menschenbild auf eine den Behinderten voll integrierende
Gesellschaftsordnung ausgerichtet ist, desto weniger müssen wir die Ratschläge
äußern, selbst wenn sie nur hinter vorgehaltener Hand gegeben werden: Es wird
ein behindertes Kind zu erwarten sein, die Schwangerschaft sollte man wohl
abbrechen.
Es gibt noch eine andere
Empfehlung, nämlich die Vermittlung an Einrichtungen, Familien,
Selbsthilfegruppen von Menschen, die Erfahrungen mit Behinderten gemacht haben
und wissen, dass es auch eine Lebensbereicherung gibt, die man vorher so nicht
geahnt hat. Das kam auch in beiden Referaten zum Ausdruck.
Vielen Dank fürs Zuhören.
(Vereinzelt Beifall)
Vizepräsidentin
Dr. Goesmann: Danke, Professor Kahlke. – Jetzt bitte Herr Ramm.
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