TOP IV: Medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung

Donnerstag, 21. Mai 2009, Vormittagssitzung

Prof. Dr. Kahlke, Hamburg: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Peters, ich erinnere mich gut an den zitierten Ärztetag in Ludwigshafen, an diese unselige Aussage eines Delegierten. Ich erinnere mich auch sehr gut an Ihre Antwort. Ich bin schon seit Längerem auf Ärztetagen und denke: Jener Kollege, jene Kollegin ist auch wieder da. Wenn ich Sie sehe, dann freue ich mich immer. Das sage ich ganz offen.

Sie haben die Worte ausgesprochen, die man gar nicht mehr gebrauchen mag, nämlich Wert- und Unwertdiskussion. Wenn ich höre, dass eine Ärztin bzw. ein Arzt sagt, sie bzw. er sehe keinen Wert in diesem Behinderten – wahrscheinlich stark Behinderten –, habe ich bei allem Respekt vor dem Begriff der Behinderung die Frage: Gibt es nicht auch eine Behinderung eingeschränkter Menschlichkeit? Ich frage: Wer ist bei einer solchen Aussage eigentlich behindert?

(Beifall)

Herr Kollege Seidel, ich finde Ihre Aussage sehr wichtig – ich hoffe, ich gebe sie richtig wieder –: Die engagierte Zuwendung der deutschen Ärzteschaft gegenüber Menschen mit Behinderung ist ein Beitrag zur Wertorientierung der deutschen Gesellschaft. So habe ich es verstanden. Es ist schwer, wenn wir das unmittelbar umsetzen wollen, um ein Menschenbild in der Ärzteschaft auch nach außen zu tragen.

Ich denke an die Diskussion – sie wurde gestern kurz angesprochen – über das Gesetz der so genannten Spätabtreibung. Man muss entscheiden: Wie bin ich ärztlich herausgefordert im Blick auf behinderte Menschen und wie bin ich ärztlich herausgefordert im Blick auf das Schicksal der Mutter, der Schwangeren?

Ich denke, je mehr wir zeigen, dass unser Menschenbild auf eine den Behinderten voll integrierende Gesellschaftsordnung ausgerichtet ist, desto weniger müssen wir die Ratschläge äußern, selbst wenn sie nur hinter vorgehaltener Hand gegeben werden: Es wird ein behindertes Kind zu erwarten sein, die Schwangerschaft sollte man wohl abbrechen.

Es gibt noch eine andere Empfehlung, nämlich die Vermittlung an Einrichtungen, Familien, Selbsthilfegruppen von Menschen, die Erfahrungen mit Behinderten gemacht haben und wissen, dass es auch eine Lebensbereicherung gibt, die man vorher so nicht geahnt hat. Das kam auch in beiden Referaten zum Ausdruck.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Vereinzelt Beifall)

Vizepräsidentin Dr. Goesmann: Danke, Professor Kahlke. – Jetzt bitte Herr Ramm.

© Bundesärztekammer 2009