Dr.
Dewitz, Berlin: Sehr geehrte Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich fand die Referate von Herrn Dr. Peters und von Herrn Professor Seidel sehr
gut und wichtig. Ich halte aber diese Seitenhiebe in beiden Referaten in
Richtung Kostenerstattung und KV-System, wie Herr Merchel schon gesagt hat, für
überflüssig und schädlich. Ich finde, dass sich Kostenerstattung,
Einzelleistungsvergütung und der Bezug von Transferleistungen nicht
ausschließen. Auch Menschen, die Transferleistungen erhalten, zahlen ihre Miete
in aller Regel selber, überweisen sie selber. Das wurde irgendwann einmal
umgestellt: Früher wurde die Miete direkt von der hilfegewährenden Stelle
überwiesen. Später hat man gesagt: Nein, diese Menschen müssen zur
Selbstständigkeit erzogen werden, sie bekommen das Geld auf ihr Konto
überwiesen und reichen es dann weiter.
Genauso würde es auch weiterlaufen,
wenn wir die Kostenerstattung hätten. Das Sachleistungsprinzip führt nämlich
genau zu dem beklagenswerten Zustand, dass es zu einer Rationierung kommt. Die
Pauschalierung führt zu einer Nivellierung der Vergütung. Es werden
Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben. Das heißt, uns wird das Geld aus dem
Portemonnaie genommen. Unsere Leistungen werden nicht vergütet. Als Orthopäde
mit Röntgen und Elektrotherapie erbringe auch ich Leistungen für 11 Euro im
Monat bzw. 30 Euro im Quartal. Da bin ich eher schlechtergestellt als ein
Hausarzt, weil ich hohe Kosten habe durch ständige Prüfungen oder auch
TÜV-Prüfungen. Nicht zu vergessen ist auch das Material, das man sich
beschaffen muss.
Ich denke, wir kommen aus dieser
Falle des weiteren Absinkens der Vergütung nur heraus, wenn wir vom
Sachleistungsprinzip endlich wieder zur Kostenerstattung kommen, wenn
Einzelleistungen erstattet werden.
Ich möchte auch noch zu den
Zuzahlungen, die Sie kritisiert haben, Stellung nehmen. Zuzahlungen führen zu
einem Rückgang der Zahl der Arztbesuche, nicht nur bei Behinderten, auch in
sozial schwachen Bezirken. Es gibt Erhebungen seitens der KV Berlin, dass die
generelle Einführung der Zuzahlung 2004 zu einem Rückgang der Zahl der
Arztbesuche in sozial schwachen Bezirken von über 15 Prozent geführt hat,
während in bessergestellten sozialen Bezirken die Zahl der Arztbesuche nach
einem Rückgang von 8 Prozent nach einem Jahr wieder auf das alte Niveau angestiegen
ist. Ich glaube, im Bundesdurchschnitt liegt der Rückgang bei 6 oder 7 Prozent.
Dadurch gehen sozial Schwache dreimal weniger zum Arzt, als das in sozial
stärkeren Regionen der Fall ist.
Als Orthopäde beobachte ich in den
letzten Jahren, dass die Patienten später zu mir kommen. Sie kommen nicht mehr
im ersten Quartal, das früher eines der stärksten Quartale war, sondern sie
müssen zunächst einmal zum Hausarzt und zum Kardiologen, um sich ihre
Medikamente fürs Herz und gegen Diabetes zu holen. Wenn sie nach einigen
Monaten wieder Geld haben, kommen sie zum Orthopäden, weil sie wissen, dass das
Medikament gegen die Osteoporose auch wieder Zuzahlung kostet. Wenn sie
Krankengymnastik aufgeschrieben bekommen, müssen sie auch Zuzahlungen leisten.
Das letztendlich von der SPD
eingeführte System führt zu einer starken sozialen Benachteiligung von Menschen
mit niedrigem Einkommen. Ich denke, das kann auf Dauer so nicht sein.
Vielen Dank.
(Beifall)
Vizepräsidentin Dr.
Goesmann: Vielen Dank. – Jetzt nochmals Herr Bolay. Bitte.
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